Politiker kritisieren Bobo-Kampagne
«Unterhaltungseffekt reicht nicht!»

100'000 Franken lässt sich der Kanton Luzern eine Kampagne mit DJ Bobo kosten. Politiker mahnen, sorgfältig mit Steuergeldern umzugehen. Aber: Gesetze schreiben staatliche Präventionskampagnen zum Teil vor.
Publiziert: 05.02.2019 um 22:05 Uhr
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Aktualisiert: 17.10.2019 um 09:10 Uhr
Andrea Willimann
Andrea WillimannBundeshaus-Redaktorin

Für 100'000 Franken lässt der Kanton Luzern einen seiner berühmtesten Einwohner – DJ Bobo (51) – verkünden: «Gehen Sie nicht wegen jedem Bobo zum Arzt.» Der Superstar soll die Luzerner davon abhalten, wegen gesundheitlicher Bagatellfälle unnötige Gesundheitskosten zu verursachen (BLICK berichtete). 

Weh tut die Kampagne im Moment vor allem dem Luzerner Gesundheitsdirektor Guido Graf (60, LU). Ihm wird vorgeworfen, mit der einen Hand Steuergelder zu vergeuden und mit der anderen zu knausern. So war das Bundesgericht in Lausanne vorletzte Woche zum Schluss gekommen, dass der Kanton Luzern Teilen seiner Bevölkerung Prämienverbilligungen vorenthält.

Immer wieder Kritik an staatlich finanzierten Kampagnen

Kritik muss Graf auch einstecken, weil die Wirkung der staatlichen Prävention schwer messbar ist. Und diese Kritik hat Tradition! So waren mit Steuergeld finanzierte Gesundheitskampagnen, etwa die Stopp-Aids-Kampagne «Love Life», wiederholt Thema im Parlament in Bern. Auch die nationale Aufforderung zur Grippeimpfung wurde hinterfragt. Andere Kampagnen hingegen, wie etwa zum Schutz von Kindern an Fussgängerstreifen («Rad steht, Kind geht»), stossen auf hohe Akzeptanz.

«Gehen Sie nicht wegen jedem Bobo zum Arzt!»: Eine Luzerner Kampagne mit Musiker DJ Bobo appelliert an die Eigenverantwortung. Mit diesem Plakat will der Kanton Luzern die Bevölkerung dazu bringen, nicht wegen jedes Wehwechens zum Arzt zu gehen.
Foto: Gesundheits- und Sozialdepartement Kanton Luzern
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Dabei entstehen die Kampagnen nicht im luftleeren Raum. «Alle heutigen Kampagnen und Aktivitäten im Präventionsbereich verfügen über eine spezifische Rechtsgrundlage», stellte der Bundesrat 2015 in Bezug auf das Bundesamt für Gesundheit (BAG) klar.

Damals wollte SVP-Nationalrat Sebastian Frehner (45) den «Präventionswahnsinn» stoppen. Im Visier hatte der Basler das BAG, dem er Budget und Personalbestand im Bereich Prävention streichen wollte. Doch der Bundesrat verteidigte die Ausgaben erfolgreich: Die Massnahmen seien wissenschaftsbasiert, hielten sich an die Vorgaben des Bundes, würden evaluiert und erzielten nachgewiesenermassen Wirkung.

Teils fordert das Gesetz Präventionsmassnahmen

Tatsächlich gibt es im Gesetz klare Vorgaben, die staatliche und private Prävention sogar vorschreiben. Ein Beispiel: Das Bundesgesetz über die Krankenversicherung verpflichtet die Versicherer, gemeinsam mit den Kantonen eine Institution zu betreiben, die Massnahmen zur Förderung der Gesundheit und zur Krankheitsverhütung anregt und auf ihre Wirkung hin untersucht.

Nationalrat Frehner äussert sich heute zur staatlichen Präventionsfinanzierung zurückhaltend. Zur Bobo-Kampagne sagt er: «Diese könnte tatsächlich zu Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen führen.» Auch die Stopp-Aids-Werbung habe er grundsätzlich gut gefunden. «Der Staat sollte einfach sehr zurückhaltend mit Staatsgeldern für Präventionskampagnen umgehen.»

Ähnlich sieht es der Berner Nationalrat Erich von Siebenthal (60, SVP), dem die Art und Weise der HIV-Kampagnen missfiel. Er mahnt auch in Bezug auf die Bobo-Kampagne: «Einfach nur ein Unterhaltungseffekt reicht bei einer staatlichen Kampagne nicht! Die Steuergelder müssen ganz klar eine Wirkung erzeugen.»

Nationale Kampagnen gibt es ab 100'000 Franken 

Von diesem Nutzen ist der Kanton Luzern überzeugt. Tatsächlich fällt die eingesetzte Summe von 100'000 Franken nicht völlig aus dem Rahmen. Das zeigt ein Vergleich mit Zahlen der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU). Sie führt Kampagnen durch, die teils über den Fonds für Verkehrssicherheit mit staatlichen Geldern mitfinanziert werden. «Unsere nationalen Kampagnen kosten je nach Thema, Zielgruppe und gewählten Kanälen zwischen 100'000 Franken – zum Beispiel ‹Wer trinkt, fährt nicht› – und einer Million Franken pro Jahr», sagt BfU-Sprecher Marc Kipfer (36).

Zu den teuersten Verkehrs-Kampagnen gehören laut Kipfer die Massnahmen zur Schulwegsicherheit. «Eine Kampagne umfasst hier allerdings nicht nur Plakate und allfällige TV-Spots, sondern viele weitere Massnahmen wie etwa die Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien», stellt Kipfer klar. 

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