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«Operation Libero»
Wunderkinder in der Krise

Die einst gefeierten Politstars sind aus dem Tritt gekommen – was auch an der SVP liegt. Aber der Spendenaufruf funktioniert.
Publiziert: 13.12.2020 um 17:32 Uhr
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Aktualisiert: 09.01.2021 um 22:22 Uhr
Reza Rafi

In der Schweiz rieb man sich verwundert die ­Augen: Ist aus der Operation Libero die Opera­tion Spätzle geworden? Ein Zürcher Werber mischte im ­November bei der Ober­bürgermeisterwahl in Stuttgart (D) mit. Er unterstützte die Kampagne des SPD-Kan­didaten. Ohne Erfolg.

Die Operation Libero hat mit der Aktion zwar nichts zu tun. Weil der besagte Schweizer aber mit den ­«Liberos» bekannt ist, dort sogar Vorstandsmitglied war, musste sich der Verein wieder einmal gegen Negativschlagzeilen wehren.

Die Episode illustriert den aktuellen Zustand der Organisation, die 2014 im Nachgang der SVP-Masseneinwanderungs-Initiative gegründet wurde. Rasch avancierten die Studenten im spröden Bundesbern zu politischen Wunderkindern. Ihr grösster Triumph war das Nein zur SVP-Durchsetzungs-­Initiative 2016. Die Gruppe um die damaligen Co-Präsidentinnen Flavia Kleiner (30) und Laura Zimmermann (29) verlieh den Siegern jenen jungen, frischen Anstrich, der ihren Gegnern bei der Blocher-SVP fehlt.

Die damalige Co-Präsidentin Flavia Kleiner freut sich 2016 über das Nein zur SVP-Durchsetzungsinitiative.
Foto: PETER GERBER
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Von Spontigruppe zur Kampagnenmaschinerie

Die Medien feierten die jugendliche Überwindung der konservativen, isolatio­nistischen Schweiz. Zwar zeichnete die Vox-Analyse ein anderes Bild – ausschlaggebend waren demnach FDP- und CVP-Wähler gewesen, die ihren Parteien gefolgt waren.

Doch das spielte keine Rolle mehr. Der Mythos war geboren. Das Bild der jubelnden Flavia Kleiner im pinkfarbenen Mantel prägte sich ins nationale Gedächtnis ein.
Aus der Spontitruppe wurde eine professionelle Kampagnenmaschinerie. Es folgten weitere erfolgreich geschlagene Politschlachten, die «No Billag»-Initiative etwa oder die Selbstbestimmungs-Initiative 2018.

Von allen Seiten gab es Bewunderung – und Ablehnung. Den Linken waren sie zu neoliberal, den Konservativen zu links. Bis heute muss Zimmermann gegen das Gerücht kämpfen, sie werde von Wirtschaftsverbänden bezahlt.

Und irgendwann kam die Gruppe aus dem Tritt. Bei den Eidgenössischen Wahlen 2019 versuchte man, Kandi­daten mittels Absichtserklärung für eine Empfehlungsliste zu gewinnen und damit die Zusammen­setzung des Parlaments zu beeinflussen. Das trug der Aktion ­Libero Kritik von ­allen Seiten ein.

Im Herbst schliesslich beteiligte sie sich erst auf der Zielgeraden an der Kampagne für die Konzernverantwortungs-Initiative. Die «Kovi» scheiterte am Ständemehr.
Als ihre Gegner die Polit-Aktivisten deshalb als «Halunken» bezeichneten, fand Zimmermann es später angemessen, sich dafür zu entschuldigen. Ein Akt von grosser Seltenheit in der Politik.

Keine öffentlichen Fördergelder

War die Schlagkraft der Operation Libero nur Schein? Hat sie das Glück verlassen? Ist ihr der politischen Kompass abhandengekommen?

Die Krise gipfelte letzte Woche in Zimmermanns Ankündigung, man stehe vor dem finanziellen Aus. Bis Ende Februar müssten 500'000 Franken her, sonst sei die Operation Libero ­Geschichte.
Wie können Profis in eine solche Situation hinein­laufen? Man sei schlank aufgestellt, sagt Zimmermann, und legt SonntagsBlick Zahlen vor. Die Geschäftsstelle besteht aus sechs Mitarbeitern, verteilt auf fünf Vollzeitstellen. Von monatlich 47 000 Franken Fixkosten entfallen 38 000 Franken auf Löhne. Der Rest geht für Raum­miete, Verwaltungsaufwand und Informatik drauf.

Doch das Problem ist ein anderes: Die Operation ­Libero ist keine Nichtregierungsorganisation (NGO) mit wissenschaftlichem oder karitativem Auftrag. Öffentliche Fördergelder erhält sie daher keine.

Geldspenden fliessen vor allem vor politisch aufgeheizten Abstimmungen. Und emotional wird es vor allem, wenn eine Partei das Thema vorgibt – die SVP.
So ist die Gruppe vom Schicksal jener politischen Kraft abhängig, die sie am kräftigsten bekämpft: Schwächeln Christoph Blocher (80) und seine SVP, geht es auch der Operation Libero schlecht.

Zimmermanns Spendenaufruf, neudeutsch Crowd­funding, funktioniert. «Heute haben wir die Marke von 200 000 Franken ­geknackt», verkündet sie am Samstag gegenüber SonntagsBlick.
Sehr wahrscheinlich also, dass dieser Akteur dem ­Politgeschehen auch weiterhin erhalten bleibt. Ein «Strategiepapier 2023» ist bereits aufgesetzt – man will um neue Mitglieder ­werben, ein «nachhaltiges Finanzierungsmodell» aufbauen und «dort aktiv werden, wo der Schuh am ­meisten drückt».

Und irgendwann in naher Zukunft wird sich Zimmermann endlich in jene schicksalhafte Auseinandersetzung stürzen können, die sie schon lange kommen sieht: einen Urnengang über das institutionelle Rahmenabkommen mit der Europäischen Union.

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