Michael Laubers Lotterladen
So verrannte sich die Bundesanwaltschaft im Seco-Korruptionsfall

Die Bundes­anwaltschaft
 muss dringend 
Fälle abschliessen: Beschuldigte kriegen die Fragen zur Einvernahme nach Hause geschickt. Deals werden eiligst abgeschlossen.
Publiziert: 11.05.2019 um 23:54 Uhr
Reza Rafi

Die Meldung vom 1. Mai dürfte für den angeschlagenen Bundesanwalt höchst willkommen gewesen sein: endlich mal andere Schlagzeilen als die lästigen Vorwürfe wegen eines Treffens mit dem Fifa-Boss!

Nach fünf Jahren nämlich hat Michael Laubers (53) Behörde in ­einem aufsehenerregenden Korrup­tionsfall erste Urteile gefällt. Eine IT-Firma soll einen Beamten des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) bestochen haben, um an Aufträge zu kommen. Aufgedeckt hatte der «Bund» die Sache 2014.

Gegen zwei Beschuldigte ist das Verfahren eingestellt worden. Vier der zehn Beschuldigten kassierten einen Strafbefehl. Über das Strafmass jedoch – drei bedingte Geldstrafen und eine bedingte Freiheitsstrafe – zeigen sich Experten erstaunt.

Bundesanwalt Michael Lauber hat am Freitag angekündigt, für eine dritte Amtszeit zu kandidieren.
Foto: Peter Mosimann
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Martin Hilti von Transparency etwa bezeichnet die Verdikte auf SRF als «irritierend» mild. Gegen die vier restlichen Beschuldigten, darunter den Seco-Mann, ist das Verfahren noch hängig.

Eine Flut von offenen Fällen

Ein Blick in die Akten zeigt: Der Soft-Kurs von Laubers Leuten hat ­einen ebenso banalen wie bedenklichen Grund. Die Strafverfolgung des Bundes droht unter einer Flut von offenen Fällen zu ersticken. Entsprechend gilt die Maxime: Möglichst rasch abschliessen.

Im Seco-Fall heisst das konkret: 2015 stellte man den Beschuldigten abgekürzte Verfahren in Aussicht. Und der Deal wurde geschlossen. Der leitende Staatsanwalt des Bundes, Carlo Bulletti, ­bestätigte den Antrag auf ein ­Eilverfahren noch am Tag des ­Posteingangs. Das ist ­rekordverdächtig. Doch es reichte nicht.

Am 31. Juli 2017 flatterte den zehn Beschuldigten ein hoffnungsvolles, von Laubers Staatsanwalt Vincens Nold unterzeichnetes Schreiben ins Haus. Betreff: «Ankündigung des bevorstehenden Abschlusses». Wie sich zeigen sollte, war das ein leeres Versprechen.

Denn was zu Beginn als eindeutige Sachlage schien, wurde zunehmend komplexer. Das offenbaren die teils bizarren Einvernahmen, deren Protokolle SonntagsBlick vorliegen: Da wurden Fragen gestellt, die bis zu zwei A4-Seiten einnehmen und mit Dutzenden Aktenverweisen versehen sind.

«Wo waren Sie am 30. Juni 2007?»

Unter anderem wollte die Behörde, deren Chef sich nicht an ein Treffen mit dem Fifa-Chef vor zwei Jahren erinnert, von einem Beschuldigten wissen, wo er am 30. Juni 2007 um 
17.45 Uhr war.

Logisch, dass die Befragten nach den entsprechenden Dokumenten verlangten – die vorzulegen die Bundesanwaltschaft (BA) nach Angaben eines Rechtsvertreters nicht in der Lage war.

Also griff man zu einem zulässigen, in diesem Fall aber höchst seltsamen Mittel: Laubers Behörde schickte den Beschuldigten die Fragenkataloge in Papierform nach Hause, um sie zusammen mit ihren Anwälten zu beantworten. Auch bei der Schlusseinvernahme setzte man auf dieses Vorgehen. Manche Beteiligten reden spöttisch von Laubers «Ufzgi».

SonntagsBlick hat der BA dazu am Donnerstag Fragen übermittelt. «Aufgrund der Aktualität» wurde zur Beantwortung auf kommende Woche verwiesen. Morgen Montag muss Lauber der Gerichtskommission des Parlaments Red und Antwort stehen.

Delikt: Majestätsbeleidigung

Nicht wenige hatten seinen Rücktritt erwartet. Dann legte der Bundes­anwalt einen ganz anderen, denkwürdigen Auftritt hin: Mit der Wut eines schnaubenden Stiers teilte Michael Lauber am Freitag gegen seine Aufseher aus, die Stunden zuvor eine Disziplinaruntersuchung angekündigt hatten. Da redete kein Gedemütigter zum Publikum, sondern ein Gekränkter – für das gemütliche Bundesbern ein ungewöhnliches Bild.

Das Land diskutiert über ein von allen Beteiligten vergessenes und nicht protokolliertes Treffen Laubers mit dem Fifa-Boss. Was den Bundesanwalt ärgert. Doch dafür, dass sein Fall öffentlich ausgeweidet wird, ist er mitverantwortlich: Lauber hatte diese Entwicklung selber angestossen. Anders als die Vorgänger begann er nach seiner Wahl 2012, laufende Fälle als PR-Instrument einzusetzen.

Die Taktik zahlte sich rasch aus: Nachdem die blutige Welle islamistischer Anschläge Europa erreicht ­hatte, kündigte Laubers Behörde ­medienwirksam Verfahren gegen mutmassliche Dschihadisten an. Zwar blieben die Erfolge vor Gericht überschaubar – doch genoss der attraktive Strafverfolger eine Presseberichterstattung wie kein Bundesanwalt vor ihm: Lauber, der unerschrockene Terroristenjäger.

2015, als in Zürich Fifa-Funkionäre verhaftet wurden, folgte der Höhepunkt: der Bundesanwalt auf der globalen Bühne. Lauber wurde zu Everybody’s Darling. Dass sich die Schweiz ­anmasst, an ihm zu zweifeln, muss für ihn eine riesige Beleidigung sein.
Oder sollen wir sagen: Majestätsbeleidigung?

Nicht wenige hatten seinen Rücktritt erwartet. Dann legte der Bundes­anwalt einen ganz anderen, denkwürdigen Auftritt hin: Mit der Wut eines schnaubenden Stiers teilte Michael Lauber am Freitag gegen seine Aufseher aus, die Stunden zuvor eine Disziplinaruntersuchung angekündigt hatten. Da redete kein Gedemütigter zum Publikum, sondern ein Gekränkter – für das gemütliche Bundesbern ein ungewöhnliches Bild.

Das Land diskutiert über ein von allen Beteiligten vergessenes und nicht protokolliertes Treffen Laubers mit dem Fifa-Boss. Was den Bundesanwalt ärgert. Doch dafür, dass sein Fall öffentlich ausgeweidet wird, ist er mitverantwortlich: Lauber hatte diese Entwicklung selber angestossen. Anders als die Vorgänger begann er nach seiner Wahl 2012, laufende Fälle als PR-Instrument einzusetzen.

Die Taktik zahlte sich rasch aus: Nachdem die blutige Welle islamistischer Anschläge Europa erreicht ­hatte, kündigte Laubers Behörde ­medienwirksam Verfahren gegen mutmassliche Dschihadisten an. Zwar blieben die Erfolge vor Gericht überschaubar – doch genoss der attraktive Strafverfolger eine Presseberichterstattung wie kein Bundesanwalt vor ihm: Lauber, der unerschrockene Terroristenjäger.

2015, als in Zürich Fifa-Funkionäre verhaftet wurden, folgte der Höhepunkt: der Bundesanwalt auf der globalen Bühne. Lauber wurde zu Everybody’s Darling. Dass sich die Schweiz ­anmasst, an ihm zu zweifeln, muss für ihn eine riesige Beleidigung sein.
Oder sollen wir sagen: Majestätsbeleidigung?

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