Nicht alle Hochschulen können online prüfen
Corona sorgt für Prüfungs-Puff

Über 350 Studenten in einem Saal: Nein, das gehört nicht der Vergangenheit an. Trotz Corona halten manche Unis und Fachhochschulen an Präsenzprüfungen fest. Zum Unverständnis vieler Studierender.
Publiziert: 18.01.2021 um 18:09 Uhr
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Aktualisiert: 27.01.2021 um 08:40 Uhr
Lea Hartmann

Der Ärger bei den Wirtschaftsstudentinnen und -studenten ist gross. Diese Woche hätten sie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur die Semesterprüfungen schreiben sollen. Doch am Freitagabend bekamen sie ein Mail des Direktors: Sämtliche Präsenzprüfungen fallen ins Wasser. Sie werden kurzfristig auf März verschoben und dann online durchgeführt.

Sieben bezahlte Ferientage, die er fürs Lernen eingesetzt habe, seien verloren, regt sich ein BWL-Student auf. «Die Psyche der Studierenden leidet schon genug unter den Corona-Massnahmen», klagt eine Studentin. Wegen der so kurzfristigen Verschiebung könne man nun nicht einmal einem Semesterferienjob nachgehen.

Entscheid in letzter Minute

Die Studenten können nicht verstehen, dass sich die ZHAW trotz der angespannten epidemiologischen Lage nicht auf Onlineprüfungen vorbereitet hat. Zwar gibt es Tests, die von Anfang an für die Durchführung online geplant waren – doch längst nicht alle. Einige Studierende begaben sich deshalb vor den Prüfungen extra freiwillig in Isolation, um das Risiko, die Termine wegen einer Quarantäne zu verpassen, möglichst gering zu halten.

Die School of Management and Law der ZHAW hat die Präsenzprüfungen kurzfristig abgeblasen. Zum grossen Ärger der Studierenden.
Foto: Keystone
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Die Hochschule habe die Umstellung auf Fernprüfungen «aus Vorsichtsgründen und zum Schutz der Gesundheit» beschlossen, sagt ZHAW-Sprecherin Bettina Mack. Dieser «Alternativplan» sei in den letzten Wochen vorbereitet und «nach sehr sorgfältigen Abwägungen» nun in Kraft gesetzt worden. «Dies war kein einfacher Entscheid, da wir uns der Konsequenzen für die betroffenen Studierenden durchaus bewusst sind.» Dass die Prüfungen nun erst im März durchgeführt werden können, liege daran, dass man sie erst vollständig neu konzipieren müsse.

Über 350 Studierende in einem Raum

Auch an anderen Hochschulen sorgt die Prüfungsorganisation bei den Studierenden für Unverständnis. An einigen Fakultäten und Departementen hält man trotz der Corona-Situation an Präsenzprüfungen fest. Vergangenen Freitag sassen beispielsweise über 350 Medizinstudentinnen und -studenten der Uni Bern in einer Halle auf dem Messegelände der Bernexpo und schrieben eine vierstündige Prüfung. Ausgerechnet die medizinische Fakultät hat eine Ausnahme von der uniweiten Weisung gemacht, dass Prüfungen grundsätzlich online durchzuführen sind – was nicht alle Studierende nachvollziehen können.

Die Fakultät schreibe vor, dass man bei Krankheit zu Hause bleiben soll, berichtet ein Medizinstudent im vierten Studienjahr. «Ich bin mir aber nicht sicher, ob jeder Student nach einer langen Lernphase der Prüfung dann auch wirklich fernbleibt.»

Prüfungen vor Ort sind die Ausnahme

Auch an der Uni Zürich finden 15 der 17 Prüfungen der angehenden Mediziner vor Ort statt. «Gewisse Prüfungen mit einem praktischen Teil können nur im Präsenzbetrieb abgehalten werden, wie zum Beispiel die eidgenössischen Prüfungen im medizinischen Bereich», begründet die Universität den Entscheid. Insgesamt würden an der Uni Zürich dieses Semester 90 Prozent der Prüfungen online geschrieben.

Die Uni Bern betont ebenfalls, dass Präsenzprüfungen die Ausnahme seien. Sie würden nur dann durchgeführt, wenn eine Online-Leistungskontrolle «sehr problematisch oder gar nicht möglich» sei. Die Uni habe auch überprüft, ob das Schutzkonzept angesichts der jüngsten Entwicklungen verschärft werden sollte, teilt die Medienstelle mit. Doch man habe entschieden, «dass die bereits getroffenen strikten Schutzmassnahmen ausreichend sind». So müssen die Studierenden Maske tragen, Abstand halten, und die Messehallen seien gut belüftet.

St. Gallen hält an Präsenzprüfungen fest

An der Uni St. Gallen sind Präsenzprüfungen derweil nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Die grosse Mehrheit der Studierenden würde sich das wünschen, so die Begründung der Hochschule.

Auch an der Fachhochschule St. Gallen werden die meisten Prüfungen vor Ort geschrieben. An beiden Ostschweizer Hochschulen sind im Gegensatz zur Uni Bern aber maximal 50 Personen pro Raum zugelassen.

Per Kamera überwacht

Nebst dem Aufwand, der mit der Organisation und Konzeption von Online-Prüfungen verbunden ist, ist ein Grund für das Festhalten an Präsenzprüfungen auch, dass bei Onlineprüfungen das Risiko von Schummeleien und Betrug viel grösser ist. Die ZHAW hatte nach der letzten Prüfungsphase – der ersten im Onlinemodus – sogar befristet eine neue Stelle im Rechtsdienst ausgeschrieben, weil es so viele Disziplinarverfahren gegen Bschiss-Studenten zu bearbeiten gab.

Es gilt deshalb: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Einige Dozentinnen und Dozenten passen die Prüfungen an, damit Schummeln schwieriger wird. An der Fachhochschule Chur oder der Uni Luzern beispielsweise müssen sich die Studierenden während der Prüfung von der Computer-Webcam oder dem Handy filmen lassen.

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