Keine AHV-Rente für Reiche – das sagen die Parteichefs
«Das ist kompletter Blödsinn!»

Die Jungen Grünliberalen lancieren eine Idee mit politischem Zündstoff: Keine AHV-Rente mehr für Reiche! Bei den Parteichefs kommt der Vorschlag mehr als schlecht an. Sie kanzeln die Idee als «Blödsinn» und «reine Wahlpropaganda» ab.
Publiziert: 20.05.2019 um 16:30 Uhr
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Aktualisiert: 20.05.2019 um 16:59 Uhr
CVP-Präsident Gerhard Pfister: «Das ist Blödsinn von schlechten Abstimmungsverlierern.»
Foto: Keystone
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Joel Probst und Ruedi Studer

Die Jungen Grünliberalen brechen ein Tabu: Sie wollen die AHV-Rente für Reiche streichen und damit beim wichtigsten Sozialwerk des Landes Hunderte Millionen Franken sparen. Die Beiträge dagegen sollen die Vermögenden weiterhin zahlen.

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CVP-Pfister: «Blödsinn»

Bei den Parteichefs kommt die Idee schlecht an. CVP-Präsident Gerhard Pfister (56, ZG), dessen Partei beim Aushandeln des AHV-Steuer-Deals eine entscheidende Rolle spielte, meint spitz: «Das ist Blödsinn von schlechten Abstimmungsverlierern.»

Auch BDP-Chef Martin Landolt (50, GL) ist wenig begeistert. «Die Idee greift zu kurz», sagt er. Die AHV beinhalte ein starkes Umverteilungselement und dürfe deshalb als eines der grössten Solidaritätswerke in der Schweizer Geschichte bezeichnet werden. Bereits heute würden die höheren Einkommen mehr Beiträge entrichten, als zur Finanzierung ihrer Rente nötig sei, «so dass Geld von den hohen zu den tiefen Einkommen fliesst». Für Landolt ist daher klar: «Wer diese Solidarität überstrapaziert, gefährdet sie!»

FDP-Gössi: «Falsch verstandene Solidarität»

«Der Vorschlag mündet in einer falsch verstandenen Solidarität», winkt FDP-Chefin Petra Gössi (43, SZ) ab. «Denn Menschen, die gut verdienen, zahlen schon heute deutlich mehr in die AHV ein, als sie je beziehen werden.»

Die Beitragszahlungen seien nach oben offen, wohingegen die Maximalrente gedeckelt sei, betont sie. «Gutverdienende leisten also schon heute einen grossen Teil an die Solidarität.» Rund 90 Prozent der Beitragszahler würden zudem mehr beziehen, als sie in die AHV einbezahlt hätten.

Auch bei den Jungfreisinnigen kommt die Idee schlecht an. «Das ist heisse Luft und nicht mehr», sagt deren Präsident Andri Silberschmidt (25). Der Vorschlag verletze den Grundsatz der AHV, die universelle Existenzsicherung. «Er hätte fast keinen Einfluss auf die Finanzen der AHV, es braucht eine strukturelle Reform und keine Pflästerli.» Die Jungfreisinnigen planen denn auch eine eigene Volksinitiative in Sachen AHV.

SVP-Rösti: «Reine Wahlpropaganda»

SVP-Chef Albert Rösti (51, BE) geht mit den Jungen Grünliberalen hart ins Gericht: «Ihr Vorschlag ist reine Wahlpropaganda und tut nichts zur Lösungsfindung.» Denn die AHV basiere in erster Linie auf der Solidarität zwischen den Generationen: Die laufenden Renten würden durch die sogenannte aktive Bevölkerung finanziert.

«Die Solidarität in der AHV geht noch weiter: Besserverdienende unterstützen schlechter gestellte Versicherte», so Rösti. «So findet ein Ausgleich zwischen Arm und Reich schon heute sehr stark statt.»

SP-Levrat: «AHV ist keine Überlebenshilfe»

SP-Chef Christian Levrat (48, FR) kontert die Idee der GLP-Jungen mit drastischen Worten: «Die jungen Rechten wollen die AHV zu einer Sozialhilfe für ältere Bedürftige umbauen», moniert er. «Nur wer arm ist, soll eine AHV erhalten. Das ist kompletter Blödsinn.» Die AHV sei keine Überlebenshilfe, sondern eine Garantie für ein würdiges Leben im Alter, auf das alle Bürgerinnen und Bürger Anrecht hätten. «Wer sein Leben lang gearbeitet hat, hat ein Recht auf eine Rente», macht Levrat klar.

Er möchte die Reichen anderweitig stärker zur Kasse bitten. «Die AHV als solidarisches Sozialwerk muss gestärkt und ausgebaut werden», so Levrat. Die AHV sei sozialer als alles andere, weil das Einkommen umso grösser ist, je mehr man einzahlt. «Darum: Je stärker die AHV, desto grösser der Beitrag der Reichen.» Das bedeutet aus linker Sicht also weitere Lohnprozente.

Grünen-Rytz will «gerechtere Steuern»

Auch für Grünen-Präsidentin Regula Rytz (57, BE) ist die Reichenbestrafung keine Option. «Diese Idee untergräbt den Solidaritätsgedanken», sagt sie. Und: «Ich halte es mit Bundesrat Tschudi: ‹Die Reichen brauchen die AHV nicht, aber die AHV braucht die Reichen.›» Damit argumentiert Rytz ähnlich wie Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard (51) im BLICK-Interview.

Rytz will den Reichen nicht die Rente streichen, sondern sie bei den Steuern stärker in die Pflicht nehmen. «Zur Unterstützung der älter werdenden Bevölkerung brauchen wir nicht nur eine leistungsfähige AHV, sondern auch starke Kantons- und Gemeindefinanzen», sagt sie. «Die Reichen sollen mithelfen, mit gerechten Steuern die Spitex- und Pflegekosten zu finanzieren. Hier gibt es Luft nach oben.»

GLP-Grossen: «Es wird schon heute viel umverteilt»

Nicht mal bei der eigenen Mutterpartei stösst der radikale Vorschlag der Jungen Grünliberalen auf viel Wohlwollen. GLP-Chef Jürg Grossen (49, BE) gibt sich aber diplomatisch: «Ich begrüsse es, dass die Reform der Altersvorsorge für die Junge GLP eine so hohe Priorität hat», sagt er. Und wenn es darum gehe, die Lebensarbeitszeit zu erhöhen und die «schleichende Enteignung der Jungen bei der Pensionskasse» zu stoppen, «da bin ich auf ihrer Linie». Und ja, er könne auch nachvollziehen, dass die Jungen die Frage stellten, warum sehr reiche Personen eine AHV-Rente brauchen.

Doch dann macht Grossen klar: «Die AHV ist aber solidarisch aufgebaut und es wird schon heute viel umverteilt.» Und weiter: «Zudem hat die AHV auch deshalb einen starken Rückhalt in der Bevölkerung, weil sie allen zugute kommt.»

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