Politexperte Michael Hermann zum Ausgang der Abstimmungen
«Der grösste Verlierer ist Roger Köppel»

Das Resultat des Abstimmungsssonntags erinnert Politexperte Michael Hermann an alte Zeiten: Damals, als es normal war, dass Initiativen keine Chancen haben. Und: Mit den heutigen Niederlagen, habe sich der Eindruck ins Gegenteil verkehrt, die SVP sei unaufhaltbar.
Publiziert: 05.06.2016 um 18:33 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 10:30 Uhr
Matthias Halbeis

Fünf Abstimmungen, fünf Siege des Bundesrates, was ist passiert?
Mit diesen eindeutigen Entscheiden erinnert dieser Abstimmungssonntag schon fast an alte Zeiten, als es normal war, dass Initiativen keine Chancen haben und die Behörden auf die Bevölkerung zählen konnte. Es ist aber auch eine Bestätigung für das dramatische Resultat vom Februar, als die Durchsetzungs-Initiative der SVP überraschend klar verworfen wurde. Allerdings müssen wir uns auch bewusst sein, dass in der Schweiz Asylgesetzrevisionen immer deutlich angenommen wurden. Bisher waren die Linken jeweils dagegen, diesmal war es die SVP, die nicht reüssieren konnte.

«Köppel treibt einen Keil ins bürgerliche Lager»

Was bedeutet das für die Politik in der Schweiz?
Dass sie die nächsten Projekte in Angriff nehmen kann. Und dass sie gut daran tut, diese sehr ausgewogen zu gestalten. Denn nur so haben Vorlagen wie die Rentenreform 2020 oder die Unternehmenssteuerreform III eine Chance vor dem Volk.

Gibt es weitere Schlüsse?
Ja, dass sich niemand allzu hochnäsig verhalten sollte. Erstens die SVP. Seit dem Wahlsieg, als sie unaufhaltbar schien, hat sich der Eindruck mit der Niederlage im Februar und heute ins Gegenteil verkehrt. Aber auch die anderen sollte sich nicht allzu sicher fühlen.

Politexperte Michael Hermann sieht SVP-Nationalrat Roger Köppel als Verlierer des Tages.
Foto: CHRISTIAN BEUTLER
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Warum?
Weil die Niederlagen der SVP jetzt auch nicht so schwer wiegen. Bei der Asylgesetzrevision war es ein Fehler, das Referendum überhaupt zu ergreifen. Schliesslich ging es hier um eine Beschleunigung der Verfahren. Die Milchkuh-Initiative war gar keine Vorlage der SVP, sondern kam von der Autolobby. Und bei der PID-Vorlage gab die Partei nur eine Nein-Parole ab.

Stimmen die Bürgerinnen und Bürger wieder vernünftiger ab?
Das kann man schon so sehen. Die Serie der grossen Überraschungen scheint vorerst gebrochen. Es war die Annahme der Minderinitiative, die von einem einzelnen lanciert wurde, oder das Ja zur Masseneinwanderungs-, Ausschaffungs- und Zweitwohnungs-Initiative, die viel Unsicherheit ins System brachten. Im Gegensatz dazu fielen heute alle Initiativen durch – auch die Service-public-Initiative, die durchaus ähnliche Anliegen zusammenbrachte wie diejenige von Minder.

Was ist passiert?
Die Initiative hatte überhaupt erst Schub durch die Umfragen bekommen. Dabei war der gesunde Menschenverstand dieses Mal besser als die Umfragen: Wenn alle Parlamentarier die Vorlage ablehnen, dann reicht ein sympathischer Titel nicht bis ans Ziel. Je länger sich die Leute damit befassten, desto informierter waren sie und darum fiel das Nein auch höher aus als prognostiziert.

Wer ist der grösste Verlierer an diesem Wochenende?
Dieser Titel gehört wohl Roger Köppel, der überraschend die Service-public-Initiative unterstützte. Er sah die guten Umfragewerte und spekulierte auf den grossen Befreiungsschlag nach der Niederlage bei der Durchsetzungs-Initiative. Als einziger gegen das ganze Establishment die Initiative zu gewinnen, das wäre was gewesen. Doch nachdem Köppel zusammen mit der SVP bei drei weiteren Vorlagen Niederlagen bezog, können wir jetzt bilanzieren: Dieser populistische Schuss ging ziemlich nach hinten los.

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