Exklusiv: Der Entwurf für das neue Terror-Gesetz
Schluss mit Kuschel-Justiz für Islamisten

Nur fünf Jahre kommen Extremisten in der Schweiz hinter Gitter. Ein neues Gesetz soll das ändern. Der erste Entwurf steht. Sonntags-Blick zeigt die wichtigsten Verschärfungen.
Publiziert: 07.08.2016 um 00:00 Uhr
|
Aktualisiert: 04.10.2018 um 20:23 Uhr
Roland Gamp

Dass er Sympathien für den Islamischen Staat hegt, gibt S.* (30) offen zu. Er reiste ins syrische Aleppo, bewachte schwer bewaffnet ein Camp. Laut Bundesanwaltschaft hat der Winterthurer für die Terroristen gekämpft. Und zwei Teenager dazu verleitet, in den Dschihad zu reisen.

Nun sitzt S. in Untersuchungshaft. Maximal fünf Jahre drohen dem Islamisten. Höhere Strafen lässt das Schweizer Gesetz nicht zu – bis jetzt.

Eine Expertengruppe hat in den letzten Monaten einen neuen Gesetzesartikel entworfen. Mitgearbeitet haben der Bundesanwalt, ein Bundesstrafrichter, kantonale Staatsanwälte sowie Mitglieder der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD).

SonntagsBlick kennt die Details des Terror-Artikels. Durch diesen können Extremisten deutlich härter angegangen werden.

Anders als das Bundesgesetz gegen Al Kaida und IS, welches 2018 ausläuft, soll er permanent im Strafgesetzbuch verankert werden. Statt wie bisher fünf drohen bis zu zehn Jahre Gefängnis.

Keine Geldstrafen

Wenn der Täter in der Organisation einen bestimmenden Einfluss hat, ist der Strafe keine Obergrenze gesetzt. Und mit Geldstrafen kommen Extremisten nicht mehr davon.

So wolle man mögliche Urteile an das «internationale Niveau anpassen», sagt Beat Villiger (59), Vizepräsident der KKJPD. «Eine Strafe muss durch den Täter als solche empfunden werden. Mit allzu milden Strafen erreicht man das wahrscheinlich nicht.»

Kriminelle Organisationen sind laut Strafgesetz schon jetzt verboten. Der entsprechende Artikel sei aber schlecht formuliert und in der Praxis nur schwer anwendbar, fand die Kommission für Rechtsfragen des Ständerats. Und forderte im Februar 2015 eine Überarbeitung. Das Bundesamt für Justiz will bis Ende Jahr einen Vorschlag präsentieren. Und hat bei der Expertengruppe um einen Entwurf gebeten. Diese kam zum Schluss, dass ein allgemeiner Paragraf gegen kriminelle Organisationen nicht reicht. Es brauche auch einen spezifischen Artikel gegen Terrorgruppen.

Die Voraussetzungen, um jemanden anklagen zu können, sollen gering sein. Strafbar macht sich laut dem Entwurf, wer Terrororganisationen auf «irgend geartete Weise unterstützt». «Dadurch könnte man nicht nur aktive Mitglieder verurteilen, sondern auch sogenannte Schläfer, die scheinbar nur passiv beteiligt sind», so Villiger.

Nicht nur IS und Al Kaida

Das Gesetz greift laut den Autoren zum Beispiel auch bei Personen, die eine entsprechende Organisation finanziell unterstützen, andere Mitglieder anwerben oder Propaganda verbreiten. Eine reine Sympathiebekundung reiche hingegen nicht aus für eine Verurteilung.

Der Artikel erwähnt zwar namentlich die Gruppierungen IS und Al Kaida. Es handle sich aber nicht um eine abschliessende Aufzählung. Bundesrat oder Bundesversammlung könnten weitere Gruppierungen hinzufügen, so die Autoren.

Frankreich, Deutschland oder Russland haben ihre Gesetze gegen den Terror in den letzten Monaten angepasst. Jetzt soll auch die Schweiz nachziehen. Das macht Sinn, sagt Stephan Humer, Vorsitzender des deutschen Netzwerks für Terrorismusforschung. «Die Höhe der Strafen dürfte sich in dem Rahmen bewegen, den wir in Europa für grundsätzlich akzeptabel halten.» Agieren IS-Sympathisanten dann nicht noch vorsichtiger? «Von einer zusätzlichen Professionalisierung ist nicht auszugehen. Vielen IS-Einzeltätern fehlt das Netzwerk dazu.» Das Problem seien jene Islamisten, die schon jetzt professionell vorgehen. «Sie lassen sich vom Gesetz allein sicher nicht abschrecken.»

Breite Unterstützung

Übernehmen das Bundesamt für Justiz und der Bundesrat den Entwurf der Expertengruppe, kommt dieser vor das Parlament. «Ich bin überzeugt, dass er dort angenommen wird», sagt Corina Eichenberger (FDP, 61), Präsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats.

Das Verbot von IS und Al Kaida habe nur sehr beschränkte Mittel zur Verfügung gestellt. «Dass bald höhere Strafen möglich sein sollen, ist sicher sinnvoll.» Mit dem Maximum von zehn Jahren befinde man sich international immer noch unter dem Durchschnitt. «Aus meiner Sicht wäre gar ein noch höherer Strafrahmen angemessen.»

Auch Nationalrätin Sibel Arslan (Grüne, 36) begrüsst die Einführung einer expliziten Strafnorm. «Wobei jedoch zu beachten ist, dass die Definition terroristischer Organisationen dann wirklich all diejenigen erfasst, welche unsere Grundrechte bedrohen und vernichten möchten», sagt die Juristin. «Gleichzeitig müssen wir aber auch intensive Präventionsmassnahmen ergreifen, Aufklärungsarbeit leisten und Ausstiegshilfen anbieten, um gegen den Terror langfristig bestehen zu können.»

Laut Adrian Amstutz (SVP, 62) ist die Verschärfung grundsätzlich richtig. «Sie hat aber nur Wirkung, wenn die Richter die volle Härte der Strafnormen anwenden, Straftäter nicht weiter von milden Strafen, Hafturlauben sowie vorzeitiger Entlassung profitieren können und ausländische Straftäter endlich konsequent des Landes verwiesen werden.»

60 Verfahren gegen Islamisten 

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?