Politisches Erdbeben in Washington
Es brennt im Hause Trump

Michael Wolff veröffentlichte in seinem Buch «Fire and Fury» brisante Details über den Alltag im Weissen Haus. Der Präsident ist angeschlagen. Und Sonderermittler Robert Mueller hat neues, belastendes Material.
Publiziert: 07.01.2018 um 22:26 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 16:50 Uhr
Johannes von Dohnanyi

Kurz vor Weihnachten löste Donald Trump sein erstes wichtiges Wahlversprechen ein und brachte eine Steuerreform durchs Parlament. Der bislang so glücklose Präsident sah sich plötzlich im Aufwind.

Nun stehen die Zeichen wieder auf Sturm. Am Freitag legte der Enthüllungsjournalist Michael Wolff in Buchform eine vernichtende Bilanz über die ersten neun Monate Trumps im Weissen Haus vor. Seitdem erlebt Washington ein politisches Erdbeben. Die Anwälte des Präsidenten konnten die Auslieferung von «Fire and Fury» (Feuer und Wut) – nicht stoppen.

Trump heizte die Neugier darauf mit einer Salve unflätiger Tweets weiter an. Seit er auf die Neujahrs-Provokationen des nordkoreanischen Diktators Kim Jong Un selbst mit einem kindisch-wütenden Tweet reagierte – «Mein roter Atomknopf ist viel grösser und stärker als deiner!» –, hält die Yale-Professorin und Psychiaterin Bandy X. Lee den Präsidenten endgültig für amtsunfähig. Sie fordert für Trump notfalls eine psychiatrische Zwangsuntersuchung. Trump reagierte gestern via Twitter auf diese Diagnose. Ob seine Textnachricht dazu angetan ist, alle Zweifel an seinem Geisteszustand aus der Welt zu schaffen? «Ich bin nicht nur schlau, sondern ein Genie», so Trump. «Ein sehr stabiles Genie.»

Eine schrecklich nette Familie (von links): Trump-Sohn Eric mit Ehefrau Lara.  Donald (O-Ton Bannon: «inkompetent») und Ehefrau Melania mit ihrem gemeinsamen Sohn Barron. Vanessa und Trump-Sohn Donald jun. (O-Ton Bannon: «unpatriotischer Landesverräter») mit ihren Kindern Kai Donald John III.  Trump-Tochter Ivanka (O-Ton Bannon: «dumm wie Bohnenstroh») mit Ehemann Jared (O-Ton Bannon: «skrupelloser Geschäftemacher»). Tochter Tiffany Trump.
Foto: GETTY IMAGES
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Bereits erste Dementis

Tatsache ist in jedem Fall: Die 362 Seiten von Wolffs Werk lesen sich nicht nur wie eine hässliche Groteske aus dem Weissen Haus. Wenn nur Teile des Inhalts stimmen, ist das Buch politisch hochexplosiv.

Wenn ...! Denn Autor Wolff ist nicht unumstritten. Mehrfach schon hat er Quellen ungenau zitiert und die Wahrheit «gedehnt». Auch jetzt gibt es bereits erste Dementis. Was aber auch an seiner zweifelhaften Arbeitsmethode liegen könnte: Mehr als 200 Interviews will Wolff im Weissen Haus mit engsten Mitarbeitern und Trump selbst geführt haben. Ob die Befragten jeweils wussten, dass viele dieser Gespräche aufgezeichnet wurden, ist strittig.

Ex-Trump-Beraterin Katie Walsh gab an, die Atmosphäre im Weissen Haus habe oft gewirkt, «als wolle man herausfinden, was ein Kind gerade will». Der Mangel an Respekt unter Mitarbeitern und Freunden des Präsidenten sei eklatant: Finanzminister Steven Mnuchin und Medienmogul Rupert Murdoch (Fox News) halten Trump für einen «Idioten», Aussenminister Rex Tillerson hält ihn für «beschränkt». Trump selbst nennt seinen Schwiegersohn und Berater Jared Kushner einen «Arschkriecher».

Und was sagt Trumps ehemaliger Chefstratege Steve Bannon, den der Präsident im Sommer nach einer Reihe von Indiskretionen gefeuert hatte? Der «leninistische Rechtspopulist» beschreibt den 45. Präsidenten der USA als inkompetent, ungebildet und desinteressiert. Tochter Ivanka sei «dumm wie Bohnenstroh», ihr Gatte Kushner ein skrupelloser Geschäftemacher und Karrierist.

Bannon nennt Trumps ältesten Sohn Donald Trump jun. einen unpatriotischen Landesverräter. Der, Kushner und andere hatten während des Wahlkampfs eine russische Anwältin im New Yorker Trump Tower getroffen, die «Schmutz» über Hillary Clinton versprochen hatte. «I love it», schrieb der «kleine» Trump in einem E-Mail. Aus dem «Deal» wurde nichts. Doch anstatt sofort das FBI zu informieren, habe Trump jun. seinen Vater auf dem Laufenden gehalten. Da ist sich Bannon «ganz sicher».

Trumps Schmusekurs

Es ist ein gefundenes Fressen für FBI-Sonderermittler Robert Mueller. Der untersucht seit Monaten, ob Trump für seinen Wahlkampf illegale Hilfe aus dem Kreml bekam. «Es geht auch um Geldwäsche», orakelt Bannon in Wolffs Buch. Mueller werde Trump jun. öffentlich «wie ein Ei aufschlagen». Bannon wird nun wohl bei Mueller unter Eid aussagen müssen.

Trumps Ex-Intimus weiss um die Sprengkraft seiner Sätze. Nichts verteidigt der Präsident vehementer als seine Familie. Dass zwischen den beiden nun Krieg herrscht, war unvermeidlich.

Die Machtverschiebungen in Washington sind in vollem Gang. Das erste Beben: Die ultrarechte Milliardärstochter Rebekah Mercer hat sich mit dem Präsidenten solidarisiert und Bannon ihre Millionen-Unterstützung für dessen rechtspopulistische Webseite «Breitbart» gestrichen. Damit verliert das rechtsextreme Lager, das Trump bislang unerschütterlich zur Seite stand, an Durchsetzungskraft. Und der Präsident muss sich entscheiden, ob und wie weit er zu Kompromissen bereit sein wird.

Das zweite Beben: Trump hat das «Establishment» der Republikaner, das er ursprünglich «vernichten» wollte, als sehr gute und mir wohlgesonnene Menschen» entdeckt. Allerdings nicht aus wahrer Liebe: Partei und Präsident brauchen einander um eine bittere Niederlage bei den Zwischenwahlen im Herbst zu vermeiden.

Das ganz grosse Beben, «The Big One» wird wohl Robert Mueller auslösen. Wenn Donald Trump den Sonderermittler nicht vorher feuert, um sich und die Seinen zu retten.

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