Operation Libero
«Wir wollen eine Zumutung sein»

Operation Libero ist für seine Abstimmungskampagnen bekannt. Nun hat die Bewegung zum ersten Mal bei Wahlen mitgemischt – und kräftig Lehrgeld gezahlt.
Publiziert: 19.10.2019 um 23:27 Uhr
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Aktualisiert: 09.12.2020 um 10:18 Uhr
Interview: Camilla Alabor

Laura Zimmermann, Operation Libero ist bekannt für seine ­Abstimmungskampagnen gegen Ini­tiativen aus dem rechten ­Lager. Nun haben Sie zum ersten Mal versucht, auf nationale Wahlen Einfluss zu nehmen – ist das jugendlicher Grössenwahnsinn?
Laura Zimmermann: Ein bisschen Wahnsinn gehört zu Operation ­Libero und war sicher mit dabei, als wir beschlossen, bei den Wahlen mitzumischen. Uns reichte es nicht mehr, nur mitzuhelfen Vorlagen wie die Durchsetzungs-Initiative der SVP zu versenken. Wir wollen selber gestalten und zu einer offenen Schweiz beitragen. Deshalb haben wir diese Wahlen zur «Wandelwahl» erklärt.

Klingt vor allem nach Polit-­Marketing – was haben Sie konkret gemacht?
Wir waren frustriert darüber, dass das aktuelle Parlament in vielen ­Bereichen für aktiven Stillstand sorgt. Egal, ob es um Europa geht, ums Klima oder um eine ­Elternzeit. Wir sind überzeugt: Es braucht mehr progressive Parlamenta­rier, die bereit sind, über die Parteigrenzen hinweg miteinander zusammenzuarbeiten. Also beschlossen wir, solche Kandidaten zu unterstützen. Am Ende haben wir 38 Kandidierende, von der FDP bis zu den Grünen, in zwölf verschiedenen Kantonen zur Wahl empfohlen.

Bei der Lancierung gaben Sie als Ziel ein Wahlkampf-Budget von 1,5 Millionen Franken an. Das ging gründlich schief – stattdessen sammelten Sie lediglich 600'000 Franken, wovon 400'000 von einem einzigen Grossspender stammen.
Da waren wir leider tatsächlich zu optimistisch: Das Crowdfunding für die Wahlen lief ziemlich schlecht. Warum das so war, werden wir jetzt analysieren. Wir hatten aufzeigen wollen, weshalb Wahlen in der Politik ein ebenso wichtiger, wenn nicht sogar der wichtigere Hebel sind als Abstimmungen. Doch offensichtlich ist es einfacher, die Leute für Abstimmungen zu mobilisieren, wo es um ein klares Ja oder Nein geht. Kommt hinzu, dass während des Wahlkampfs kaum über Inhalte diskutiert wurde, was ja unser Ziel gewesen war.

In Abstimmungskampagnen war Operation Libero bisher sehr erfolgreich.
Foto: Keystone
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Besagte Einzelspende von 400'000 Franken hat für Kontroversen gesorgt. Drohen Sie sich damit nicht abhängig zu machen?
Ich kann die Kritik daran verstehen. Im Vorstand diskutieren wir deshalb vor jeder Grossspende, ob wir sie annehmen wollen. Und klar: Mir wäre es auch lieber gewesen, wenn wir die Wahlkampagne mit mehr Kleinspenden hätten finanzieren können, so wie das bisher bei allen Abstimmungskampagnen der Fall war. Allerdings ist auch Crowdfunding kein Allheilmittel.

Inwiefern?
Wenn wir uns allein auf das Crowdfunding verlassen, können wir erstens nur Kampagnen machen, welche die Massen ansprechen. Vorlagen wie die Burka-Ini­tia­tive – die wir aus staatspolitischen Gründen ablehnen – haben es hingegen schwer, weil niemand grosse Sympathien für ­Burkaträgerinnen hat. Zweitens zwingt einen das Crowdfunding dazu, regelmässig Kampagnen durchzuführen – ähnlich wie bei einem Musiker, der jedes halbe Jahr einen neuen Hit produzieren muss. Das macht einen auch abhängig. Deshalb machen wir uns derzeit ­Gedanken darüber, wie wir uns künftig finanzieren werden.

Ein weiterer Vorwurf in Bezug auf die Wahlen lautet: Sie hätten Kandidaten gekauft, indem diese versprechen mussten, bei Themen wie dem Rahmenabkommen auf Linie von Operation Libero zu politisieren.
Das ist völliger Blödsinn! Erst einmal ist kein Rappen an die Kandidierenden geflossen. Wir haben in den einzelnen Kantonen jeweils Kampagnen für die Gesamtheit der Politiker gemacht, die wir dort unterstützten. Zweitens haben wir niemanden verpflichtet, unsere Positionen zu übernehmen. Klar wollten wir wissen, wie die Kandidaten über einzelne Themen denken – es macht für uns keinen Sinn, jemanden zu unterstützen, der eine 180 Grad eine andere Position vertritt als wir. Aber wir verlangten von niemandem, dass er in jedem einzelnen Punkt mit uns übereinstimmt.

Dennoch: Viele Positionen von Operation Libero entsprechen jenen der GLP und FDP. So setzen Sie sich für eine Erhöhung des Rentenalters und für den Rahmenvertrag ein. Wäre es da nicht ehrlicher gewesen, nur Kandidaten aus diesen Parteien zu unterstützen?
Lustig, dass Sie das sagen. Seit unserer Gründung versucht man, uns zu schubladisieren. Vor drei Jahren hatte man uns noch als «Tarnkappenbomber von (SP-Bundesrätin, Anm. d. Red.) Simonetta Sommaruga» bezeichnet, als wir uns für die Asylgesetzrevision einsetzten. Heute kommt von links der Vorwurf, wir seien die jugendlichen Vertreter von Economiesuisse. Beides ist absurd.

Sie erhalten von Economiesuisse kein Geld?
Nein! Und ich weiss auch nicht, woher diese Verschwörungstheorie kommt. Wir haben ein einziges Mal Geld von Economiesuisse erhalten, das war 2015 ein Betrag von 5000 Franken. Aber die Angriffe sowohl von links wie von rechts zeigen, dass viele nach wie vor Probleme mit einer Bewegung haben, die sie nicht zuordnen können. Uns ist das ganz recht: Wir wollen eine Zumutung sein und Unruhestifter bleiben. Wenn wir Everybody’s Darling sind, haben wir etwas falsch gemacht.

Der Wahlkampf ist vorbei – wie geht es jetzt mit Operation Libero weiter?
Das fragen wir uns gefühlt alle zwei Wochen (lacht). Europa bleibt für uns ein wichtiges Thema: Als Nächstes steht der Kampf gegen die böse Zwillingsschwester der Masseneinwanderungs-Initiative an, die Kündigungs-Initiative der SVP. Und wir werden weiterhin versuchen, den SVP-Diskurs zu Europa aufzubrechen. Leider bewegen sich die Parteien noch immer auf jenem Spielfeld, das die SVP vor 30 Jahren vorgegeben hat. Wir möchten aufräumen mit den Vorurteilen, dass die EU per se bürokratisch und undemokratisch sei.

Und längerfristig, wohin geht die Reise?
Das diskutieren wir im Moment. Sicher ist aber: In einem Land, das zwei Wochen Vaterschaftsurlaub als fortschrittlich betrachtet, gibt es für Operation Libero weiterhin viel zu tun.

Operation Libero

Operation Libero hat sich vor fünf Jahren, im Oktober 2014, als Reaktion auf die Annahme der Masseneinwanderungs-­Initiative gegründet und posi­tioniert sich als gesellschafts- und wirtschaftsliberale Bewegung. Schweizweit bekannt wurde Operation Libero mit der Kampagne gegen die Durchsetzungs-Initiative der SVP, die das Volk 2016 deutlich ablehnte. Co-Präsidentinnen sind ­Flavia Kleiner (29) und Laura Zimmermann (27).

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Operation Libero hat sich vor fünf Jahren, im Oktober 2014, als Reaktion auf die Annahme der Masseneinwanderungs-­Initiative gegründet und posi­tioniert sich als gesellschafts- und wirtschaftsliberale Bewegung. Schweizweit bekannt wurde Operation Libero mit der Kampagne gegen die Durchsetzungs-Initiative der SVP, die das Volk 2016 deutlich ablehnte. Co-Präsidentinnen sind ­Flavia Kleiner (29) und Laura Zimmermann (27).

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