Mehr für die Bauern, weniger für Asylsuchende
Kniff in letzter Minute rettet das Budget

Der Nationalrat brütete am Montag über das Budget. Und obwohl Finanzministerin Karin Keller-Sutter an die Parlamentarier appellierte zu sparen, fanden die Politiker kaum Kompromisse. Zum Schluss half nur ein Kniff.
Publiziert: 11.12.2023 um 21:05 Uhr
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Aktualisiert: 11.12.2023 um 21:13 Uhr

Stell dir vor, du schlenderst mit einer Zehnernote über den Weihnachtsmarkt. Da ein Glühwein, dort ein Lebkuchen. Die zehn Franken sind schnell weg. Eigentlich solltest du jetzt nichts mehr ausgeben, doch da ist noch der Stand deines Nachbarn, der hölzerne Weihnachtsengel für den Christbaum verkauft. «Ist ja sein Einkommen», denkst du und kaufst einen. Sparen kann man dann im Januar.

So ähnlich laufen momentan die Budget-Verhandlungen im Parlament. Finanzministerin Karin Keller-Sutter (59) will sparen. Den Ständerat kümmerte das in der vergangenen Woche wenig.

Sparen? Von wegen

Die «chambre de réflexion» sprach mehr Geld für den regionalen Personenverkehr, verzichtete auch auf Kürzungen bei der Regionalpolitik und gab den Landwirten mehr Geld, als der Bundesrat wollte. Weniger Direktzahlungen würden sich schliesslich auf den Lohn der Bauernfamilien niederschlagen.

Finanzministerin Karin Keller-Sutter muss sparen, hier im Gespräch mit Bauernpräsident Markus Ritter.
Foto: keystone-sda.ch
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Die Schuldenbremse, die dafür sorgen soll, dass der Staat über die Dauer nicht mehr ausgibt, als er einnimmt, ritzten die Ständeräte deutlich. Damit sie die Verfassung einhalten, bauten sie eine Kreditsperre ein: Der Bundesrat soll die bewilligten Kredite einfach nicht ausschöpfen.

Am Montag durfte sich nun der Nationalrat beweisen. Die Haushaltsdisziplin war nicht viel besser. Zwar bemühten sich die Parteien durchaus, Geld zu sparen – zu grossen Kompromissen war man aber nicht fähig. Stattdessen dominierten Parteiinteressen. Die SVP wollte nicht bei der Armee sparen, die Linke nicht bei der Umwelt.

Mehrheiten gab es, wie schon im Ständerat, für Kürzungen bei der Sozialhilfe für Flüchtlinge: Und das Uno-Palästinenserhilfswerk (UNRWA) bekommt 2024 auch keine 20 Millionen mehr von der Schweiz. Doch der Verlockung, den Landwirten und dem regionalen Personenverkehr mehr Geld zu geben als der Bundesrat wollte, konnte der Nationalrat nicht widerstehen.

«Keine gute Lösung, aber die einzige heute»

Und so resultierte auch im Nationalrat ein Budget, das nicht mit der Schuldenbremse vereinbar war. Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy (45) stellte einen Antrag, jene 18 Millionen Franken, die man zu viel ausgibt, vom Bahninfrastruktur-Fonds abzuzwacken. «Das ist keine gute Lösung, aber die einzige heute Abend», weibelte er und wies darauf hin, dass im Fonds noch immer über fünf Milliarden Franken liegen würden.

So richtig zufrieden war niemand mit dieser Lösung. Man müsse in den öffentlichen Verkehr investieren und dürfe nicht in der Zukunft sparen, sagte SP-Finanzpolitikerin Sarah Wyss (35).

«Das ist keine nachhaltige Finanzpolitik», fand hingegen SVP-Finanzpolitiker Lars Guggisberg (46). Zähneknirschend stimmten SVP, FDP und GLP zu, die Bahn-Aufstockung zu kürzen.

So stimmte der Nationalrat schliesslich mit vier Stimmen Unterschied und vielen Enthaltungen dem Budget zu. Immerhin: Schuldenbremsen-konform wäre das Budget nun. Allerdings ist jetzt wieder der Ständerat an der Reihe. Doch nach dieser Debatte fürchtet man sich vor den nächsten Jahren, wo noch mehr gespart werden muss. Vielleicht hilft ein Besuch auf dem Weihnachtsmarkt, um Kompromisse zu finden.

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