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Neue Meldestelle
IV-Opfer können sich gegen Behördenwillkür wehren

Die Gutachten-Praxis bei der IV steht in massiver Kritik. Nun handelt der Behinderten-Dachverband und schafft eine Meldestelle für Opfer von Behördenwillkür.
Publiziert: 23.12.2019 um 13:47 Uhr
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Aktualisiert: 23.01.2021 um 22:24 Uhr
Bundesrat Alain Berset hat eine externe Untersuchung bei der IV in Auftrag gegeben.
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Lea Hartmann

Diese Enthüllungen haben selbst Bundesrat Alain Berset (47) aufgeschreckt. Der Innenminister hat eine externe Untersuchung angeordnet, um das Gutachterwesen in der Invalidenversicherung zu durchleuchten. Dies, nachdem «SonntagsBLICK» aufgedeckt hat, wie Ärzte mit teilweise äusserst fragwürdigen Gutachten Millionen scheffeln. So hat in einem Fall ein Gericht «Fehlleistungen» eines Arztes festgestellt – trotzdem schreibt er nach wie vor Gutachten um Gutachten. Zudem wurde der Fall eines Copy-Paste-Gutachters publik, der 16 Gutachten mit dem genau gleichen Inhalt ablieferte, die jeweils eine vollständige Arbeitsfähigkeit attestierten.

Auch der Dachverband der Behindertenorganisationen Inclusion Handicap handelt. Er schafft eine Meldestelle für Opfer von IV-Willkür. Anfang 2020 will man die Arbeit aufnehmen, kündigt der Verband an.

«Wir sind alarmiert»

Man wolle damit die Untersuchung des Innendepartements unterstützen, sagt Julien Neruda, Geschäftsführer von Inclusion Handicap. Betroffene könnten sich via Online-Formular oder Hotline melden. «Wir sammeln die Meldungen und schauen, ob es eine gewisse Systematik gibt.» Die Erkenntnisse wolle man dann an Bersets Departement weiterleiten – in der Hoffnung, dass der Bundesrat der Untersuchung Taten folgen lässt.

Der Dachverband befürchtet, dass es sich bei den publik gewordenen Fällen nur um die Spitze des Eisbergs handelt. «Durch unsere Rechtsberatung kennen wir viele ähnliche Fälle. Wir sind alarmiert», sagt Neruda. Man sei froh, dass durch die Berichterstattung nun Bewegung in die Sache gekommen sei.

«Nur noch Zielvorgaben im Blick»

Besonders problematisch sei, dass die kantonalen IV-Stellen Sparziele erhalten. «Mit den Sparvorgaben hat man das Versicherungsprinzip der IV in den vergangenen Jahren untergraben», kritisiert Neruda. «Statt zu prüfen, ob jemand effektiv Anspruch auf Leistungen hat, hat man nur noch die Zielvorgaben im Blick. Und diese gehen viel zu weit.»

Auch das Parlament sieht dringenden Handlungsbedarf. Der Nationalrat hat jüngst einem Vorschlag aus dem Ständerat zugestimmt, dass Gespräche zwischen Gutachter und Versicherten künftig immer aufgezeichnet werden müssen. Zudem sollen IV-Stellen verpflichtet werden, eine öffentliche Liste zu führen, auf der ersichtlich ist, welche Gutachter wie entscheiden.

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