«Mir drohen Folter, Vergewaltigung und die Hinrichtung»
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Eliassi wehrt sich:«Mir drohen Folter, Vergewaltigung und die Hinrichtung»

Kurdin Arezu Eliassi (22) wehrt sich gegen ihre Abschiebung in den Iran
«Mir drohen Folter, Vergewaltigung und die Hinrichtung»

Das Asylgesuch der jungen Kurdin Arezu Eliassi ist abgeschmettert worden. Die Behörden glauben der Iranerin nicht, dass sie verfolgt wird.
Publiziert: 25.06.2020 um 23:03 Uhr
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Aktualisiert: 26.02.2021 um 11:59 Uhr
Pascal Tischhauser und Lea Hartmann

Die Hiobsbotschaft kommt am 15. Mai: Abgelehnt. Die Iranerin Arezu Eliassi (22) erhält kein Asyl. «Sie müssen die Schweiz verlassen», steht im Brief des Staatssekretariats für Migration (SEM). Und zwar bis spätestens Ende Juli.

«Ich habe grosse Angst vor diesem Termin», sagt Eliassi. «Mir drohen Folter, Vergewaltigung und die Hinrichtung.» Davon sind sie und ihr Anwalt überzeugt. Die junge Kurdin hat deshalb beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen den Entscheid eingereicht.

Was Kurden blüht, ist bekannt

Auch Menschenrechtsorganisationen warnen vor einer Rückschaffung in den Iran. Laut Amnesty International drohen Mitgliedern kurdischer Parteien, die die Verletzung ihrer Rechte kritisieren, willkürliche Verhaftung, Folter und Misshandlung, langjährige Haftstrafen und «im Extremfall auch die Todesstrafe».

Der Kurdin Arezu Eliassi droht die Ausschaffung.
Foto: Lea Hartmann
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So war es bei Hedayat Abdollahpour. Er war beschuldigt worden, an einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen der Demokratischen Partei Kurdistans (PDK) und den iranischen Revolutionsgarden beteiligt gewesen zu sein. Er war im Jahr 2017 zum Tode verurteilt worden. Wie eben bekannt wurde, war der Prozess eine Farce: Schon drei Wochen zuvor war Abdollahpour heimlich hingerichtet worden.

Schon ihr Vater betätigte sich politisch

Auch die Asylbewerberin Eliassi engagiert sich für die PDK – und wagt es, die Regierung öffentlich zu kritisieren. Laut den Erzählungen der jungen Frau kämpfte ihr Vater gar als Peschmerga, also als kurdischer Widerstandskämpfer. «Obwohl wir Fotos vorgelegt haben, glaubte uns das Staatssekretariat für Migration nicht», sagt sie.

In anderen westlichen Ländern reicht allein schon die PDK-Mitgliedschaft, um nicht in den Iran zurückgeschafft zu werden. Die Schweiz verfährt gegenüber iranischen Asylsuchenden mit besonderer Härte, versichern BLICK verschiedene Experten.

Onkel im Iran verhört

Arezu Eliassi ist gemeinsam mit ihren Eltern und ihren drei jüngeren Geschwistern vor viereinhalb Jahren geflohen. Kurdische Freunde mit Beziehungen zur Polizei hatten ihre Eltern gewarnt, die Familie stehe wegen ihrer politischen Betätigung unter ständiger Beobachtung. Man suche bloss einen Vorwand, um den Vater festzunehmen. Innerhalb einer Woche machte die Familie ihr Hab und Gut zu Geld und verliess das Land in Richtung Schweiz, da hier schon ein Verwandter lebte. Seither wohnt die Familie in Asylheimen.

In ihrem früheren Haus im Iran leben heute ein Onkel Eliassis sowie ihre Grossmutter. Wie Eliassi schildert, wurden ihrer Familie in der Schweiz Bilder vom iranischen Haus zugeschickt, verbunden mit der Drohung, der darin wohnenden Verwandtschaft Leid anzutun. Ihr Onkel sei auch einmal in die Polizeistation verschleppt und dort drei Stunden lang verhört worden, «und zwar nur über uns», sagt Eliassi. Seither habe er den Kontakt zu den Verwandten in der Schweiz völlig abgebrochen. «Aus Angst. Wir verstehen das.»

Wegen Iraner gerügt

Eliassi wird zudem auf Social Media bedroht. Die junge Frau zeigt diverse Nachrichten, in denen ihr sexuelle Gewalt angedroht wird, sollte sie nicht aufhören, sich politisch zu äussern. Teils sind die Nachrichten auf Deutsch, teilweise auf Persisch.

Das SEM äussert sich zum Fall Eliassi nicht. Auch auf die Frage nach der generellen Haltung gegenüber iranischen Flüchtlingen antwortet es nicht konkret. Eben hat das Bundesverwaltungsgericht das Staatssekretariat gerügt, weil es den Fall eines Iraners im beschleunigten Verfahren behandelt hatte, obwohl es ein komplizierter Fall war. So überschritt das SEM die maximale Entscheidungsfrist von 29 Tagen massiv: Es benötigte 89. Das SEM kann somit nicht für sich in Anspruch nehmen, es bei iranischen Staatsbürgern mit den gesetzlichen Vorgaben immer genau zu nehmen.

Naturwissenschaften sind ihre Welt

Für Experten ist der Fall Eliassi klar: Mittlerweile ist die junge Frau derart bekannt, dass ihr schon allein deswegen im Iran Gefahr droht. Gegen ihre Ausschaffung sind online über 17'000 Unterschriften gesammelt worden. Der Druck auf den Bund ist riesig.

Schon einmal hatten SEM und Bundesverwaltungsgericht sämtliche Warnungen in den Wind geschlagen: Zwei Tamilen wurden nach ihrer Rückschaffung in Sri Lanka inhaftiert – sicher einer davon ist gefoltert worden, wahrscheinlich aber beide.

Die Iranerin Eliassi hat noch nicht aufgegeben. Sie kämpf bis zum Schluss. Die Tochter eines früheren Mitarbeiters der Mülllabfuhr ist fleissig. Sie spricht gut Deutsch. Und sie gibt Mathe-Nachhilfe. Das Tattoo am Arm zeigt es: «E = mc²» – Naturwissenschaften sind ihre Welt. Sie möchte unbedingt ihren Traum verwirklichen und in der Schweiz studieren. «Maschinentechnik oder Aviatik», sagt sie. Die Wahl steht noch aus. Doch erst entscheiden andere über ihre Zukunft.

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