Neue Präparate könnten 400 Tage schneller im Laden sein
Schweiz trödelt bei der Medikamentenzulassung

Medikamente könnten in der Schweiz schneller zugelassen werden, das stellen die Finanzkontrolleure des Bundes fest. Doch ganz so einfach ist es nicht.
Publiziert: 11.01.2024 um 10:21 Uhr
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Aktualisiert: 11.01.2024 um 10:52 Uhr
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Tobias BruggmannRedaktor Politik

Für Pharmafirmen und Patienten ist es ein Ärgernis: Bis ein neues Medikament im Apotheken-Regal landet, dauert es. Nicht nur Forschung und Entwicklung brauchen Zeit, sondern auch die Zulassung. Aktuell dauert allein diese 900 Tage, wie die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) schreibt.

Im Idealfall sei es aber möglich, 400 Tagen weniger zu brauchen: Die Dauer des Zulassungsprozesses könnte also fast halbiert werden. Das wäre wünschenswert, da Krankenkassen ein Medikament in der Regel erst bezahlen müssen, wenn dieses alle ordentlichen Prozesse erfolgreich durchlaufen hat: also erstens eine Zulassung hat und zweitens auf der sogenannten Spezialitätenliste ist, auf der auch die Preise festgelegt sind

Kooperationen als Alternative

Schnellere Verfahren wären dennoch möglich, sagt die EFK, durch internationale Zusammenarbeit etwa: Für die Krebstherapien beispielsweise gibt es ein Kooperationsprogramm mit der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA und anderen Behörden, unter anderem aus Kanada, Australien oder dem Vereinigten Königreich. Von 2019 bis 2021 wurden sechs Zulassungsverfahren so durchgeführt.

Schweizer Medikamente könnten deutlich schneller im Laden landen.
Foto: Keystone
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Dank einer zweiten Initiative namens «Access», in der sich verschiedene Zulassungsbehörden eng austauschen, konnte Swissmedic die Verfahrenszeit zwischen 2018 und 2021 um 286 Tage kürzen. Allerdings hat die Schweiz in dieser Zeit nur vier Access-Verfahren durchgeführt.

Die Finanzkontrolleure empfehlen nun, dass Swissmedic diese beiden Verfahren stärker einsetzt. «Sie verkürzen die Zeitdauer bis zur potenziellen Vergütung für Patienten um etwa 200 bis 300 Tage.»

Pharmafirmen reichen hier später ein

Swissmedic bestätigt in seiner Stellungnahme, dass internationale Zusammenarbeit «Effizienzpotenziale» öffnen könnte. Doch die Behörde nimmt auch die Pharmaunternehmen in die Pflicht. Diese würden entscheiden, wann und wo sie ein Zulassungsgesuch einreichen. Und in der Tat reichen die Konzerne ihre Gesuche an Swissmedic rund 200 Tage später ein als beim europäischen Pendant EMA.

«Neue Arzneimittel können nicht in allen Ländern gleichzeitig lanciert werden», kontert René Buholzer, Geschäftsführer des Verbandes Interpharma. «Weil sich diese Rahmenbedingungen in den letzten Jahren aber verschlechtert haben, kann das dazu führen, dass die Schweiz depriorisiert wird und Zulassungsgesuche hierzulande später oder gar nicht gestellt werden.»

Auch BAG gibt Pharma die Schuld

Auch das Bundesamt für Gesundheit, das neue Medikamente auf die Spezialitätenliste setzen muss, damit diese bezahlt werden, spielt den Ball an die Pharma-Vertreter zurück. Bei der Aufnahme auf die Spezialitätenliste gingen fast 80 Prozent der Zeit für Preisverhandlungen mit den Pharmafirmen drauf.

Die Finanzkontrolle konstatiert aber: «Die Prozessdauer bleibt abhängig von der Höhe der Preisforderung der Industrie.» Buholzer kontert aber auch hier: «Insbesondere der veraltete Mechanismus der Preisfestsetzung führt zu einer Rekord-Wartezeit für Patientinnen und Patienten, macht aber auch den im internationalen Vergleich kleinen Schweizer Markt zunehmend unattraktiv.»

Für die Finanzkontrolleure gibt es auch hier Lösungen: So wäre es denkbar, vorab Preisbänder zu definieren. Alternativ könnten schon nach der Swissmedic-Zulassung befristete, provisorische Preise festzulegen. Oder man könnte beide Zulassungsschritte parallel laufen lassen. Auch da gibt es erste Pilotversuche. Doch bis diese nutzen, heisst es wohl weiter warten.

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