Nach Krebs-Schock von Didier Burkhalter
Alt Magistrat Samuel Schmid: Neun Bundesräte braucht das Land!

Keine Ferien, Druck von allen Seiten – und immer mehr Aufgaben: Die Anforderungen an Bundesräte würden immer grösser, sagt alt Bundesrat Samuel Schmid (72). Sein Lösungsansatz: Neun statt sieben Bundesräte.
Publiziert: 15.02.2019 um 11:22 Uhr
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Aktualisiert: 15.02.2019 um 14:42 Uhr
Alt Bundesrat Samuel Schmid glaubt, dass neun Bundesräte gut wären. «Das würde die Belastung besser verteilen.»
Foto: KARL-HEINZ HUG
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Cinzia Venafro, Sermin Faki

Wie belastend ist der Bundesrats-Job? Nach dem Krebs-Schock von alt Bundesrat Didier Burkhalter (58) diskutiert die Schweiz. Denn auch wenn Krebs nicht durch Stress ausgelöst wird: Burkhalter arbeitete jahrelang 100 Stunden pro Woche, studierte noch die Nacht über Dossiers. Seine acht Amtsjahre seien eine «stete Selbstüberwindung gewesen», gab der Romand offen zu.

Jetzt fordert ein anderer alt Bundesrat ein Umdenken in Bern: Samuel Schmid (72) findet, die Schweiz solle künftig von neun statt bloss sieben Bundesräten regiert werden – zum Wohle des Landes und der Bundesräte und Bundesrätinnen selbst. «Ich persönlich bin der Meinung, dass ein System mit neun Bundesräten einiges für sich hätte», sagt der ehemalige Verteidigungsminister zu BLICK.

Wie Burkhalter litt auch Schmid im Amt. Der Berner stand immer wieder im Kreuzfeuer der Kritik, wurde von der eigenen Partei als «klinisch tot» bezeichnet und verliess die SVP schliesslich, um mit seiner Bundesratskollegin Eveline Widmer-Schlumpf (62) in die neu gegründete BDP zu wechseln.

«Erwachte nach dem Rücktritt zwei Jahre lang um 4.45 Uhr»

«Ich erwachte nach meinem Rücktritt noch zwei Jahre lang morgens um 4.45 Uhr. Ich dachte, diese innere Uhr wäre ich nach kürzerer Zeit wieder los. Aber es hatte sich im Körper manifestiert», sagt Schmid. Er habe danach nicht länger schlafen können. «Ich hatte wohl unbewusst das Gefühl, ich müsse jetzt voll einsatzfähig sein. Das zeigt mir, wie bestimmend das Amt auch für den Körper ist.»

Es sei Zeit für eine Regierungsreform – auch wegen der zunehmenden Abschottung der Schweiz. «Auslandskontakte werden noch zunehmen, fehlende Mitgliedschaften muss man mit bilateralen Besuchen wettmachen», sagt Schmid. «Bei neun Bundesräten könnte die Arbeitsbelastung besser verteilt werden.»

Tatsächlich sei Bundesrat ein «Verschleissjob», sagte Bundeshauskenner Claude Longchamp (61) im gestrigen BLICK. Früher waren Magistraten schon mal 20 bis 30 Jahre im Amt, der Tessiner Giuseppe Motta (†68) beispielsweise von 1912 bis zu seinem Tod 28 Jahre lang. Heute unvorstellbar!

Schwäche zeigen? Unvorstellbar!

Unvorstellbar auch für Samuel Schmid, der selbst acht Jahre im Amt war. «Als Bundesrat sollte man immer noch Reserven einsetzen können», sagt er. «Aber genau diese fehlen einem schnell. Und die sogenannten Bundesratsferien sind längst keine mehr!» Oft unternehme man dabei Dienstreisen ins Ausland, knüpfe für die Schweiz Kontakte, diene dem Land – man arbeite also: «Entspannung ist das sicher nicht.»

Schwäche zeigen? Ein No-Go für Bundesräte. «Ich habe immer sehr gestaunt: Kaum ein Bundesrat meldet sich während seiner Amtszeit mal krank», sagt Schmid. Die Hürden dazu seien sehr hoch. Das sei leider ein Phänomen, «das wir von vielen Spitzenpositionen her kennen».

Selbst an Leuthard ging das Amt nicht spurlos vorbei

Ob das Amt des Bundesrats mehr Bürde als Würde ist, liegt auch am Typ. So konnte man dem ehemaligen Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (66) beim Leiden förmlich zusehen. Auch wenn er immer wieder betonte, viel Freude am Job zu haben: In seinen acht Jahren in der Regierung ist der Berner optisch mehr als acht Jahre gealtert. Zudem gab es immer wieder Gerüchte, dass seine Gesundheit leide. Kurz nach seinem Rücktritt gab Schneider-Ammann auch zu, dass er bereits im zweiten Amtsjahr ernsthaft überlegt habe zurückzutreten. Nur seine Frau habe ihn davon abgehalten.

Doris Leuthard (55) hingegen sah man die Belastung nie an. Zwölf Jahre führte sie die Schweiz mit dem legendären Leuthard-Lachen. Erst bei ihrem Rücktritt offenbarte die Aargauer Strahlefrau, dass auch sie einen Preis bezahlt hatte. Sie freue sich auf mehr Zeit mit ihrem Mann und ihrer Mutter. «Sie sind in den letzten Jahren zu kurz gekommen», sagte Leuthard – und kämpfte mit den Tränen.

Für Leuenberger ist alles eine Frage der Organisation

Alt Bundesrat Samuel Schmid (72) schlägt vor, dass die Landesregierung auf neun Mitglieder erhöht werden soll. Damit würde die enorme Arbeitsbelastung sinken. Schmids ehemaliger Bundesratskollege Moritz Leuenberger (72) ist skeptisch. Es sei alles eine Frage, «wie man managt und delegiert. Ich hatte ein grosses Departement, das ich ständig noch vergrösserte, indem ich Umwelt, Strassenverkehr und Raumplanung dazunahm», so der SP-Politiker. Und trotzdem sei er jeweils erst um 9 Uhr im Büro gewesen. «Man muss halt den Tag selber gestalten und sich nicht die Agenda füllen lassen. Überhaupt: Man soll sich nicht auffressen lassen. Wenn man mal nicht erreichbar ist, ist das keine Katastrophe!», findet Leuenberger.

Er sei auch nicht immer an alle Kommissionssitzungen im Parlament gegangen. Schon deshalb, weil das gar nicht möglich sei, wenn die Sitzungen parallel stattfinden. «Die Parlamentarier wollen aber den Bundesrat stets präsent haben», so Leuenberger. «Das gab manchmal böse Stimmen, aber das muss man aushalten.» Cinzia Venafro

Alt Bundesrat Samuel Schmid (72) schlägt vor, dass die Landesregierung auf neun Mitglieder erhöht werden soll. Damit würde die enorme Arbeitsbelastung sinken. Schmids ehemaliger Bundesratskollege Moritz Leuenberger (72) ist skeptisch. Es sei alles eine Frage, «wie man managt und delegiert. Ich hatte ein grosses Departement, das ich ständig noch vergrösserte, indem ich Umwelt, Strassenverkehr und Raumplanung dazunahm», so der SP-Politiker. Und trotzdem sei er jeweils erst um 9 Uhr im Büro gewesen. «Man muss halt den Tag selber gestalten und sich nicht die Agenda füllen lassen. Überhaupt: Man soll sich nicht auffressen lassen. Wenn man mal nicht erreichbar ist, ist das keine Katastrophe!», findet Leuenberger.

Er sei auch nicht immer an alle Kommissionssitzungen im Parlament gegangen. Schon deshalb, weil das gar nicht möglich sei, wenn die Sitzungen parallel stattfinden. «Die Parlamentarier wollen aber den Bundesrat stets präsent haben», so Leuenberger. «Das gab manchmal böse Stimmen, aber das muss man aushalten.» Cinzia Venafro

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