Neuer Verdacht gegen den Bundesanwalt
Hat Lauber das Amtsgeheimnis verletzt?

Die Geheimtreffen mit Fifa-Boss Gianni Infantino werden für den Bundesanwalt immer mehr zur Belastung. Er könnte dabei auch das Amtsgeheimnis verletzt haben. Heute entscheidet die Aufsicht über Laubers Zukunft.
Publiziert: 09.05.2019 um 23:14 Uhr
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Aktualisiert: 10.03.2021 um 11:59 Uhr
Pascal Tischhauser

Heute kommt aus, ob die Aufsicht über die Bundesanwaltschaft ein Disziplinarverfahren gegen Bundesanwalt Michael Lauber (53) eröffnet – weil er drei Geheimtreffen mit Fifa-Boss Gianni Infantino (49) nicht protokolliert und eines gar verschwiegen hat.

Lauber, aber auch die anderen Anwesenden, können sich nicht mehr an das dritte Meeting erinnern. Oder wollen sie nicht? Denn die Zusammenkunft im Berner Hotel Schweizerhof könnte für Lauber noch viel verhängnisvoller werden als bekannt: Der Bundesanwalt kann sich dabei einer Amtsgeheimnisverletzung schuldig gemacht haben.

Ein Unbeteiligter mit am Tisch

Unbeteiligten Dritten gegenüber darf er keine geheimen Verfahrensinformationen geben – und der Walliser Oberstaatsanwalt Rinaldo Arnold (43) sass als unbeteiligter Dritter mit Lauber und Infantino am Tisch.

Bundesanwalt Michael Lauber hatte sich dreimal mit Fifa-Boss Gianni Infantino getroffen, dies aber nicht in seinen Akten ...
Foto: Keystone
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Strafrechtler André Kuhn erklärt die Amtsgeheimnisverletzung wie folgt: «Sie besteht dann, wenn ein Gemeindepräsident dem Bäcker um die Ecke erzählt, Bürger X habe ein uneheliches Kind anerkannt.» Das dürften zwar die involvierten Amtsstellen wissen, nicht aber Unbeteiligte.

Arnold liess sich nicht bestechen

Das dritte Treffen am Freitag, 16. Juni 2017, über das sich die Anwesenden in Schweigen hüllen, war nur durch eine Untersuchung bekannt geworden: Sonderstaatsanwalt Damian K. Graf hatte überprüft, ob sich Arnold hatte bestechen lassen.

Graf meint: Nein. Laut Einstellungsverfügung vom 10. April 2019 ist das trotz Geschenken Infantinos an seinen Jugendfreund Arnold im Wert von 20'000 Franken – darunter zwei Freikarten für den Champions-League-Final in Mailand 2016 und sieben VIP-Tickets für vier Spiele an der Fussballweltmeisterschaft in Russland zwei Jahre später – nicht der Fall.

Oberstaatsanwalt sass privat am Tisch

Brisant aber ist: Graf stiess auf ein SMS von Arnold an den Sprecher der Bundesanwaltschaft, André Marty (53). In diesem kündigt Arnold an, man verspäte sich. Graf geht daher davon aus, dass Arnold beim dritten Treffen dabei war. Doch in welcher Funktion?

Die Einstellungsverfügung zeigt: Arnold hatte sich als «Privatperson» um die Treffen bemüht. Die erste Zusammenkunft fand am 22. März 2016 in Bern statt. Infantino stellte Arnold dort als seinen «persönlichen Begleiter» vor. In seiner Funktion als Staatsanwalt war Arnold nicht beim Treffen: Er hat dafür einen halben Tag Ferien bezogen.

Zudem heisst es in der Verfügung: «Die Besprechung mit der Bundesanwaltschaft stand in keinem Zusammenhang mit der Staatsanwaltschaft Wallis generell oder mit einem im Kanton Wallis geführten Strafverfahren.»

Infantino flog Privatjet zum Geheimtreffen

Zum zweiten Treffen zwischen dem Fifa-Boss und Lauber kam es am 22. April 2016 in Zürich. Dabei ging um die Klärung von verfahrensspezifischen Fragen, wie Lauber im November ausführte. Er nannte als Beispiele den Umgang mit der gewaltigen Menge an sichergestellten Daten. An diesem Treffen nahm Arnold nicht teil.

Wie die «NZZ» publik machte, hat Fifa-Boss Infantino alles daran gesetzt, rechtzeitig aus Katar um 17 Uhr im Restaurant «Au Premier» in Zürich zu sein. Dazu hatte er den Privatjet des katarischen Emirs, Scheich Tamim bin Hamad Al Thani, genutzt.

Kollektive Amnesie

Möglich ist, dass es beim ersten Treffen 2016 nicht in die Details ging und man sich über die Verfahrensinhalte erst bei der zweiten Zusammenkunft austauschte. Doch ist das sicher? Und was wurde beim dritten Treffen im Juni 2017 erörtert? Es herrscht kollektive Amnesie. Dabei wäre Klarheit zentral: darüber, ob Lauber Details zu den Fifa-Verfahren ausplauderte, als Arnold am Tisch sass.

Zum Verdacht der Amtsgeheimnisverletzung und allen weiteren Fragen von BLICK teilt die Bundesanwaltschaft mit, sie mache keine Angaben, die über Aussagen in der SRF-«Samstagsrundschau» vom 27. April dieses Jahres hinausgingen. In der Radiosendung hatte Lauber eingeräumt, dass es das dritte Treffen wohl gegeben hat, er sich aber nicht mehr erinnern könne. Arnold selbst erreichte BLICK am Telefon nicht.

Es braucht einen konkreten Anfangsverdacht

Strafrechtler Kuhn urteilt: «Wenn bei den beiden Treffen, an denen Herr Arnold mit dabei war, Bundesanwalt Lauber tatsächlich geheime Verfahrensinformationen ausgeplaudert hätte, wäre das sehr problematisch. Denn offenbar gehört Arnold keiner Verfahrenspartei an.» Für ihn stellt sich tatsächlich «die Frage, ob eine Amtsgeheimnisverletzung vorliegt».

Andere Juristen sprechen sich dafür aus, nun einen Sonderstaatsanwalt einzusetzen. Kuhn sagt aber: «Die Hürden für eine strafrechtliche Untersuchung wegen einer Amtsgeheimnisverletzung sind sehr hoch. Für die Eröffnung eines Strafverfahrens braucht es einen konkreten Anfangsverdacht.»

Die Aufsicht über die Bundesanwaltschaft könnte heute viel einfacher eine Disziplinaruntersuchung starten – die dann zu einem Anfangsverdacht führen könnte.

Heute entscheidet sich Laubers Schicksal

Bundesanwalt Michael Lauber (53) steht das Wasser bis zum Hals. Zum Verhängnis könnten dem Chefermittler des Bundes die Geheimtreffen mit Fifa-Boss Gianni Infantino (49) werden. Problematisch dabei ist nicht, dass es diese gab – sondern, dass diese nicht protokolliert wurden, wie das gesetzlich vorgeschrieben ist. Zudem hatte Lauber vergangenes Jahr gegenüber der Aufsichtsbehörde beteuert, dass es kein drittes Treffen gegeben habe. Das war nicht die Wahrheit, wie später herauskam. Die Aufsichtsbehörde unter dem ehemaligen Zuger Regierungsrat Hanspeter Uster (61) prüfte in der Folge eine Disziplinaruntersuchung gegen Lauber. Heute gibt sie bekannt, ob diese eröffnet wird. Im schlimmsten Fall blüht dem Bundesanwalt eine Verwarnung, ein Verweis oder eine befristete Lohnkürzung. Das grösste Ungemach droht Lauber aber von Seiten des Parlaments: Es muss Lauber dieses Jahr für vier weitere Jahre bestätigen. Nächste Woche findet die entscheidende Sitzung der Gerichtskommission statt, die Lauber zur Wiederwahl empfiehlt – oder nicht. Lea Hartmann

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