Pilotprojekt ist ein Flop
Leuthards Verkehrsbeamte pfeifen auf Carpooling

Carpooling – Fahrgemeinschaften von Arbeitskollegen mit nahem Wohnort – kann bei Verkehrsspitzen die Strassen entlasten. Dies sagten bisher die Verkehrsexperten beim Bund. Jetzt testen sie die Akzeptanz an sich selber – und stossen auf Probleme.
Publiziert: 17.07.2018 um 16:55 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 17:01 Uhr
Andrea Willimann

Wo erwartet man besonders umweltbewusste Beamte? Genau: im Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) von Bundesrätin Doris Leuthard (55, CVP). 1600 Personen arbeiten am Standort Ittigen bei Bern – mit ÖV-Haltestellen in unmittelbarer Nähe.

Aber nicht jeder Uvek-Mitarbeiter fährt nur Bahn und Velo. Viele kommen mit dem Privatauto zur Arbeit. Und die sind von speziellem Interesse für das hausinterne Bundesamt für Strassen (Astra). Dieses testet am Uvek-Personal das Anti-Staumittel Carpooling. Eine vorerst auf zwei Jahre befristete Pilotstudie soll klären, ob die Kollegen bereit sind, regelmässig Fahrgemeinschaften für den Arbeitsweg zu bilden und dem Chauffeur dafür einen Mitfahrpreis zu zahlen. 

Machen auch Top-Bedingungen nicht flexibel?

Die erste Bilanz überrascht: Trotz grossem fachlichem Bezug zum Thema findet das Carpooling-Angebot bei den Beamten bislang wenig Resonanz. «Erste Erfahrungen zeigen, dass die Schwierigkeit in der fehlenden individuellen Flexibilität liegt», heisst es ziemlich ernüchtert im Astra-Jahresbericht.

Moderne Fahrgemeinschaften – Carpooling genannt – können in Spitzenzeiten helfen, die Strassen zu entlasten.
Foto: Keystone
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Intern ist das Staunen auch deshalb gross, weil den Mitarbeitern das Carpooling einfach gemacht wird. Sie können sich über eine Smartphone-App und das Intranet informieren und austauschen. Die Teilnahme ist freiwillig.

Jetzt hofft man auf langfristig positive Resultate

Das Astra realisiert jetzt: «Damit Carpooling erfolgreich wird, muss bei allen Pendlerinnen und Pendlern ein Umdenken stattfinden.» Gründe für das bisherige Scheitern haben die Verkehrsexperten auch bereits zur Hand: Viele kommen gar nicht mit dem Auto oder wohnen zu weit auseinander. 

Letzten Herbst hatte es im Astra optimistischer getönt. «Wir wollen die leeren Kapazitäten, die ungenutzt herumfahren, besser nutzen», sagte Astra-Sprecher Thomas Rohrbach damals der  «Südostschweiz». «Unsere Mitarbeiter haben eine Affinität zum Thema und lassen sich dadurch vielleicht leichter motivieren.»

Länder mit weiten Pendler-Distanzen machen es vor

Ans «Vielleicht» glaubt man beim Astra noch immer. «Es ist so: Der erste Anlauf war mühsam. Aber der Test wurde ja auch extra auf mindestens zwei Jahre angelegt, und wir bleiben positiv», sagt Sprecher Guido Bielmann.

Im Uvek wird daher Phase zwei gezündet: «Carpooling muss den Autofahrerinnen und Autofahrern sowie den potenziellen Mitfahrenden ins Bewusstsein gerückt und als selbstverständliche Alternative für den Arbeitsweg betrachtet werden», heisst es im Astra-Bericht. Die Mitarbeiter können sich also auf den nächsten internen Aufruf gefasst machen.

Andernorts ist Carpooling erfolgreicher – auch weil es Anreize gibt: In den USA zum Beispiel machen separate Fahrspuren Fahrgemeinschaften zusätzlich attraktiv. Beliebt ist Carpooling zudem in europäischen Ländern mit weiten Pendlerdistanzen und wenig attraktivem ÖV, so etwa in Frankreich und Deutschland.

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