Leserstimmen zum WM-Boykott-Aufruf
«Glaubt die Juso allen Ernstes, ein Boykott setzt ein Zeichen?»

Nach dem gestrigen Spiel ist vor der Fussball-WM, die Ende 2022 in Katar über die Bühne geht. Die Juso fordert die Fans auf, diese wegen der schlechten Arbeitsbedingungen zu boykottieren. Die Meinungen der Blick-Leser gehen auseinander.
Publiziert: 16.11.2021 um 16:40 Uhr
Noah Salvetti

Nach dem gestrigen WM-Qualifikationsspiel gegen Bulgarien, bei dem die Nati mit 4:0 triumphierte, ist gefühlt die ganze Schweiz im Freudenrausch. Die direkte Qualifikation für die WM im Emirat Katar ist für die Fussball-Schweiz ein Segen. Derweil schütteln Vertreterinnen der Juso aber den Kopf – und fordern zum Boykott der Fussball-Weltmeisterschaft auf.

Dies nicht ohne Grund: Tausende Tote beim Bau der Fussballstadien, sklavereiähnliche Arbeitsbedingungen, queerfeindliche Gesetze und mangelnde Pressefreiheit sind nur eine Google-Suche vom Wort Katar entfernt. Josh Cavallo (21), der weltweit erste geoutete homosexuelle Profi-Fussballer, bekundete erst kürzlich seine Angst vor der WM im Wüstenstaat.

Wenn, dann den ganzen Sport boykottieren

Wir wollten wissen, wie die Blick-Community das sieht. Fast 15'000 Leserinnen und Leser haben abgestimmt: Rund die Hälfte von ihnen will sich die Freude am Fussball-Spektakel trotz der Missstände nicht nehmen lassen und das Turnier dennoch mitverfolgen.

Die Freude ist gross: Der Nati ist die direkte Qualifikation für die WM in Katar gelungen.
Foto: TOTO MARTI
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Leser Erich Schweizer beispielsweise findet es falsch, den Sport für politische Probleme zu belangen. «Der Sport kann nicht die Aufgaben der Politik übernehmen. Die WM war auch schon in Russland – und dieses Land ist ja wohl das Schlimmste überhaupt!», schreibt er. Und Leser Konrad Klinke fügt an: «Die Verantwortlichen der Juso hätten ihren Mund bei der Bekanntgabe des Austragungsortes richtig aufreissen sollen. Aber jetzt meckern passt denen wohl besser – die Partei sollte man in Kita umbenennen!»

35 Prozent der Leser, die an der Umfrage teilgenommen haben, sind der Meinung, dass man konsequenterweise den ganzen Fussballsport boykottieren sollte – mit Blick auf die zahlreichen Skandale, die Fifa und Co. bereits hervorgebracht haben. Leser Andreas Meier schreibt: «Glaubt die Juso allen Ernstes, wenn gerade wir nicht mitmachen, setzt das ein Zeichen? Eindruck macht das erst, wenn prominente Nationen nicht mitmachen. Erst dann nimmt die Reputation Schaden.»

«Ein Boykott ändert nichts»

Er befürchtet jedoch, dass selbst dies nichts bringen würde: «Allerdings haben die in Katar so viel Geld, nicht mal das würde sie stören. Wir haben ja auch Olympische Winterspiele in Peking … Wenn die zurzeit wohl stärkste Skination dort fehlen würde, würde das vielleicht beeindrucken – aber bestimmt nichts ändern!»

Leser Ernest Mittelholzer findet, dass eine Nichtteilnahme kontraproduktiv wäre: «Auch wenn die Argumente gut sind, ein Boykott ändert gar nichts, bringt eher das Gegenteil. Durch die vermehrte Aufmerksamkeit für Katar, wird auch der Druck für Veränderungen gesteigert!»

14 Prozent der Leserinnen und Leser finden hingegen, dass die Missstände in Katar nicht durch eine Teilnahme an der WM unterstützt werden sollten. Leser Peter Müller schreibt: «Für einmal hat Frau Jansen recht; Autokraten-Regime suchen die Nähe von Sport-Grossveranstaltungen, um der Welt zu zeigen: ‹Bei uns gibt es einen fairen Wettbewerb im Sport, also muss in unserem Staat auch alles fair zu- und hergehen›.»

Auslaufmodell Sport-Grossveranstaltungen?

«Die Jusos haben schon recht. Die Vergabe der WM nach Katar war ein korruptes Geschäft», schreibt Leser Bernhard Küng. «Und spätestens, als die vielen toten Arbeiter und die sklavischen Zustände bekannt geworden sind, wurde es auch noch ein blutiges Geschäft. Da hätte man stoppen und aussteigen müssen. Aber die Welt und auch der Sport sind in vielen Dingen aus den Fugen geraten und jenseits von Gut und Böse, darum wird diese WM wohl trotzdem stattfinden», gibt er zu bedenken.

Er finde es gut, dass die Juso anspreche, dass an diesem Turnier Blut klebe. «Denn dem ‹Fussballfest› zuliebe werden solche Dinge sonst gerne verdrängt, um niemandem den Spass zu verderben.» Leser Colin Norton stimmt zu: «Für einmal stimme ich mit der Juso überein. Grossveranstaltungen in menschenverachtenden Regimen wie China, Russland oder Katar gehören ja längst zur Tagesordnung. Wettbewerbe wie die Fussball-WM und die Olympischen Spiele können praktisch nur noch in Ländern durchgeführt werden, in denen das Volk nichts zu sagen hat. Das Ganze sollte entweder re-dimensioniert oder abgeschafft werden.» Persönlich schaue er seit Jahren nur noch regionalen Sport.

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