Nestlé vor oberstem Gerichtshof der USA
Auch die USA streiten über Konzern-Haftung

Mit dem Scheitern der Konzern-Initiative sind Haftungen für Menschenrechtsverletzungen im Ausland vor hiesigen Gerichten vorerst kein Thema mehr. Anders in den USA, wo genau diese Frage gerade vor dem obersten Gerichtshof debattiert wird.
Publiziert: 03.12.2020 um 13:41 Uhr
Gianna Blum

Die Konzern-Initiative ist gescheitert – doch das Thema, wie weit Konzerne zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie direkt oder indirekt Menschenrechte und Umweltstandards im Ausland verletzen, ist damit nicht gegessen. Neben der Europäischen Union beschäftigt das Thema auch die USA.

Am Dienstag hat der oberste US-Gerichtshof Kläger gegen die Nahrungsmittelproduzenten Nestlé USA und Cargill angehört. Und die jeweiligen Argumente sind die genau gleichen, wie beim Schweizer Streit um die Konzern-Initiative.

Klage gegen Nestlé wegen Kinderarbeit

Kläger sind sechs malische Staatsbürger, die als Kindersklaven gezwungen wurden, auf Kakaoplantagen in der Elfenbeinküste zu arbeiten. Dafür machen sie Nestlé und Cargill verantwortlich, auch wenn diese die Plantagen nicht besessen oder betrieben hätten: Die Konzerne übten eine starke Kontrolle über den Kakaomarkt in der Elfenbeinküste aus und hätten den Plantagen, die in Kindersklaverei engagiert gewesen wären, Ressourcen zur Verfügung gestellt – mit dem Ziel, Kakaobohnen zu tiefen Kosten zu bekommen.

Die Konzern-Initiative, die wollte, dass Schweizer Unternehmen für Menschenrechts- und Umweltverstösse ihrer Töchter im Ausland gerade stehen müssen, ist gescheitert.
Foto: AFP
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Die Konzernanwälte ihrerseits betonen, dass Nestlé und Cargill Kinderarbeit verurteilen. Aber sie kritisieren, dass ein Fall im Ausland nicht überprüfbar sei und nicht vor einem US-Gericht verhandelt werden könne. Und: Man könne die Lieferkette nicht bis zu den Zulieferern auf Menschenrechtsverletzungen kontrollieren.

Konservativer Gerichtshof

Beim Gerichtshof geht es um die Frage, ob die Klage überhaupt zulässig ist. Die rechtliche Grundlage ist ein Gesetz aus dem 18. Jahrhundert, das allerdings in neueren Zeiten bei Menschenrechtsfällen zur Anwendung gekommen ist. Der Entscheid hätte weitreichende Folgen: In den USA sind Urteile des höchsten Gerichts als Präzedenzfälle quasi gesetzgebend – und die Tür wäre damit weit offen für weitere Klagen. Genau das wollen Nestlé und Cargill verhindern, die den bereits 15 Jahre dauernden Streit nun vor das oberste Gericht gezogen haben.

Der Gerichtshof ist allerdings – US-Präsident Donald Trump (73) sei dank – extrem konservativ zusammengesetzt. Doch auffällig ist, dass auch die konservativen Richter, etwa Brett Kavanaugh (55) und Samuel Alito (70) offensichtlich zögern, US-Firmen ganz von Verantwortung im Ausland freizusprechen. Das wäre «schwierig zu akzeptieren», so Alito.

Nestlé und Cargill werden von Trumps Regierung unterstützt. Wie der neugewählte Joe Biden dazu stehen wird, der sein Amt im Januar antritt, ist noch offen. Stand heute ist ein knapper Sieg für Nestlé und Konsorten wahrscheinlich. Das Urteil wird im Frühsommer 2021 erwartet.

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