Manager frisierten Bilanzen – aber wirklich schuld sind andere
Die Wahrheit über den Postauto-Bschiss

Postauto-Manager frisierten die Bilanzen, um die Gewinne zu verstecken, die sie auf Befehl der Konzernleitung erzielen mussten. Bund und Kantone wurden so um fast 80 Millionen Franken geprellt – bis 2015. Doch noch immer läuft die krumme Tour. Der Schaden dürfte sich bis Ende Jahr auf mehr als 100 Millionen erhöhen.
Publiziert: 07.02.2018 um 00:08 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 16:30 Uhr
Pascal Tischhauser

Die Postauto-Sparte der Schweizerischen Post hat den Steuerzahler um mehr als 78 Millionen Franken betrogen. Jahrelang verlangte das Unternehmen mit den gelben Bussen von Bund und Kantonen viel zu hohe Subventionen.

Postchefin Susanne Ruoff (60) versuchte gestern, den Skandal weit von sich zu weisen. «In einer Ecke der Postauto AG ist etwas Unrechtes geschehen», meinte sie. Dabei haben sich Postauto-Verantwortliche gezielt Postautokurse zu hoch subventionieren lassen. Denn sie mussten – wie BLICK weiss – in der Postauto-Sparte einen Gewinn von 3 Prozent erzielen.

Post-Chefin Susanne Ruoff zeigt sich betroffen wegen der Mauscheleien bei der Postauto AG, die das Bundesamt für Verkehr (BAV) aufgedeckt hat.
Foto: Keystone
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Immer ein bisschen zu viel verlangt

Branchen-Insider wundern sich nicht, warum es zu dem Bschiss kam. «Zunächst», so erklärte einer von ihnen gegenüber BLICK: «Im subventionierten Regionalverkehr darf laut Gesetz kein Gewinn erzielt werden. Im Gegensatz zur SBB, die ihre Gewinne im Fernverkehr einfährt, bedienen Postautos nur Regionalverkehrsstrecken.» Trotzdem gibt es eine interne Vorgabe von 3 Prozent Gewinn, wie BLICK recherchiert hat. «Doch woher sollen die kommen?», fragt der Insider. Denn die Auslandsabenteuer mit CarPostal France brächten nicht genug ein.

Der Trick: Wenn man bei jeder einzelnen Postautolinie etwas zu viel verlangt, klappt es eben doch. «Es ist  kein Zufall, dass die zu viel eingenommenen Subventionen von exakt 78,3 Millionen Franken rund 3 Prozent der eingegangenen Abgeltungen entsprechen», sagt ein Kenner des öffentlichen Verkehrs. So sei der gewünschte Gewinn zustande gekommen.

Die Post äussert sich auf Anfrage nicht konkret zu den heiklen 3 Prozent. Sie sagt bloss, die Zielvorgaben würden jeweils ausgehandelt und allenfalls angepasst. Aus den Angaben der Post wird aber klar, dass es auch für die Postauto AG Gewinnvorgaben gibt. Dabei hält die Präsidentin der nationalrätlichen Verkehrskommission, Edith Graf-Litscher (53, SP), solche «Gewinnziele im flächendeckenden regionalen Personenverkehr» schlicht für «unrealistisch.»

SVP-Giezendanner kritisiert Postchefin Ruoff

Für Verkehrspolitiker Ulrich Giezendanner (64, SVP) ist klar, dass «Susanne Ruoff als Konzernchefin und Verwaltungsrätin der Tochter Postauto AG die Hauptverantwortliche in diesem Skandal» ist. Ihm reicht es nicht, dass Postauto-AG-Leiter Daniel Landolf und Postauto-Finanzchef Roland Kunz gestern vor die Türe gestellt wurden.

Giezendanner will in der Verkehrskommission nicht locker lassen, bis Ruoffs Person im Zentrum der Untersuchung stehe. Es könne nicht sein, dass einfach die 78 Millionen zurückgezahlt würden, die Postchefin ihren Kopf aus der Schlinge ziehen und andere für sie bluteten.

Amtsdirektor Füglistaler rüffelt Leuthard

Schliesslich liess Peter Füglistaler (58) als Direktor des Bundesamts für Verkehr (BAV) gestern keinen Zweifel daran: «Der Staatsbetrieb hat sich gesetzeswidrig verhalten.» Falsches Gewinndenken habe zu diesem Bschiss geführt. Er wird bei der Staatsanwaltschaft Anzeige einreichen.

Damit greift der Amtsdirektor nicht nur die Post-Spitze an, sondern auch seine eigene Chefin: Verkehrsministerin Doris Leuthard (54). Letztlich verantwortet sie das Gewinndenken im Postkonzern. Auf ihr Konto geht, dass der Bund alljährlich mit einem Millionensegen aus der Post rechnet.

Ruoff und Leuthard müssen sich rechtfertigen, dass der Postkonzern die Steuerzahler letztlich um über 100 Millionen geprellt hat. Denn zur Deliktsumme für die Jahre 2007 bis 2015 kommen weitere Beträge aus den Jahren 2016, 2017 und 2018 dazu. «Das wird kein schöner Abgang für Bundesrätin Leuthard», prophezeit Giezendanner.

So lief die gelbe Masche ab

Das Tolle an den Postautos ist, dass man mit ihnen bis ins entlegenste Bergdorf kommt. Wanderer wissen das zu schätzen. Wenn es aber nicht gerade giesst wie aus Kübeln, benutzen nur wenige Anwohner das Postauto. Rentabel ist das nicht.

Aber das regionale Verkehrsangebot ist uns so wichtig, dass die öffentliche Hand über 50 Prozent der Kosten des Regionalverkehrs stemmt. Bund und Kantone schreiben also eine Strecke aus, die sie gern mit Bussen bedient hätten. Erhalten die Postautos den Zuschlag, wird mit der Post-Tochter die konkrete Vereinbarung für die nächsten zwei Jahre geschlossen. Stellt die Postauto AG später aber fest, dass sie hohe ­Gewinne macht mit dieser Strecke – weil mehr Fahrgäste sie frequentieren oder die Kosten geringer sind als gedacht –, muss sie das der öffentlichen Hand gegenüber ausweisen. Bei der nächsten Bestellung einer Postautostrecke kann dann ein tieferer Preis ausgehandelt ­werden.

Aber statt die tatsächlichen Gewinne im Personenverkehr auszuweisen, buchten Postauto-Mitarbeiter diese über Jahre um. In der Postauto-Gesamtbilanz waren die Gewinne zwar noch da – sie kamen dort aber einfach nicht mehr aus dem Personentransport. Für diesen Bschiss heisst es jetzt End­station.

Das Tolle an den Postautos ist, dass man mit ihnen bis ins entlegenste Bergdorf kommt. Wanderer wissen das zu schätzen. Wenn es aber nicht gerade giesst wie aus Kübeln, benutzen nur wenige Anwohner das Postauto. Rentabel ist das nicht.

Aber das regionale Verkehrsangebot ist uns so wichtig, dass die öffentliche Hand über 50 Prozent der Kosten des Regionalverkehrs stemmt. Bund und Kantone schreiben also eine Strecke aus, die sie gern mit Bussen bedient hätten. Erhalten die Postautos den Zuschlag, wird mit der Post-Tochter die konkrete Vereinbarung für die nächsten zwei Jahre geschlossen. Stellt die Postauto AG später aber fest, dass sie hohe ­Gewinne macht mit dieser Strecke – weil mehr Fahrgäste sie frequentieren oder die Kosten geringer sind als gedacht –, muss sie das der öffentlichen Hand gegenüber ausweisen. Bei der nächsten Bestellung einer Postautostrecke kann dann ein tieferer Preis ausgehandelt ­werden.

Aber statt die tatsächlichen Gewinne im Personenverkehr auszuweisen, buchten Postauto-Mitarbeiter diese über Jahre um. In der Postauto-Gesamtbilanz waren die Gewinne zwar noch da – sie kamen dort aber einfach nicht mehr aus dem Personentransport. Für diesen Bschiss heisst es jetzt End­station.

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