Offener Brief zur AHV-Kampagne
Bürgerliche werfen Gewerkschaften «Lügen» vor

Bürgerliche Parteigrössen und die Kapitäne der Wirtschaftsverbände wehren sich gegen die «Täuschung von Stimmberechtigten» im Abstimmungskampf um die AHV-Reform.
Publiziert: 08.09.2022 um 18:41 Uhr
Pascal Tischhauser

«So nicht!», schimpfen die Parteipräsidenten von SVP und FDP, Marco Chiesa (47) und Thierry Burkart (47), sowie die Wirtschaftsverbandschefs Valentin Vogt (61), Christoph Mäder (66) und Fabio Regazzi (60). Auch Bauernpräsident Markus Ritter (55) hat den offenen Brief unterschrieben, der am Freitag in mehreren Schweizer Zeitungen erscheint.

Sie alle rufen darin die Gewerkschaften zu mehr Sachlichkeit im Abstimmungskampf auf. Unsere AHV, über deren Zukunft wir am 25. September abstimmen, verdiene eine sachliche Debatte, betonen sie.

«Haltlose Angstkampagnen»

Die zwei Mitte-Nationalräte, Bauernchef Ritter und der Gewerbepräsident Regazzi, die beiden Ständeräte Burkart und Chiesa sowie die weiteren Wirtschaftsführer «verurteilen aufs Schärfste haltlose Angstkampagnen, die bewusst auf Lügen setzen, mit frei erfundenen Zahlen hantieren und Fakten verdrehen». Sie fordern die Gewerkschaftsvertreter dazu auf, die der Demokratie unwürdige Täuschung der Stimmberechtigten zu stoppen.

Bürgerliche Parteien und Wirtschaftsverbände wehren sich in einem offenen Brief gegen die Art, wie die Gewerkschaften den AHV-Abstimmungskampf führen.
Foto: zVg
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Der Kommunikationschef des Schweizerischen Arbeitgeberverbands, Andy Müller, verdeutlicht: «Selten gab es eine solch irreführende Kampagne.» Die Gewerkschaften würden in ihrer Kampagne vortäuschen, die Schweiz stimme über das Rentenalter 67 ab. «Fakten werden bewusst verdreht, erste und zweite Säule ständig vermischt», so Müller. «Das konnten wir so nicht länger hinnehmen.»

Der Arbeitgeberverband unter der Leitung von Präsident Vogt wolle zusammen mit den anderen Wirtschaftsdachverbänden wie Economiesuisse unter dem Präsidium von Christoph Mäder, dem Bauernverband und den bürgerlichen Parteien ein Zeichen «gegen Lügen und für eine faktenbasierte Diskussion im Abstimmungskampf» setzen.

Unklarheit beim BVG

Tatsächlich geht es am Abstimmungssonntag ausschliesslich um die Reform der 1. Säule, wie die Unterzeichner des Briefs klarmachen. Und eben nicht darum, das Rentenalter zu erhöhen, wie die Gegner der Vorlage immer wieder warnen. Die Betonung, dass es an der Urne einzig und allein um die AHV gehe, hat aber noch einen tieferen Grund: Der Ständerat wird in der am Montag beginnenden Herbstsession nämlich nicht über die 2. Säule, also die Pensionskasse, reden. Diese Debatte ist verschoben worden.

Damit muss die Stimmbevölkerung nun über die Erhöhung des Frauenrentenalters um ein Jahr befinden, ohne zu wissen, ob die Nachteile bei den Pensionskassen-Renten für die oft Teilzeit arbeitenden Frauen behoben werden oder nicht.

Dabei war geplant, dass die Bevölkerung wissen soll, was bei der beruflichen Vorsorge, also der Pensionskasse, zu erwarten ist, wenn sie über die AHV befindet. So spricht der Genossenschaftsverband Travailsuisse nun von «leeren Versprechen an die Frauen» vor der AHV-Abstimmung.

«Defizit wächst»

Wie Blick berichtete, haben sich die bürgerlichen Parteien und die Wirtschaftsverbände zu einer Allianz zusammengefunden, die gemeinsam gegen die Tierschutzvorlage und für die AHV- und Verrechnungsteuer-Vorlagen kämpft. Die Bürgerlichen betonen im offenen Brief denn auch, sie wollten über die konkreten Vorlagen diskutieren. Auch bei der Reform der Verrechnungssteuer und bei der Massentierhaltungs-Initiative.

Und sie unterstreichen im Brief: Die Reform der AHV werde immer dringender. «Das Defizit der AHV wächst ungebremst.»

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