Kritik in eigener Partei wegen Pro Tell
Die FDP wundert sich über Cassis

Ignazio Cassis trat kurz vor seiner Wahl zum Bundesrat der Waffenlobby Pro Tell bei. In seiner Partei regt sich Kritik. Auch an der eigenen Prüfungskommission.
Publiziert: 15.10.2017 um 19:46 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 05:54 Uhr
Simon Marti und Marcel Odermatt

Die Reaktion des FDP-Nationalrats kommt rasch – und kann hier nicht wiedergegeben werden. Der spontane Kraftausdruck ist typisch für die Haltung vieler Parteikollegen, die Mühe haben, die vom «Tages-­Anzeiger» und der «Luzerner Zeitung» gestern publik gemachte Mitgliedschaft des gewählten Bundesrats Ignazio Cassis (56) bei Pro Tell nachzuvollziehen. Der Freisinn wundert sich. Wundert sich über Ignazio Cassis, der in zwei Wochen das Aussendepartement von Didier Burkhalter (57) übernehmen wird. Denn Pro Tell sperrt sich verbissen gegen jegliche Anpassungen des Waffenrechts an europäische Richtlinien. Wenn nötig will Pro Tell gar das Schengen-Abkommen kündigen.

«Sollte es zu einem Referendum gegen Schengen kommen, dann hat er als Mitglied von Pro Tell natürlich ein Problem», sagt ein FDPler.

In der Partei macht sich Unruhe breit

Zwar liess Cassis gestern ausrichten, er werde diese und andere Mitgliedschaften überprüfen. Doch schon macht sich in der Partei Unruhe breit. Genau für solche Fälle habe die Parteispitze doch eigens eine Prüfungskommission eingerichtet, meint ein freisinniger Nationalrat. Die Kommission hatte den Auftrag, alle drei Bundesrats- kandidaten genauestens auszuleuchten. Gerade Mitgliedschaften in solchen Organisationen müssten bei einer Prüfung im Fokus stehen und beurteilt werden, so der Kritiker weiter.

Trat kurz vor der Bundesratswahl Pro Tell bei: Der angehende Aussenminister Ignazio Cassis.
Foto: Reuters
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Angesprochen sind damit Ständerat Thomas Hefti (57, GL) und alt Ständerat Felix Gutzwiller (69, ZH), die im Vorfeld der Wahl die Kandidaten durchleuchteten.

Beide waren gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Foto: EQ Images

Für freisinnige Aussenpolitiker ist derweil klar, dass Cassis Pro Tell die Treue kündigen müsse, sollte es hart auf hart kommen. «Ich kann nicht beurteilen, warum er kurz vor der Wahl Pro Tell beigetreten ist», sagt der Luzerner Ständerat Damian Müller (32). «Aber ich gehe davon aus, dass Herr Cassis alle Mandate abgibt, die in irgendeiner Weise seine Arbeit als Aussenminister tangieren könnten. Das gilt auch für die Mitgliedschaft bei Pro Tell.»

Ähnlich äussert sich auch Nationalrätin Doris Fiala (60), Co-Präsidentin der Parlamentarischen Gruppe Schweiz-EU. Cassis möge gegen eine Verschärfung des Waffenrechts in der Schweiz sein und habe diesbezüglich «sein klares Bekenntnis dokumentiert», so die Zürcherin. «Ich erinnere aber daran», fährt Fiala fort, «dass er immer für Schengen eingestanden ist.» Sie sei daher überzeugt, dass Cassis im Zweifelsfall sicher nicht eine Kündigung «des für die Schweiz wichtigen Vertrags» wolle. Fiala: «Zu gut kennt er die Risiken und den Wert dieses Übereinkommens!»

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