Nach Anschlag auf Spion Skripal in England
Wird das Russen-Gift im Berner Oberland untersucht?

Nach der Gift-Attacke auf Ex-Spion Sergej Skripal in Grossbritannien wird mit Spannung die unabhängige Untersuchung der Chemiewaffen-Organisation abgewartet. Eine wichtige Rolle spielt dabei vielleicht die Schweiz.
Publiziert: 04.04.2018 um 16:23 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 15:44 Uhr
Sergej Skripal und seine Tochter wurden auf einer Parkbank gefunden.
Foto: EPA
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Lea Hartmann

Wer steckt hinter dem Giftanschlag auf den ehemaligen Doppelagenten Sergej Skripal und seine Tochter? Einen Monat nach dem Mordversuch gibt es auf diese Frage noch immer keine ganz eindeutige Antwort.

Für Grossbritannien ist zwar klar, dass Russland dahinter steckt. Das britische Militärlabor, welches das Gift untersucht hat, konnte und wollte zur Herkunft aber keine Aussagen machen. Es bestätigte gestern lediglich, dass es sich tatsächlich um den Sowjet-Kampfstoff Nowitschok handelte, der aus staatlicher Produktion stammen müsse. 

Endgültige Klarheit soll nun in Den Haag geschaffen werden. Dort trifft sich heute der Exekutivrat der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) zu einer Sondersitzung. Russland hatte diese gefordert – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Auch die Schweiz ist als eines der 41 Mitglieder des Rats bei den Gesprächen dabei. Vertreten wird sie durch den Schweizer Botschafter in den Niederlanden, Urs Breiter.

Eine der Top-Adressen: Spiez

Die Schweiz ist möglicherweise aber noch direkter in den Fall involviert. Auch die OPCW hat nach dem Mordanschlag in Salisbury eine unabhängige Untersuchung eingeleitet und lässt Spuren des Gifts und Blutproben analysieren. Deren Ergebnis wird voraussichtlich wohl nächste Woche vorgestellt. 

Die Analysen der Proben finden in sogenannten Vertrauenslabors der OPCW statt, von denen eines der renommiertesten in einem grauen Gebäude nahe Bahnlinie und Autobahn im Berner Oberland liegt.

Das Labor Spiez gehört weltweit zu den Spitzenlabors, wenn es um chemische und biologische Kampfstoffe geht.
Foto: Keystone

Das Labor Spiez, das dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz angegliedert ist, ist seit 1998 ein OPCW-Partner und wurde schon bei zahlreichen aufsehenerregenden Fällen zur Expertise beigezogen. So haben die Chemiker in Spiez beispielsweise Proben des Nervengifts Sarin untersucht, das 2013 in der syrischen Region Ghuta eingesetzt worden war. Im vergangenen Jahr war die Schweiz zudem federführend bei einer weiteren UN-Untersuchung zu Chemiewaffen-Angriffen in Syrien. 

Aus Sicherheitsgründen wird geschwiegen

Ob die Schweiz auch im Fall Skripal involviert ist, will das Labor Spiez auf Anfrage von BLICK weder bestätigen noch dementieren. Kommunikationschef Andreas Bucher sagt auf Nachfrage lediglich, dass man aus Sicherheitsgründen dazu schweigen müsse. «Wir sind vertraglich verpflichtet, keine Auskunft zu geben.» Denn die OPCW befürchtet, dass Staaten oder andere Akteure sonst möglicherweise versuchen könnten, die Untersuchungen zu beeinflussen. 

Klar ist aber: Mit seinen Referenzen ist das Labor Spiez ein Top-Kandidat für die Skripal-Untersuchungen. So gibt es insgesamt weltweit nur 20 Vertrauenslabore, 3 davon befinden sich in Russland oder Grossbritannien und fallen somit im vorliegenden Fall weg. Das Labor Spiez gehört zu den fünf Spitzenlabors, die seit 1998 ununterbrochen im Dienst der OPCW stehen. Unter diesen fünf schnitten die Schweizer in den jährlichen Tests der vergangenen Jahre am besten ab.

Sollte das Labor in Spiez tatsächlich die Proben analysieren, liegt aber auch dessen Aufgabe nicht darin, herauszufinden, ob tatsächlich Russland hinter dem Angriff steckt. Wie das Militärlabor in Grossbritannien hätten auch die Spiezer nur die Aufgabe, herauszufinden, worum es sich bei dem tödlichen Stoff genau handelt. Denn das ist die Aufgabe der Chemiker. Alles Weitere ist Sache von Diplomaten und Politikern.

Was ist Nowitschok?

Vieles deutet darauf hin, dass der russische Ex-Spion Sergej und seine Tochter Julia Skripal in England durch das Nervengift Nowitschok vergiftet wurden.

Tödlicher «Neuling»

Die Sowjetunion hat zwischen den 1970er- und 1990er-Jahren eine Serie neuartiger Nervenkampfstoffe entwickelt, die zu den tödlichsten gehören, die je hergestellt worden sind. «Nowitschok» heisst auf Deutsch «Neuling». Es ist achtmal so stark wie der VX-Kampfstoff, mit dem Nordkorea in der Regel seine Feinde ermorden lässt.

Einfache Herstellung

Es braucht dazu nur zwei relativ harmlose Stoffe, die bei der Zusammenführung äusserst tödlich werden. Die Stoffe können ohne grosse Probleme transportiert und vor Detektoren versteckt werden. Als er 1992 das Geheimprogramm auffliegen liess, sagte der russische Chemiker Vil Mirzayanow: «Die Besonderheit dieser Waffe liegt in der Einfachheit ihrer Komponenten. Sie werden in der Zivilindustrie verwendet und können daher international nicht reguliert werden.»

Anwendung als Puder

Das Mittel wird vorwiegend als ultrafeiner Puder zerstäubt. Die Betroffenen sterben meistens an Herzversagen oder Ersticken, da sich die Lunge mit Flüssigkeit füllt. Überlebt das Opfer, bleibt es meistens gelähmt.

Gegenmittel

Dem Opfer muss umgehend die kontaminierte Kleidung ausgezogen, und der Körper muss gewaschen werden. Es gibt Gegenmittel, unter anderem Atropin, Pralidoxim und Diazepam. Deren rettende Wirkung ist aber nicht garantiert.

Vieles deutet darauf hin, dass der russische Ex-Spion Sergej und seine Tochter Julia Skripal in England durch das Nervengift Nowitschok vergiftet wurden.

Tödlicher «Neuling»

Die Sowjetunion hat zwischen den 1970er- und 1990er-Jahren eine Serie neuartiger Nervenkampfstoffe entwickelt, die zu den tödlichsten gehören, die je hergestellt worden sind. «Nowitschok» heisst auf Deutsch «Neuling». Es ist achtmal so stark wie der VX-Kampfstoff, mit dem Nordkorea in der Regel seine Feinde ermorden lässt.

Einfache Herstellung

Es braucht dazu nur zwei relativ harmlose Stoffe, die bei der Zusammenführung äusserst tödlich werden. Die Stoffe können ohne grosse Probleme transportiert und vor Detektoren versteckt werden. Als er 1992 das Geheimprogramm auffliegen liess, sagte der russische Chemiker Vil Mirzayanow: «Die Besonderheit dieser Waffe liegt in der Einfachheit ihrer Komponenten. Sie werden in der Zivilindustrie verwendet und können daher international nicht reguliert werden.»

Anwendung als Puder

Das Mittel wird vorwiegend als ultrafeiner Puder zerstäubt. Die Betroffenen sterben meistens an Herzversagen oder Ersticken, da sich die Lunge mit Flüssigkeit füllt. Überlebt das Opfer, bleibt es meistens gelähmt.

Gegenmittel

Dem Opfer muss umgehend die kontaminierte Kleidung ausgezogen, und der Körper muss gewaschen werden. Es gibt Gegenmittel, unter anderem Atropin, Pralidoxim und Diazepam. Deren rettende Wirkung ist aber nicht garantiert.

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