Millionen für Grenzschutz
So mauert die Schweiz an der Festung Europa

Seenotretterin Carola Rackete hat die Flüchtlingsdebatte neu entfacht. Vor Europa ist längst ein neuer eiserner Vorhang entstanden, den auch die Schweiz mitfinanziert – etwa mit Grenzschutzprojekten in Afrika.
Publiziert: 07.07.2019 um 00:14 Uhr
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Aktualisiert: 08.07.2019 um 11:31 Uhr
Fabian Eberhard

Die Schweizer Aussengrenze beginnt in Afrika. Genauer: südlich der Sahara. Dort, an den sandigen Grenzposten im Norden Nigerias, werden Migranten mithilfe des Bundes biometrisch erfasst. Das Ziel: Flüchtlinge davon abhalten, nach Europa zu kommen. «Verminderung der irregulären ­Migration», heisst das in Beamtendeutsch. Nigeria ist eines der wichtigsten Herkunftsländer von Einwanderern nach Europa. Täglich machen sich Menschen auf die gefährliche Reise Richtung Norden, fliehen vor Armut und Gewalt.

Um diese Reise schon von Beginn weg zu erschweren, unterstützt die Schweiz die nigerianischen Grenzschützer mit 313'000 Franken.

Das Geld fliesst über die Internationale Organisation für Migration (IOM) und wird vor Ort gebraucht, um Nigeria bei der «Datenerfassung im Grenzmanagement» zu unterstützen, wie es das Staats­sekretariat für Migration (SEM) in seinen Papieren formuliert.

Schweizer Grenzwächter im Einsatz für Frontex, der europäischen Grenz- und Küstenwache.
Foto: Pascal Mora
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Kooperation mit tunesischer Polizei

Weitere 60'000 Franken jährlich investiert das Bundesamt für Polizei (Fedpol) in die Zusammenarbeit mit der nigerianischen Polizei. Auch dabei geht es mitunter um die Bekämpfung der irregulären Migration. Die Gelder für Nigeria sind nur ein kleiner Teil der Schweizer Strategie, Flüchtlinge fernzuhalten. Längst baut der Bund kräftig mit an der Festung Europa.

345'000 Franken fliessen nach Ägypten in den «Kapazitätsaufbau zur Bekämpfung von Menschenschmuggel», 12'000 in die Kooperation mit der tunesischen Polizei.

Und: 80'000 pro Jahr zahlt die Schweiz an die maltesische Armee. Mit dem Geld bildet diese Beamte aus Tunesien, Ägypten und anderen Staaten für Einsätze auf dem Mittelmeer aus. Malta hat ähnlich wie Italien einen harten Kurs gegen private Seenotretter wie die deutsche Kapitänin Carola Rackete eingeschlagen.

Eine Million für libysche Küstenwächter

Hinzu kommt das Schweizer Engagement bei Frontex, der europäi­schen Grenz- und Küstenwache. Die Schweiz ist in Griechenland, Italien, Bulgarien, Kroatien und Spanien aktiv. Mit 14 Millionen Franken unterstützte der Bund Frontex letztes Jahr. Dazu kommen 1457 Einsatztage von Schweizer Grenzwächtern, Kantonspolizisten und SEM-Beamten.

Um die Flüchtlinge schon auf hoher See abzufangen, lässt sich der Bund auch mal auf Kooperationen mit fragwürdigen Partnern ein. So warf das SEM eine Million Franken auf, damit libysche Küstenwächter ausgebildet werden können und um deren Schiffe mit Material auszustatten. Zur besagten libyschen Küstenwache gehören mitunter auch bewaffnete Milizen, die die Migranten in überfüllte Lager auf dem afrikanischen Festland zurückzwingen. Regelmässig machen Schreckensmeldungen von Vergewaltigungen und Folter in den Lagern die Runde. Diese Woche wurden bei Luftangriffen auf ein Flüchtlingscamp in Tripolis 56 Menschen getötet.

All die Investitionen zeigen: Vor den südlichen Toren Europas ist längst ein neuer eiserner Vorhang entstanden. Beschlossen haben ihn die Staats- und Regierungschefs der EU. Die Verhaftung der Seenot-Retterin Carola Rackete in Italien hat nun die Debatte darüber neu entfacht.

Carola Rackete wieder auf freiem Fuss
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Nach vier Tagen Hausarrest:Carola Rackete wieder auf freiem Fuss
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