Politikerinnen wollen einen Männer-Bundesrat verhindern
Ein einig Volk von Schwestern

Der Bundesrat droht, wieder zum Männerverein zu wehren. Jetzt wehren sich die Frauen: Parteiübergreifend wollen sie einen Rückfall in die Achtzigerjahre verhindern.
Publiziert: 06.08.2017 um 00:16 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 11:37 Uhr
Simon Marti und Sermîn Faki

Plötzlich steht die Frauenfrage wieder im Brennpunkt der politischen Debatte. Entzündet hat die Diskussion ausgerechnet eine der erfolgreichsten Schweizer Politikerinnen: Bundespräsidentin Doris Leuthard (54) erklärte zum 1. August, sich spätestens Ende Legislatur aus dem Bundesrat zurückzuziehen – und gab damit auch gleich das Startsignal zum Gerangel um ihre Nachfolge.

Wie man in ihrer Partei CVP munkelt, könnte Leuthard bereits im Sommer 2018 nicht mehr Bundesrätin sein. Sollte ihr ein Mann nachfolgen, wäre die Sozialdemokratin Simonetta Sommaruga (57) die letzte Frau in der Regierung, denn auf Aussenminister ­Didier Burkhalter (57) wird wohl im Herbst keine Bundesrätin folgen: Der umtriebige, aber auch beliebte Ignazio Cassis (56) steigt als einziger offizieller Tessiner Kandidat seiner Partei ins Rennen. Dass die Sonnenstube der Schweiz nach 19 Jahren wieder einen Bundesrat zugute hat, wird in Bern kaum bestritten. Mögliche Konkurrentinnen wie Jacqueline de Quattro (57) und Isabelle Moret (46), beide aus der Waadt, haben da einen schweren Stand.

«Zwei der nächsten drei frei werdenden Bundesratssitze müssen mit Frauen besetzt werden»

Doch selbst für erzbürgerliche Frauen ist die Vorstellung von sechs Männern in der Regierung eine Horrorvision. Über Partei­grenzen hinweg sind Politikerinnen in Bundesbern daher dabei zu verhindern, dass dieses Szenario nach dem Abgang Leuthards Wirklichkeit wird.

«Zwei der nächsten drei frei werdenden Bundesratssitze müssen mit Frauen besetzt werden», kon­statiert BDP-Fraktionschefin Rosmarie Quadranti (60). Sie spielt auf den ebenfalls erwarteten Abgang von Bundesrat Johann Schneider-Ammann (65) an und setzt darauf, dass die Politikerinnen dann zusammenstehen: «Es wird eine Solidarisierung der Frauen über die Parteigrenzen hinaus geben. Auch viele Männer werden mitmachen, denn ihnen ist bewusst, dass eine so krasse Untervertretung der Frauen einfach nicht mehr zeitgemäss ist», so die Zürcher Nationalrätin.

Der Support der BDP mag ein wichtiges Signal sein, allerdings hat die Kleinstpartei bei der Verteilung der Bundesratssitze wenig zu melden. Doch Quadranti steht mit dieser Ansage nicht allein. Ihre Aufgabe sei klar, sagt Babette Sigg (55), Präsidentin der CVP-Frauen. Eine gerechte Vertretung der Frauen im Bundesrat lasse sich nur parteiübergreifend erreichen: «Hier werde ich nach den Sommerferien aktiv und mich mit den anderen Präsidentinnen treffen. Wir müssen uns koordinieren», so die Zürcherin.

Die Leuthard-Nachfolge steht schon seit Jahresbeginn auf der Agenda der CVP-Frauen. Die Haltung sei eindeutig: «Eine oder zwei Frauen gehören auf das Ticket der Partei bei der Ersatzwahl für Doris Leuthard», so Sigg. Es könne nicht sein, dass immer nur männliche Kollegen als potenzielle Nachfolger genannt würden. «Das gilt auch für die parteiinterne Diskussion.» Es gebe eine ganze Reihe von CVP-Frauen, die fähig seien, dieses Amt auszuüben, fährt sie fort – freilich, ohne Namen zu nennen.«Wir Frauen müssen zusammenarbeiten, sonst droht für längere Zeit eine klare Untervertretung», meint auch die Präsidentin der FDP-Frauen, die Zürcher Nationalrätin Doris Fiala (60). Was allerdings nichts daran ändert, dass wohl frühestens nach Schneider-Ammann eine freisinnige Politikerin in den Bundesrat einziehen wird. Und nicht schon im September. Wer emotionslos rechne, der wisse, dass es Frauen «beim besten Willen nicht ohne Kooperationsbereitschaft der Männer schaffen können». Das verlange durchdachtes Vorgehen, so Fiala. Man dürfe nicht «kurzfristig auf Erfolg» setzen.

Wie einst die Eidgenossen: Frauen schwören, zusammen­zustehen.
Foto: Igosr Kravarik
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«Es ist jetzt an den bürgerlichen Frauen von FDP und CVP, ihren Anspruch durchzusetzen»

Kämpferischer tönt es von links. «Wenn die freisinnigen Frauen wirklich eine Bundesrätin wollen, müssen sie im September einen ernsthaften Anspruch erheben», sagt die Basler SP-Ständerätin Anita Fetz (60) und signalisiert Unterstützung: Gingen die FDPlerinnen jetzt in die Offensive, erhielten sie den ­Support von vielen Frauen und Frauenorganisationen.

Fetz findet es «erschütternd, dass die Frauenvertretung nicht viel stärker thematisiert wird». Nominationen aber seien Sache der Fraktionen: «Insofern ist es jetzt an den bürgerliche Frauen von FDP und CVP, ihren Anspruch durchzusetzen.»

Wie geschickt dabei taktiert werden muss, zeigt der Fall der ersten CVP-Bundesrätin Ruth Metzler (53) vor 18 Jahren: Zuerst mussten die CVP-Frauen parteiintern durchsetzen, dass einer der durch den Doppelrücktritt von Arnold Koller (83) und Flavio Cotti (77) frei werdenden Sitze von einem reinen Frauen­ticket beansprucht wird. Dann wurden für beide Kandidatinnen – neben Metzler trat auch die St. Galler Regierungsrätin Rita Roos (66) an – Göttis eingesetzt, die in den anderen Fraktionen für die beiden weibelten. Nicht zuletzt sorgte man dafür, dass der Frauen-Sitz am Wahltag im März 1999 zuerst besetzt wurde – damit bei einem männlichem Komplott eine zweite Chance bestanden hätte.

«Wir werden ihnen den Rücken stärken»

Von solchen Planspielen sind die Frauen heute meilenweit entfernt – ein Rückstand, der rasch aufgeholt werden soll. Maya Graf (55) sitzt für die Grünen im Nationalrat und ist Präsidentin des Frauendachverbands Alliance F. Der Verband werde «helfen, bürgerliche Kandidatinnen im Vorfeld der nächsten Ersatzwahlen zu fördern». In ihren Fraktionen hätten diese Frauen nämlich noch immer einen schweren Stand. «Wir werden ihnen den Rücken stärken», verspricht Graf.

Mit Blick auf die Nachfolge von Didier Burkhalter lässt die Grünen-Politikerin durchblicken, dass zumindest links der Mitte die Rücktrittsankündigung Leuthards einen Einfluss auf das Verhalten am Wahltag im September haben werde: «Ich werde mich natürlich nach meiner Fraktion richten. Aber heute würde ich eher eine mir weniger gut bekannte Frau aus der Romandie wählen als einen Tessiner FDP-Parlamentarier.»

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