Kritik an Kampfjet-Beschaffung
Amherd informierte Kollegen zu spät

Rechtmässig, aber nicht zweckmässig: So beurteilt die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats (GPK-N) das Evaluationsverfahren für die neuen Kampfjets. Der Bundesrat habe seinen Handlungsspielraum von Beginn weg unnötigerweise eingeschränkt, so das Fazit.
Publiziert: 09.09.2022 um 16:42 Uhr

Die GPK-N hat am Freitagnachmittag ihren lange erwarteten Bericht zum Evaluationsverfahren der Kampfflugzeug-Beschaffung veröffentlicht. Ziel der zehn Monate dauernden Arbeiten war es, die Kriterien zu untersuchen, die schliesslich zur Wahl des US-amerikanischen F-35-Kampfjets führten.

Im Juni 2021 hatte Verteidigungsministerin Viola Amherd bekanntgegeben, dass der US-Hersteller Lockheed Martin das beste Preis-Leistungs-Angebot unterbreitet habe. Der Entscheid führte zu zahlreichen Diskussionen auf politischer Ebene und in den Medien. Für den Auftrag beworben hatten sich auch Airbus mit dem Eurofighter, Boeing mit dem F/A-18 Super Hornet und die französische Firma Dassault mit dem Rafale.

Zu wenig Handlungsspielraum

Die GPK-N stellte im Rahmen ihrer Inspektion keine wesentlichen Mängel bei der Evaluation durch das Bundesamt für Rüstung (Armasuisse) fest, wie es in einer Mitteilung heisst. Hingegen erachtet sie die Weiterverarbeitung der Ergebnisse durch Amherds Verteidigungsdepartement (VBS) und die Behandlung des Geschäfts im Gesamtbundesrat als «teilweise unzweckmässig».

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats (GPK-N) bezeichnet die Evaluation zur Wahl der neuen Kampfjets als "rechtmässig, aber nicht zweckmässig". (Archivbild)
Foto: URS FLUEELER
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Die Aufsichtskommission kritisiert insbesondere, dass das VBS und der Bundesrat die Rahmenbedingungen zu Beginn des Verfahrens ohne vertiefte Prüfung so definierten, dass die Landesregierung am Ende keinen Handlungsspielraum hatte, um bei ihrem Entscheid auch aussenpolitische Aspekte einzubeziehen.

Gegengeschäfte ausgeklammert

Gemäss Medienberichten hatte insbesondere Frankreich weitreichende politische Gegengeschäfte zugesichert im Fall eines Kaufs des französischen Kampfjets Rafale. So soll Präsident Emmanuel Macrons Regierung der Schweiz weitgehende Unterstützung bei den Verhandlungen mit der EU versprochen haben. Zudem soll sich Frankreich bereiterklärt haben, einen höheren Teil der Steuereinnahmen durch Grenzgänger an die Schweiz zu überweisen.

Das Beschaffungsrecht räumt dem Bundesrat laut GPK-N bei Rüstungsbeschaffungen grundsätzlich einen grossen Handlungsspielraum ein. Dass der Bundesrat bei der Wahl des neuen Kampfjets übergeordnete politische und wirtschaftliche Überlegungen selber ausgeklammert habe, sei das «Hauptproblem des Beschaffungsverfahrens».

Obwohl alle evaluierten Kampfjets die technischen Anforderungen erfüllten, seien «bedeutsame Gegengeschäfte» nicht einbezogen worden. So könne letztlich nicht beurteilt werden, welches das beste Angebot im Gesamtinteresse der Schweiz gewesen wäre.

Kritik an Amherd

Laut der GPK-N hätte der Bundesrat zu Beginn des Verfahrens diskutieren sollen, welchen Handlungsspielraum er nach der technischen Evaluation haben würde. Dass dies nicht geschehen sei, sei «bedenklich».

Auch gegenüber Verteidigungsministerin Amherd spart die GPK-N nicht mit Kritik. Selbst dem federführenden VBS sei lange nicht klar gewesen, welchen Handlungsspielraum der Bundesrat hatte. Amherd habe hierzu im Bundesrat widersprüchlich informiert.

Zu spät informiert

Zudem sei es «nicht zweckmässig» gewesen, dass Amherd die anderen Departementsvorsteherinnen und -vorsteher erst Mitte Mai beziehungsweise in der ersten Juni-Hälfte über die Ergebnisse der technischen Evaluation informiert habe.

Verschiedene Departemente hätten mit Herstellerländern über Lösungen in anderen Dossiers verhandelt, obwohl eigentlich schon zu diesem Zeitpunkt klar gewesen sei, dass der F-35-Jet oben hinaus schwingen würde. «Dadurch wurden politische Verstimmungen auf zwischenstaatlicher Ebene in Kauf genommen.»

Fast nichts auszusetzen hat die GPK-N an der technischen Evaluation. Armasuisse habe die nötigen Massnahmen getroffen, um die Gleichbehandlung der Anbieter und ein objektiviertes, nachvollziehbares Verfahren sicherzustellen, heisst es im Bericht. Nur teilweise nachvollziehbar sei aber, weshalb Armasuisse darauf verzichtet habe, soweit möglich auch die Erfahrungen von Ländern einzubeziehen, welche die evaluierten Kampfjets schon betreiben.

Beschaffung auf Kurs

Insgesamt formulierte die GPK-N fünf Empfehlungen an den Bundesrat. Dieser wird bis Mitte Dezember zu den Erkenntnissen und Empfehlungen Stellung nehmen.

Im Parlament ist die Beschaffung der 36 neuen F-35-Kampfjets auf Kurs. Wie der Ständerat drängt auch die zuständige Nationalratskommission auf eine rasche Unterschrift unter die Kaufverträge. Ein definitiver Entscheid steht jedoch noch aus. Die Kommission will erst am Montag - im Lichte des aktuellen Berichts - ihre Anträge verabschieden.

(SDA)

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