Maximal 250'000 Franken
Krankenkassen-Chefs droht harter Lohndeckel

Die Saläre der Krankenkassen-Chefs ritzen die Millionengrenze. Ein Maximallohn von 250’000 Franken pro Jahr soll dem Steigerungslauf ein Ende setzen.
Publiziert: 21.05.2023 um 18:58 Uhr
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Aktualisiert: 21.05.2023 um 21:35 Uhr

Strom, Essen, Wohnen – alles kostet mehr als vor der Pandemie. 2022 lag die Inflation bei 2,8 Prozent, doch die Löhne stiegen nur um 2,2 Prozent. Und jetzt gehen auch noch die Krankenkassenprämien durch die Decke. Unlängst kündigte Bundesrat Alain Berset einen «überdurchschnittlichen Anstieg» für 2024 an.

Die Prämien fliessen nicht zuletzt in die Lohntüten der Krankenkassenchefs – und diese Tüten werden immer dicker: Im Jahr 2021 kassierte Sanitas-CEO Andreas Schönenberger mehr als 950 000 Franken, doppelt so viel wie sein Vorgänger 2017. Thomas Boyer, Chef von Groupe Mutuel, erhielt 2021 über 780'000 Franken. Vier Jahre zuvor gab es für denselben Job 497'000 Franken. CSS-Chefin Philomena Colatrella steigerte ihren Lohn von 744'000 auf fast 800'000 Franken. Sogar das Gehalt des Gesundheitsministers nimmt sich da vergleichsweise bescheiden aus: Alain Berset erhält 480'000 Franken pro Jahr.

«Die überrissenen Löhne der Krankenkassenkader werden mit Prämiengeldern finanziert», sagt SP-Nationalrätin Barbara Gysi. «Dabei sprechen wir über ein Sozialwerk, dessen Grundversicherung für alle obligatorisch ist. Das sind Gelder, die für die Gesundheit eingesetzt werden müssen.» Für Gysi ist deshalb klar: «Die Löhne der Krankenkassenspitzen müssen gedeckelt werden.»

Sanitas-CEO Andreas Schönenberger verdiente im Jahr 2021 über 950'000 Franken.
Foto: Keystone
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Das findet auch eine Mehrheit des Nationalrats. Im Sommer 2022 verabschiedete die grosse Kammer eine Motion, die einen harten Lohndeckel für die Krankenkassenchefs fordert: Geschäftsleitungsmitglieder sollen nicht mehr als 250'000 Franken pro Jahr einnehmen dürfen, inklusive zweite Säule und Nebenleistungen. Für Verwaltungsräte soll die Obergrenze bei 50'000 Franken liegen.

Recherche-Hinweise

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SP und Grüne stimmten geschlossen für den Vorstoss. Auch bei der SVP war die Zustimmung hoch: 42 Nationalräte der Volkspartei sagten Ja, nur acht lehnten ab. Ohne Ausnahme gegen die Motion stimmte hingegen die FDP. Auch die Mitte-Abgeordneten sagten überwiegend Nein, aber keineswegs alle: 21 von ihnen lehnten ab, acht stimmten zu, darunter Parteipräsident Gerhard Pfister. Fraktionschef Philipp Matthias Bregy enthielt sich der Stimme.

Nun liegt der Ball beim Ständerat. Am Montag beugt sich dessen Gesundheitskommission über das Geschäft. Ihr Entscheid hat Signalwirkung – und er steht auf Messers Schneide: SP, Grüne und SVP stellen zusammen sechs Kommissionsmitglieder, FDP und Mitte deren sieben. Aber Mitte-Ständerat Erich Ettlin, Kommissionspräsident mit Stichentscheid, sitzt im Verwaltungsrat des CSS-Konzerns. «Aus diesem Grund werde ich mich bei der Abstimmung in der Kommission wohl enthalten», sagt Ettlin. «Auch wenn ich die Vorlage ablehne.» SVP-Ständerat Hannes Germann, ebenfalls Mitglied der Gesundheitskommission, will die Sache zuerst gründlich diskutieren. «Die aktuellen Gehälter sind zu hoch. Aber der geforderte Lohndeckel ist dann doch etwas zu tief angesetzt.» Darüber müsse die Kommission sprechen, sagt Germann. «Eine Obergrenze auf der Höhe eines Bundesratslohns schiene mir plausibler.»

Gut möglich also, dass der Vorstoss auch in der ständerätlichen Kommission eine Mehrheit findet – allerdings mit einer höheren Obergrenze. «Über die Höhe des Lohndeckels können wir diskutieren», sagt SP-Nationalrätin Gysi. «Wichtig ist, dass den überrissenen Bezügen endlich ein Riegel geschoben wird.»

Anders sieht es FDP-Ständerat Damian Müller. Auch er will erst entscheiden, wenn er alle Argumente gehört hat. Der Vizepräsident der Gesundheitskommission sagt aber auch: «Wenn mit der Öffentlichkeit der obligatorischen Krankenkassenprämien argumentiert wird, wäre es ehrlich, alle Löhne der öffentlichen Hand unter die Lupe zu nehmen. Allein in der Bundesverwaltung gibt es rund 1000 Angestellte, die mehr als 250 000 Franken verdienen. Derselbe Wert wird auch von 80 bis 90 Prozent aller Geschäftsleitungsmitglieder der bundesnahen Betriebe erreicht.»

Dort finden sich Spitzenlöhne, die denjenigen der Krankenkassenmanager in nichts nachstehen: Postchef Roberto Cirillo kassierte 2021 mehr als 970'000 Franken. SBB-CEO Vincent Ducrot erhielt 962'000 Franken. Bei Felix Weber, Chef des Unfallversicherers Suva, waren es 802'000 Franken. Doch für Cirillo, Ducrot und Co. liegt noch mehr drin. Denn die bürgerliche Mehrheit im Ständerat hat im März 2022 einen Lohndeckel von einer Million Franken für Manager der Bundesbetriebe abgelehnt.
An solche Saläre kommen die Spitzenbeamten der Bundesverwaltung nicht ganz heran: Der Maximallohn liegt bei knapp 400'000 Franken. Hinzu kommen diverse Zulagen und Prämien.

Das alles ist allerdings nichts im Vergleich zu dem, was die Manager der grossen Schweizer Konzerne verdienen: 2021 kassierte Roche-CEO Severin Schwan 15 Millionen, UBS-Chef Ralph Hamers und Novartis-CEO Vasant Narasimhan erhielten jeweils mehr als 11 Millionen.

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Und die Krankenkassenchefs? Müssen die sich bald mit 250'000 Franken begnügen? Grüne, SP und SVP kommen auf 18 Sitze im Ständerat. Die FDP stellt zwölf Mitglieder, die Mitte 14. «Der Ausgang ist offen», sagt Hannes Germann.

Die Mitte entscheidet. Nicht, dass deren Ständeräte ihrem Präsidenten stets folgen. Doch der Druck auf die Politik, überhöhte Saläre ins Visier zu nehmen, ist nach dem Untergang der Credit Suisse massiv gestiegen.

Bloss: Was ist ein überhöhtes Salär? Das hängt davon ab, woran man es misst. Der Medianlohn in der Schweiz beträgt 80'000 Franken pro Jahr.

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