Pestizid-Initiative löst Zerstörungswut aus
«Viele Plakate halten keinen Tag!»

Kaum aufgehängt, sind die Plakate schon kaputt: Befürworter der Pestizid-Initiative klagen über einen aussergewöhnlich aggressiven Abstimmungskampf. Ihre Gegner allerdings auch.
Publiziert: 28.04.2021 um 09:10 Uhr
|
Aktualisiert: 28.04.2021 um 12:39 Uhr
Lea Hartmann

Der Tag der Entscheidung ist noch Wochen entfernt, doch die Stimmung im Abstimmungskampf um die Pestizid-Initiative ist bereits jetzt vergiftet. Die Initianten des Volksbegehrens, das den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln komplett verbieten will, klagen über Vandalismus und Einschüchterungsversuche vonseiten der Gegner.

Abgerissene Plakate und aufgeheizte Stimmung

«Es ist der Wahnsinn», sagt Natalie Favre vom Initiativkomitee. Kaum aufgehängt, sei die Werbung der Befürworter der Pestizid-Initiative vielerorts schon wieder zerstört worden. «Viele Plakate halten keinen Tag!», sagt Favre.

So berichtet ein Biobauer aus dem Kanton Thurgau auf Facebook, dass ihn Plakat-Vandalen nun bereits zum zweiten Mal innert kurzer Zeit heimgesucht hätten. Vor dem Plakat, das für die Pestizid-Initiative wirbt, war auf seinem Grundstück bereits eine Werbung für die Trinkwasser-Initiative, die ebenfalls am 13. Juni zur Abstimmung kommt, kaputtgemacht worden.

Die Initianten der Pestizid-Initiative klagen über Vandalismus. Viele Plakate und Fahnen wie diese bleiben nicht lange ganz.
Foto: Zvg
1/7

Auch Biowinzer Bruno Martin (59) aus dem Berner Seeland wurde Opfer der Zerstörungswut. «Bei mir hat jemand diese Woche alle Plakate abgeschnitten», sagt er – nicht zum ersten Mal. Die Stimmung sei enorm aufgeheizt. Je nachdem, wo er unterwegs sei, traue er sich kaum, sein Auto zu parkieren. Andere Bauern berichten, dass sie im Dorf wegen ihres Engagements gegen Pestizide nicht mehr gegrüsst würden.

«Hat Ausmass angenommen, das nicht mehr akzeptabel ist»

Favre weiss zudem von Einschüchterungsversuchen gegenüber Befürworterinnen und Befürwortern. In einem Dorf in der Waadt hätten Einwohner beim Chef eines Dorfladens interveniert, weil dessen Mitarbeiterin auf ihrem Bauernhof eine Fahne für die Pestizid-Initiative aufgehängt habe. Sie wollten, dass er seine Angestellte dazu bringt, die Fahne zu entfernen.

Es gehöre zu einem Abstimmungskampf, dass mit harten Bandagen gekämpft werde, räumt Favre ein. «Dass jetzt die freie Meinungsäusserung durch Vandalismus verhindert wird, ist aber nicht akzeptabel.» Die Befürworterinnen und Befürworter würden nichts anderes tun, als ihre demokratischen Rechte wahrzunehmen. «Sachbeschädigungen und Einschüchterungen erinnern an Mafia-Methoden und verhindern den demokratischen Prozess.»

Favre wirft der Gegenseite vor, Zwietracht zu schüren – und die Vandalenakte seien die Konsequenz davon.

Auch Gegner werden angegriffen

Der Schweizerische Bauernverband (SBV), der die Gegen-Kampagne koordiniert, weist den happigen Vorwurf von sich. Wenn jemand Hass schüre, dann die Initianten selbst, findet SBV-Sprecherin Sandra Helfenstein (49). So werben die Initianten zum Beispiel mit dem Bild eines Babys für ihr Anliegen. Die Botschaft wird vermittelt, dass Pestizide unter anderem einen negativen Einfluss auf die Entwicklung des Gehirns hätten. «Da werden Ängste geweckt, die überhaupt nicht gerechtfertigt sind», sagt Helfenstein.

Die Bauern, die gegen die Initiative sind, seien zudem ebenfalls mit enormer Aggressivität konfrontiert. «Sie werden teilweise fast tätlich angegangen», sagt Helfenstein. Sie erzählt von einem Bauern, dem der Stinkefinger gezeigt worden sei, als er sein Feld spritzte. «Dabei ist er Biobauer und hat biologische Mittel gespritzt.» Auch viele Plakate der Gegner seien zudem schon zerstört worden.

Beide Seiten hoffen auf Entspannung

Gegner wie Befürworter hoffen, dass sich die Gemüter in den nächsten Wochen nun etwas beruhigen. Man sei zuversichtlich, dass man die Diskussion zurück auf die Sachebene bringen könne und sich die Leute eine eigene Meinung bilden, sagt Bauernverbands-Sprecherin Helfenstein. Das würde sich auch Favre wünschen. Man freue sich auf eine harte Auseinandersetzung – allerdings nicht mit Gewalt, sondern mit Argumenten.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?