Postauto-Skandal: BAV-Chef Peter Füglistaler macht den Verantwortlichen Beine
Der gmögige Unruhestifter

Das Bundesamt für Verkehr sorgt derzeit beinahe täglich für Schlagzeilen. Ob Fernbus-Bewilligung oder Postauto-Skandal: Amtsdirektor Peter Füglistaler ist stets an vorderster Front dabei. Wie tickt der Mann, der Post und SBB vor sich hertreibt?
Publiziert: 25.02.2018 um 18:34 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 16:00 Uhr
Thomas Schlittler

Ein ganz normaler Donnerstag in Ittigen am Rande von Bern: In den Gängen des Bundesamts für Verkehr (BAV) herrscht wenig Betrieb. Es ist so ruhig, dass man kaum wagt, lauter zu sprechen als im Flüsterton. Schwer zu glauben, dass in diesem Gebäude jene 300 Beamten sitzen, die in diesen Tagen und Wochen die ganze Schweiz in Aufregung versetzt haben.

Mit der Aufdeckung des Post­auto-Skandals hat das BAV ein staatspolitisches Erdbeben ausgelöst. Und weil die Behörde diese Woche die ersten Fernbusse bewilligt hat und damit das SBB-Monopol im Fernverkehr infrage stellt, macht das BAV auch noch der Bahn das Leben schwer.

Angeführt werden die Unruhestifter von Peter Füglistaler (58). Der BAV-Direktor sieht sich als «stolzen Staatsdiener». Auf seine Rolle beim Postauto-Skandal ist er trotzdem nicht stolz: «Ich finde es zwar gut, dass wir den Betrug aufgedeckt haben. Stolz kann ich auf so etwas aber nicht sein. Denn in dieser Geschichte gibt es nur Verlierer.»

Peter Füglistaler in seinem Amtszimmer in Ittigen BE.
Foto: Peter Gerber
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Füglistaler wirkt wie die personifizierte Bodenständigkeit; ganz so, wie man es von einem Beamten erwartet: Statt Lackschuhe und edlen Vestons trägt er Gesundheits­latschen und Reissverschluss-Pulli. Man glaubt ihm, wenn er sagt, dass er sich im Kirchenchor wohler fühle als auf dem roten Teppich.

Er kennt die Verantwortlichen seit Jahren

«Selbst in dieser turbulenten Zeit habe ich übrigens keine Chorprobe verpasst.» Der Skandal habe sein Leben nicht auf den Kopf gestellt, sagt der Vater von zwei erwachsenen Töchtern, der in Wabern bei Bern wohnt.

Völlig spurlos sind die Ereignisse aber auch an Füglistaler nicht vorbeigegangen. Beschäftigt hat ihn vor allem, dass er die Leute, die für den Betrug verantwortlich sind, seit Jahren kennt. «Ich kann einfach nicht begreifen, wie sie das Ver­trauen der Steuerzahler so leicht­fertig aufs Spiel setzen konnten. Ich bin persönlich enttäuscht und habe mich auch schon gefragt: War ich zu wenig kritisch, weil ich sie so gut kannte?»

Die Schweizer ÖV-Welt ist klein. Man kennt sich – und Füglistaler geniesst einen hervorragenden Ruf. «Er ist in der Branche sehr beliebt», sagt Ueli Stückelberger (48), Direktor des Verbandes öffentlicher Verkehr.

«Unglaublich schnell», nennt ihn Ex-SBB-Chef Benedikt Weibel (71). Michaela Stöckli (55), Direktorin des Bahn­industrieverbandes Swissrail, meint: «Ein brillanter Kopf!»

Auch bei Verkehrspolitikern von links bis rechts ist viel Positives über den BAV-Chef zu vernehmen. Man lobt vor allem seine Dossierfes­tigkeit, sein Engagement sowie seine gradlinige, offene Art. «Ein sehr kompetenter Mann», sagt SVP-Haudegen Ulrich Giezendanner (64). So etwas hört man von ihm selten über ein SP-Mitglied.

Kritik jedoch gibt es an seinem Führungsstil. Vor allem bei der Linken sehen nicht alle gern, wie aktiv Füglistaler seine Rolle wahrnimmt. «Er mis­sioniert für mehr Wettbewerb und schwächt damit das Schweizer ÖV-System», sagt Phi­lipp Hadorn (51), SP-Nationalrat und Zentralsekretär der Gewerkschaft des Verkehrs­personals.

Er will den ÖV voranbringen

Füglistaler nimmt solche Vorwürfe gelassen. «Ich bin nicht BAV-Direktor geworden, um jeden Tag ein paar Briefe zu unterschreiben und ein paar Verfügungen rauszulassen.» Er wolle gestalten und das ÖV-System voranbringen. «Wir sind aber nicht dazu da, irgendwelche Strukturen oder einzelne Unternehmen zu schützen.»

Fernbusse seien eine Bereicherung für den Schweizer ÖV, sagt er. Dass die subventionierten Bahnunternehmen dadurch ernsthaft konkurrenziert werden, glaubt er nicht: «Die Erfahrungen aus Deutschland zeigen, dass die meisten Fernbus-Passagiere neue Kunden sind. Sie wechseln vom Auto auf den Bus.»

Zugleich gibt Füglistaler unumwunden zu, mit seinen Liberalisierungsansätzen dafür sorgen zu wollen, dass die SBB nicht träge werden. «Die SBB liegen mir am Herzen. Aber es ist nicht meine Aufgabe, ihnen ein schönes Leben zu ermöglichen.»

Der BAV-Chef hat selbst eine SBB-Vergangenheit. Nach Banklehre und Wirtschaftsstudium an der Universität St. Gallen landete der gebürtige Aargauer via Eidgenössische Finanzverwaltung bei den Bundesbahnen. Von 1996 bis 2010 arbeitete er dort in verschiedenen Funktionen, zuletzt als Leiter Finanzen und Recht der Infrastruktur. Sein Chef: And­reas Meyer (56). Den viel kolportierten persönlichen Konflikt mit dem SBB-CEO hält Füglistaler aber für überbewertet: «Das wurde von den Medien hochgeschaukelt.»

Die Zusammenarbeit mit Meyer sei konstruktiv. Ihre Rollen seien aber unterschiedlich – man trage dies auch ab und zu aus. Das sei gut so: «Es wäre gefährlich für das System, wenn ich ein guter Freund von Andreas Meyer wäre.»

Diese Woche musste Füglistaler einen Tiefschlag einstecken: Die Bundesanwaltschaft und die Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland wiesen die Strafanzeige des BAV gegen die Postauto AG zurück. «Nicht zuständig», so die Begründung. Stattdessen müsse der mutmassliche Subventionsbetrug vom BAV selbst verfolgt und beurteilt werden.

«Hätte mir bessere Zusammenarbeit gewünscht»

Füglistaler kann nicht ganz verbergen, dass er von der Entscheidung überrascht und enttäuscht ist. «Ich hätte mir eine bessere Zusammenarbeit gewünscht», gesteht er. Seiner Meinung nach hätte sich die Bundesanwaltschaft auch fragen können: Wie können wir helfen? Was können wir zur Lösung des Problems bei­tragen?

Den Kopf in den Sand stecken will er aber nicht: «Wir werden nun Gespräche führen und in naher Zukunft einen Lösungsvorschlag liefern.»

Der BAV-Direktor will nicht behaupten, dass er und seine Behörde keine Fehler gemacht hätten. «Es ist wahrscheinlich der grösste Skandal der vergangenen zehn Jahre. Da ist es doch klar, dass man nicht alles auf Anhieb richtig macht.» Angesichts der aussergewöhnlichen Situation ist er aber der Meinung, dass sein Amt gut reagiert habe. «Wir machen, was wir können!»

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