Nationalrat erlaubts
Jetzt liest der Geheimdienst WhatsApp-Nachrichten

Der Geheimdienst darf dank eines neuen Gesetzes das Internet anzapfen. Was bedeutet das?
Publiziert: 23.03.2015 um 17:09 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 19:41 Uhr
Von Florian Imbach

Mit deutlicher Mehrheit stimmte der Nationalrat diese Woche dem neuen Nachrichtendienstgesetz zu. Dem Geheimdienst NDB soll damit erlaubt werden, Kommunikation im Internet anzuzapfen und nach Stichworten zu durchsuchen: Das Stichwort im Gesetz lautet «Kabelaufklärung»; sie betrifft «grenzüberschreitende Signale». Also im Prinzip alles, was über die Internetkabel aus der und in die Schweiz läuft.

Verteidigungsminister Ueli Maurer (64) versuchte im Parlament, den Ball flach zu halten. Kabelaufklärung sei «eigentlich nichts Aufregendes». Dass Schweizer in ihren Fokus gerieten, sei ausgeschlossen.

Fachleute sehen das anders. Informatikspezialist Guido Rudolphi (53): «Der Geheimdienst braucht Daten auch für Tauschgeschäfte mit ausländischen Diensten. Mit der Kabelaufklärung geben wir ihm einen riesigen Daten-Schokoladekuchen und sagen, er dürfe aber nur ein kleines Stückchen davon essen.»

Zwar betont der Geheimdienst, nur internationale Kommunikation sei betroffen. Doch wer in der Schweiz surft, Mails verschickt oder sich sonst im Internet bewegt, dessen «Signale» laufen nach Expertenschätzung zu 80 bis 95 Prozent ins Ausland. Der international bekannte Fachmann Georg Greve (42) bestätigt: «Der grösste Teil des Schweizer Internetverkehrs führt über die Grenze.» Alle Internet-Dienste, die Schweizer im Alltag nutzen, seien betroffen: Whats-App, Skype, E-Mail-Dienste wie Gmail oder soziale Netzwerke wie Facebook, Google-Abfragen ebenfalls. Greve: «Ausschliesslich in der Schweiz zu surfen, ist fast nicht möglich.»

Die intime WhatsApp-Nachricht an die Freundin, das vertrauliche Mail an den Geschäftspartner oder der politisch inkorrekte Facebook-Post: Enthalten sie vom NDB gesuchte Stichwörter, fallen sie ins Raster.

Internet-Datenverkehr läuft über sogenannte Knotenpunkte, grosse unterirdische Netzwerkzentren. Wie Autobahnen sind sie weltweit mit anderen Knoten verbunden. Die zwei grössten der Schweiz stehen am Cern in Genf und an der Hardstrasse in Zürich. Hier wird der NDB ansetzen müssen. Mit teuren Spezialgeräten kann der Verkehr relativ einfach kopiert und nach Suchbegriffen wie «Al Kaida» gefiltert werden.

Telekommunikationsfirmen wie Swisscom sehen darin kein Problem. Christian Grasser (49) vom Branchenverband Asut glaubt, deren Kunden müssten nichts befürchten, da Datenströme nur ganz gezielt und nach eng definierten Suchbegriffen analysiert würden. Der NDB ergänzt, der rein schweizerische Internetverkehr sei nicht von der Überwachung betroffen, auch wenn er über die Grenze gehe. Diese Daten würden unverzüglich vernichtet, sobald ihre Herkunft erkannt werde. Das sei in vielen Fällen technisch möglich, etwa durch «Adressierungselemente von Absender und Empfänger».

Der Experte Greve widerspricht: «Das ist totaler Unsinn. Das kann man gar nicht feststellen. An einer E-Mail-Adresse erkennt der NDB nicht, ob ich Schweizer bin oder nicht, ob ich im Ausland bin oder im Inland. Und wenn ich im Internet surfe, ist ja nicht mein Pass hinterlegt, der zeigt, wer ich bin.»

Andere Fachleute bestätigen dies. Informatikspezialist Rudolphi betont: «Der Geheimdienst kann das weder technisch noch inhaltlich kontrollieren.» Eine externe Überprüfung sei erst recht nicht möglich.

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