Kommt es zum Beizen-Kompromiss?
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Neue Corona-Verschärfungen:Kommt es zum Beizen-Kompromiss?

Bundesrat entscheidet über neue Corona-Verschärfungen
Kommt es zum Beizen-Kompromiss?

Der Bundesrat will die Corona-Regeln national vereinheitlichen – und verschärfen. Seine neusten Vorschläge werden zerzaust. Der Bundesrat scheint zu Zugeständnissen bereit. Ein Beizen-Kompromiss steht zur Debatte. Ebenso Hunderte Zusatz-Millionen für Entschädigungen.
Publiziert: 10.12.2020 um 19:52 Uhr
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Aktualisiert: 11.12.2020 um 14:11 Uhr
An einer am Dienstagabend einberufenen Medienkonferenz stellten die Bundesräte Alain Berset (48) und Simonetta Sommaruga (60) ein hartes Massnahmenpaket vor.
Foto: keystone-sda.ch
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Sermîn Faki und Ruedi Studer

Der Aufschrei gegen den 19-Uhr-Beizen-Schluss, den der Bundesrat vorschlägt, ist riesig. Viele Kantone fühlen sich vor den Kopf gestossen. Der Gewerbeverband wehrt sich gegen die «Verhinderung des Weihnachtsgeschäfts». SVP und FDP laufen ebenfalls Sturm gegen die bundesrätlichen Verschärfungsvorschläge. Und die nationalrätliche Gesundheitskommission warnt vor einer «nicht nötigen Übersteuerung» der Kantone durch den Bund.

Die massive Kritik hat den Bundesrat überrascht. Musste SP-Gesundheitsminister Alain Berset (48) letzte Woche bei der Skigebiet-Frage nachgeben, versucht er diesmal die harte Linie weitgehend zu halten, heisst es in Bundesbern. Verwässere man die Vorschläge zu stark, drohe zwischen Weihnachten und Neujahr eine epidemiologische Katastrophe.

Sitzung beginnt früher

Dass es eine weitere Verschärfung und einheitlichere Regeln braucht, ist im Bundesrat zwar unbestritten, doch in einzelnen Punkten gehen die Meinungen weit auseinander. Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (60) hat die Bundesratssitzung am Freitag jedenfalls extra früher angesetzt, weil sie eine längere Debatte erwartet. Schon um acht Uhr gehts los.

Um folgende Punkte geht es im Besonderen:

  • Sperrstunde: Restaurants, Läden und Freizeitangebote wie Fitnesscenter sollen zwischen 19 und 6 Uhr schliessen, so der ursprüngliche Vorschlag. Für viele Beizen lohnt sich das nicht mehr. Deshalb ist von einer Kompromisslösung die Rede: Die Sperrstunde könnte daher etwas später angesetzt werden – am ehesten auf 21 Uhr. Was Gesundheitsminister Berset nicht schmecken dürfte.
  • Sonntags-Lockdown: Der Vorschlag, dass Restaurants und Läden sonntags und an Feiertagen gar nicht öffnen dürfen, ist ebenfalls massiv unter Beschuss. Ein solcher Sonntags-Lockdown könnte gerade im Weihnachtsgeschäft zu mehr Gedränge an Samstagen führen, befürchten die Kritiker. Es könnte auf einen Verzicht der Sonntagsschliessungen hinauslaufen – allenfalls auch nur für Skiorte.
  • Familientreffen: Privat sollen sich höchstens fünf Personen aus zwei Haushalten treffen – diese Vorgabe ist einigen im Bundesrat wohl zu streng. Die Zwei-Haushalte-Regelung ist besonders umstritten, da sie für viele Familien kaum praktikabel ist. Dem Vernehmen nach könnte die Obergrenze bei zehn Personen bleiben – offen ist, ob die Zwei-Haushalte-Regelung drin bleibt oder nur noch als dringliche Empfehlung ausgesprochen wird.
  • Veranstaltungsverbot: Öffentliche Veranstaltungen werden mit Ausnahme von religiösen Feiern (mit maximal 50 Teilnehmenden) sowie Parlamentsversammlungen komplett verboten. Erlaubt bleiben professionelle Veranstaltungen – etwa Eishockeyspiele – ohne Publikum. Dieser Punkt ist praktisch unbestritten.
  • Ausfallentschädigungen: Mit neuen Einschränkungen kommt die Wirtschaft noch stärker in die Bredouille. Der Bundesrat will deshalb ein zusätzliches Entschädigungspaket beschliessen. Die Rede ist von «mehreren Hundert Millionen», allenfalls rund 500 Millionen, zusätzlich für die betroffenen Firmen, die über eine Vereinfachung und Ausweitung der Härtefallregelung laufen sollen. Die Summe hängt auch davon ab, welche Einschränkungen der Bundesrat beschliesst. Als Option steht auch eine Generalklausel zur Debatte: Das Parlament könnte dem Bundesrat eine Vollmacht geben, damit er nicht jedes Mal fragen muss. Die Entschädigungsfrage soll vom Parlament noch in der Wintersession im dringlichen Covid-19-Gesetz geregelt werden.

Heftige Diskussionen sind programmiert

Klar ist: Im Bundesrat dürfte am Freitag heftig gerungen werden. Vertreter der harten Linie seien Sommaruga, Berset und Verteidigungsministerin Viola Amherd (58). Sie stützen sich auf die steigenden Infektionszahlen ab – und warnen vor einem Kollaps des Gesundheitswesens über die Festtage. Sie wollen darum hart durchgreifen – und die betroffenen Branchen grosszügig entschädigen. Ihnen stehen vier FDP- und SVP-Bundesräte gegenüber, die von ihren Parteien massiv unter Druck gesetzt wurden.

Mindestens einer müsste auf die Seite der Mitte-Links-Koalition schlagen, um eine Mehrheit für Verschärfungen zu schaffen. Ist das Guy Parmelin (61), der unter dem Eindruck seiner Wahl zum Bundespräsidenten allenfalls die epidemiologische Lage über die Interessen der empörten Wirtschaftsverbände stellt? Oder doch Karin Keller-Sutter (56) – die allerdings als Wirtetochter und ehemalige Präsidentin des Detailhandelsverbands eine Nähe zu jenen Branchen hat, die besonders betroffen wären? Sie soll einen überaus kritischen Mitbericht zu Bersets Plänen geschrieben haben.

Selbst Insider unter der Bundeshauskuppel trauen sich am Donnerstagabend keine Prognose zu. Die Unruhe in den Amtsstuben sei gross, vieles werde von der Diskussion im Bundesratszimmer abhängen.

Lockdown-Damoklesschwert bleibt

Das Damoklesschwert eines schweizweiten Lockdowns bleibt zudem weiterhin über der Bevölkerung hängen. Denn verschlechtert sich die epidemiologische Lage bis zum 18. Dezember weiter, wird die Regierung über einen erneuten Lockdown befinden.

Dann müssten Läden und Gastrobetriebe – allenfalls auch nur in einzelnen Kantonen oder Regionen – doch ganz schliessen. Er würde möglicherweise schon am 19. Dezember in Kraft treten – und damit die Feiertage treffen.

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