Das sind die Reaktionen zum Entscheid
2:17
«Ehe für alle»:Das sind die Reaktionen zum Entscheid

Nationalrat sagt Ja zu «Ehe für alle» – inklusive Samenspende
Jubeltag für Lesben und Schwule!

Die «Ehe für alle» hat im Parlament die erste Hürde genommen. Der Nationalrat will dabei keine halben Sachen machen und hat sich auch gleich für die Samenspende für Lesben ausgesprochen.
Publiziert: 11.06.2020 um 10:33 Uhr
|
Aktualisiert: 04.12.2020 um 17:02 Uhr
Lea Hartmann

Er hat Ja gesagt. Der Nationalrat hat heute Donnerstag entschieden, dass auch schwule und lesbische Paare heiraten dürfen. Mit 132 zu 52 Stimmen bei 13 Enthaltungen ist die «Ehe für alle» angenommen worden. Eine deutliche Mehrheit, nämlich 124 Nationalrätinnen und Nationalräte, sprach sich zudem dafür aus, dass auch die Samenspende für lesbische Ehepaare erlaubt werden soll. Wenn eine verheiratete Frau durch eine künstliche Befruchtung Mutter wird, soll ihre Ehefrau künftig automatisch als Mutter gelten. Der gleiche Automatismus gilt bereits bei Hetero-Ehepaaren.

Nationalratspräsidentin Isabelle Moret (FDP, 49) hatte ihren Kolleginnen und Kollegen zuvor Beine gemacht. Vergangene Woche musste die Debatte vertagt werden, weil das Büro des Nationalrats schlecht geplant hatte. Nun hatte es Moret offensichtlich eilig. Um eine ausufernde Diskussion zu verhindern, drohte sie: Um 9.15 Uhr gehe man zum nächsten Thema über – «ob das Geschäft dann abgeschlossen ist oder nicht». Um 9.13 Uhr war der Nationalrat fertig.

So war die Debatte im Nationalrat
3:12
Jubeltag:So war die Debatte im Nationalrat
Freudentag für die LGBT-Community: Der Nationalrat befürwortet die «Ehe für alle».
Foto: zVg
1/7

Bundesrat war gegen Samenspende-Zusatz

Mit dem Recht auf Ehe verbunden ist auch das Recht auf gemeinsame Adoption. Bisher ist gleichgeschlechtlichen Paaren nur die Stiefkind-Adoption erlaubt. Mit dem Entscheid, dass zusätzlich auch die Samenspende für lesbische Paare legalisiert wird, ist der Nationalrat einen Schritt weiter gegangen, als der Bundesrat vorgeschlagen hatte.

Justizministerin Karin Keller-Sutter (56) betonte zwar, sie sei nicht grundsätzlich gegen die gleichgeschlechtliche Elternschaft. Sie plädierte aber dafür, die Samenspende erst in einem nächsten Schritt anzugehen, um die Vorlage nicht zu überladen. Zudem seien noch viele Fragen offen, was beispielsweise die Rechte des leiblichen Vaters anbelangten.

Die Befürworterinnen und Befürworter argumentierten hingegen damit, dass es heute schon viele lesbische Paare mit Kindern gibt. Sie gehen oft ins Ausland, um per Samenspende Eltern zu werden. Das Kind wird in der Schweiz zwar anerkannt. Die nicht-leibliche Mutter muss es dann aber adoptieren. Der Prozess kann mehrere Jahre dauern, in denen eine gewisse rechtliche Unsicherheit besteht.

«Es ist ein grosser Schritt für die Gleichstellung»
3:47
«Ehe für alle»:«Es ist ein grosser Schritt für die Gleichstellung»

«Zeit für Gleichbehandlung»

Während die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare angesichts der eindeutigen Mehrheitsverhältnisse klar war – nur Teile der SVP waren dagegen –, war der Entscheid zur Samenspende im Vorfeld umstrittener. SP, Grüne, Grünliberale und FDP sprachen sich in der Vernehmlassung letztes Jahr für die «Ehe für alle» inklusive Recht auf Samenspende aus.

Ihr Hauptargument war auch in der heutigen Debatte das der Gleichberechtigung. «Es ist Zeit für die Gleichbehandlung aller Lebensformen», sagte Grünen-Nationalrätin Florence Brenzikofer (45). Es gebe, so die Befürworter, keinen ersichtlichen Grund, weshalb die Samenspende gleichgeschlechtlichen Ehepaaren vorbehalten sein soll.

Mehr Rechte für Regenbogenkinder

GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy (40) verwies darauf, dass viele Paare mit Kinderwunsch heute ins Ausland gingen, und dort die Samenspende im Gegensatz zur Rechtslage in der Schweiz meist anonym ist. Das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung ist fundamental», sagte Bertschy. Dieses Recht habe ein Teil der Spenderkinder heute nicht – «und das nur darum, weil ihre Mutter eine Frau liebt».

Die Gegner der SVP argumentierten derweil, dass mit der Legalisierung der Samenspende für Lesben eine neue Ungleichheit geschaffen werde, weil schwulen Ehepaaren der Weg zum Kind weiterhin versperrt bleibt. Denn die Leihmutterschaft bleibt verboten. SVP-Vertreter sorgten sich zudem um die Rechte der leiblichen Väter. Nationalrat Yves Nidegger (63) ging so weit zu sagen, man begehe «sozusagen den Vatermord».

Nun entscheidet der Ständerat

Innerhalb der LGBT-Community ist die Freude über das zweifache Ja des Nationalrats gross. Man sei «hocherfreut und erleichtert», teilte das Komitee zur «Ehe für alle» mit. «Endlich bekommen Lesben-Paare die gleichen Rechte wie heterosexuelle. Und endlich können Kinder, die in Regenbogenfamilien geboren werden, die gleichen Elternrechte haben wie Kinder, die bei einem heterosexuellen Paar geboren werden», freut sich Salome Zimmermann, Präsidentin des Komitees. Mit der Deutlichkeit, mit der sich der Nationalrat für die Samenspende ausgesprochen hat, setze er «ein grosses Zeichen».

Nun hoffen die Befürworter auf den Ständerat. Er wird voraussichtlich im September über die «Ehe für alle» abstimmen. Das Ja zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ist dabei sicher. Zittern muss das Pro-Lager aber bei der Samenspende. Zwar haben die Fraktionen, die dafür sind, auch in der Kleinen Kammer eine klare Mehrheit. Doch es dürfte bei FDP und CVP im Gegensatz zum Nationalrat mehr Gegner geben, da gerade bei den bürgerlichen Parteien die Kantonsvertreter oft konservativer ticken als die Nationalrätinnen und Nationalräte.

Ab wann sich gleichgeschlechtliche Paare das Ja-Wort geben dürfen, ist noch unklar. Die EDU hat bereits das Referendum angekündigt. Allerdings ist der Rückhalt in der Bevölkerung für die «Ehe für alle» inklusive Samenspende gross.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?