Reiche sollen weniger Steuern sparen
Grünen-Wettstein fordert neues Abzugssystem

Der grüne Finanzpolitiker Felix Wettstein möchte das Steuersystem umkrempeln. Statt auf dem Einkommen sollen Abzüge künftig auf dem Steuerbetrag erfolgen. Das würde kleinere und mittlere Einkommen entlasten.
Publiziert: 10.06.2023 um 01:26 Uhr
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Aktualisiert: 12.06.2023 um 13:39 Uhr
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Pendlerabzug, Essensabzug, Weiterbildungsabzug, Drittbetreuungsabzug, Gesundheitskostenabzug, Liegenschaftskostenabzug, Spendenabzug und und und. Wer sich ans Ausfüllen der Steuererklärung macht, führt nicht nur seine Einnahmen feinsäuberlich auf, sondern auch die abzugsberechtigten Ausgaben. Je mehr sich abziehen lässt, umso kleiner fällt die Steuerrechnung aus.

Bloss: Die Abzüge sind nicht bei allen Einkommensschichten gleich viel wert. Wegen der Progression – gerade bei der direkten Bundessteuer – müssen Besserverdienende grundsätzlich tiefer in die Tasche greifen. Umgekehrt gilt aber auch: Mit hohen Abzügen können sie bei den Steuern deutlich mehr sparen als Steuerzahler mit kleinen Einkommen.

Abzug nicht gleich viel wert

Grundsätzlich gilt: Je höhere das Einkommen, umso wertvoller wird ein Abzug. Dazu ein Rechenbeispiel: Eine Person weist ein steuerbares Einkommen von 57'000 Franken aus, die andere 147'000 Franken. Beide haben den gleich langen Arbeitsweg und machen den Pendlerabzug von 3000 Franken bei der Bundessteuer geltend.

Grünen-Nationalrat Felix Wettstein möchte das Steuerabzugssystem umkrempeln.
Foto: Simon von Gunten
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Das Resultat: Der Wenigverdiener spart damit nur rund 90 Franken bei der Steuerrechnung, die Gutverdienerin hingegen gut 330 Franken. Und das nur bei der Bundessteuer. Der gleiche Effekt wirkt zusätzlich bei Kantons- und Gemeindesteuern.

«Heutiges System nützt Wohlhabenden»

«Unser heutiges System der Abzugsmöglichkeiten nützt den Wohlhabenden sehr viel, während bei einem gleichartigen Aufwand die Geringverdienenden kaum oder gar nicht entlastet werden», moniert Grünen-Nationalrat Felix Wettstein (65, SO).

Er macht ein weiteres Beispiel: «Zwei Berufskolleginnen, in derselben Lohnklasse eingeteilt, gehen an einem Arbeitstag zusammen zum Mittagessen. Sie wählen dasselbe Menu zu 25 Franken», illustriert Wettstein. «Eine der beiden ist teilzeitbeschäftigt und alleinerziehend: Für sie kostet dieses Mittagessen 25 Franken. Ihre Kollegin, vollzeitbeschäftigt, kinderlos und mit einem sehr gut verdienenden Partner verheiratet, bezahlt faktisch bloss 17 Franken.»

Kleine Steuer-Revolution

Ein Unterschied, an dem sich der grüne Finanzpolitiker stört. Er will das System deshalb umkrempeln und fordert nichts weniger als eine kleine Steuer-Revolution. «Statt auf dem Einkommen sollen Steuerabzüge erst auf dem geschuldeten Steuerbetrag erfolgen», erklärt der Solothurner.

Zuerst würde also auf dem Gesamteinkommen die Steuerschuld berechnet. Und erst auf diesem Betrag würden Abzüge abgerechnet. «Ein Abzug von 100 Franken wäre dann für alle 100 Franken wert – unabhängig von der Einkommenshöhe», erklärt Wettstein.

Für seinen Vorschlag hat er ein vor Jahren etabliertes Vorbild. Neben dem Kinderabzug von 6500 Franken auf das steuerbare Einkommen gibt es bei der Bundessteuer auch einen Steuerrabatt von 251 Franken pro Kind auf den geschuldeten Steuerbetrag. Der Steuerrabatt ist für jedes Kind gleich hoch – egal, wie viel die Eltern verdienen.

Ertragsneutraler Wechsel

Wettstein hat nun einen Vorstoss eingereicht, wonach der Bundesrat einen entsprechenden Systemwechsel prüfen soll. In einem Bericht soll die Landesregierung aufzeigen, welche Auswirkungen ein solcher Wechsel hätte und wie sich dieser für den Bund ertragsneutral umsetzen liesse.

«Das heutige System der Abzugsmöglichkeiten vergrössert die soziale Schere», stellt Wettstein fest. Mit seinem Vorstoss will er dem entgegenwirken. «Der Systemwechsel hätte für tiefere und mittlere Einkommen einen stärkeren entlastenden Effekt.»


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