«Diese Familien erhalten keine Chance»
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Legalisierung von Sans-Papiers:«Diese Familien erhalten keine Chance»

Parlament diskutiert über Legalisierung von Sans-Papiers
«Die abschreckende Wirkung funktioniert nicht»

Hunderte abgewiesene Asylsuchende leben seit Jahren illegal in der Schweiz. Der Nationalrat will ihren Status nun legalisieren. Doch macht der Ständerat mit?
Publiziert: 11.09.2023 um 16:55 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2023 um 19:57 Uhr

Sie haben keine Papiere und keine Perspektive. Über 2500 abgewiesene Asylsuchende in der Schweiz leben länger als ein Jahr von Nothilfe. Sie sollten das Land längst verlassen haben – doch sie gehen nicht freiwillig und können zwangsweise nicht ausgeschafft werden.

Einem Teil dieser Menschen will der Nationalrat helfen. Er hat sich im Frühling für einen Vorstoss der inzwischen zurückgetretenen EVP-Nationalrätin Marianne Streiff-Feller (66) ausgesprochen. Dieser fordert eine Legalisierung des Status der Langzeit-Nothilfebeziehenden, deren Asylgesuche noch unter dem alten Asylrecht, das bis 2019 galt, behandelt wurden. Voraussetzung dafür ist, dass sie einigermassen gut eine Landessprache sprechen und nicht straffällig geworden sind. 

«Das ist eine unbefriedigende Situation für alle»
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EVP-Politikerin Streiff-Feller:«Das ist eine unbefriedigende Situation für alle»

«Damit wäre ihnen gedient und auch der Gesellschaft»

Es gehe speziell um Betroffene aus Tibet, dem Iran oder Irak, führte EVP-Nationalrat Nik Gugger (53), der nach dem Rücktritt Streiff-Fellers für die Motion kämpft, im Nationalrat aus. Diese nicht zu integrieren, sei aus seiner Sicht «absolut unvernünftig». «Die abschreckende Wirkung, die die Nothilfe haben soll, funktioniert bei ihnen nicht.»

Die ehemalige EVP-Nationalrätin Marianne Streiff-Feller fordert eine Regularisierung von Sans-Papiers, die schon lange von Nothilfe leben.
Foto: keystone-sda.ch
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Streiff-Feller spricht von einer unhaltbaren Situation. «Diese Menschen bekommen Nothilfe, müssen in Zentren leben, dürfen nicht arbeiten. Das ist eine unbefriedigende Situation für alle», findet sie. Eine Aufenthaltsbewilligung würde ihnen erlauben zu arbeiten. «Damit wäre ihnen gedient und auch unserer Gesellschaft.» 

Das sieht nicht nur sie so. Im Nationalrat unterstützen nebst den Linken auch eine Mehrheit der Mitte-Fraktion sowie einzelne Freisinnige die sogenannte Regularisierung dieser Sans-Papiers.

Bundesrat fürchtet falsches Signal

Strikt dagegen ist die SVP. Die Aargauer SVP-Nationalrätin Martina Bircher (39) gibt zu bedenken, dass man damit ein falsches Signal sende, nämlich: «Egal, was der Rechtsstaat sagt, ich darf eh bleiben.»

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Auch der Bundesrat ist aus diesem Grund gegen die Regularisierung. Obwohl Asylministerin Elisabeth Baume-Schneider (59) einräumte, dass Angehörige gewisser Staaten teilweise «grosse Schwierigkeiten» hätten, die für die Ausreise notwendigen Papiere zu beschaffen – also teilweise die Schweiz gar nicht verlassen können, auch wenn sie wollten.

Nun entscheidet der Ständerat

Die Gegner des Vorstosses bringen vor, dass Abgewiesene die Möglichkeit haben, ein Härtefallgesuch zu stellen. Allerdings sind die Chancen, dass es angenommen wird, verschwindend klein.

Am Dienstag entscheidet nun der Ständerat. Nur wenn auch das Stöckli Ja sagt, kann ein Teil der Abgewiesenen auf eine Aufenthaltsbewilligung hoffen. Die vorberatende Kommission des Ständerats empfiehlt ihrem Rat allerdings, den Vorstoss abzulehnen. Ob die Mehrheit des Stöckli dieser Empfehlung folgt, wird sich zeigen.

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