Kaum Verbündete gefunden
Europa-Initiative harzt schon vor Start

Die Initiative von Operation Libero und Grünen will den Bundesrat zu einem Abkommen mit der EU verpflichten. Doch das Volksbegehren muss noch vor dem Start den ersten Rückschlag hinnehmen. Die Initianten warten nun erst mal ab.
Publiziert: 30.08.2022 um 08:21 Uhr
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Aktualisiert: 30.08.2022 um 15:47 Uhr
Daniel Ballmer

Langsam, aber sicher reisst dem Parlament der Geduldsfaden. Seit der Bundesrat im Mai 2021 die Verhandlungen zum EU-Rahmenabkommen abgebrochen hat, wartet alles auf einen Plan B. Auch der längst angekündigte Europa-Bericht von Aussenminister Ignazio Cassis (61) liegt noch immer nicht vor.

Die Aussenpolitischen Kommissionen von National- und Ständerat wollen nicht nur das Papier endlich sehen – sie möchten auch mitreden. Immer mehr stellen Parlamentarier den traditionellen Führungsanspruch des Bundesrats in der Aussenpolitik infrage. Der Druck auf die Regierung wächst.

Initiative soll «aus der Sackgasse» führen

Druck machen wollen auch die Operation Libero rund um Co-Präsidentin Sanija Ameti (30) sowie die Grünen. Die Europapolitik stecke so tief in der Sackgasse, dass eine konstruktive Oppositionspolitik aus der Zivilgesellschaft und von fortschrittlichen Parteien unverzichtbar sei.

Aussenminister Ignazio Cassis gerät zunehmend unter Druck: Alles wartet auf den lange angekündigten Europa-Bericht.
Foto: DUKAS
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Am Dienstag stellten sie ihre lang angekündigte Europa-Initiative mit dem Titel «Eidgenössische Volksinitiative für eine handlungsfähige Schweiz in Europa» vor. Sie verlangt eine aktive Zusammenarbeit mit der EU. Das Kernstück ist der verbindliche Auftrag an den Bundesrat, umgehend Verhandlungen mit der EU aufzunehmen, um die institutionellen Fragen zu klären. Der Bundesrat soll ohne Verzögerung Verträge aushandeln, die eine institutionelle Lösung ermöglichen und diese dem Parlament vorlegen.

Mit dem einseitigen Verhandlungsabbruch beim Rahmenabkommen habe die Schweiz ihre Handlungsfähigkeit geschwächt, stellte Grünen-Vizepräsidentin Sibel Arslan (42) fest. Die Allianz trete an, um den Scherbenhaufen aufzuräumen, den der Bundesrat verursacht habe.

Aus Angst vor internen Zerreissproben und vor Machtverlust würden der Bundesrat und die Bundesratsparteien die Finger von einer Lösung in der Europapolitik lassen, findet Ameti. Die Volksinitiative sei daher eine konstruktive Form der Opposition und eine Möglichkeit, dem Bundesrat ins Aufgabenbuch zu schreiben, was er selber nicht an die Hand nehme.

Geblieben ist nur eine Mini-Allianz

Getragen werden sollte die Initiative von einer breiten Allianz. Pläne, die bereits gescheitert sind. Schon früh abgewunken hatten die Wirtschaftsverbände. Auch die SP und die Grünliberalen sind nicht mit an Bord. Sogar die Europäische Bewegung Schweiz (EBS) hat abgesagt, von den bürgerlichen Parteien ganz zu schweigen.

Geblieben ist eine Mini-Allianz mit dem Verband der Schweizer Studierendenschaften, dem Verband «Suisseculture» sowie die vom Europarechtler Thomas Cottier angeführte Vereinigung «La Suisse en Europe».

Initiative ist für viele ungeeignet

«In der aktuellen Situation ist niemand wirklich glücklich mit der Initiative», hält EBS-Präsident und SP-Nationalrat Eric Nussbaumer (62) fest. Diese käme nämlich erst in vier bis fünf Jahren an die Urne. «Das dauert viel zu lange. Wir brauchen viel schneller Bewegung in der Sache», so Nussbaumer.

Aus diesem Grund sei das Volksbegehren auch für die Grünliberalen keine Option, sagt Parteipräsident Jürg Grossen (53). Und: «Sogar wenn die Initiative in vielen Jahren einmal angenommen würde, wäre damit noch gar nichts gewonnen. Zwar hätten wir eine Verfassungsbestimmung, aber mit der EU wären damit ja noch keine Gespräche geführt.»

Die Parteien setzen nach wie vor lieber auf Bundesrat und Parlament. So hat die Regierung mittlerweile neue Sondierungsgespräche mit der EU aufgenommen. Parallel dazu hat der Nationalrat ein Europa-Gesetz beschlossen, das die Europapolitik innenpolitisch auf eine neue Grundlage stellen und sie so demokratisch besser legitimieren will. Daneben macht auch die Aussenpolitische Kommission im Ständerat Druck. Kommt der Ukraine-Krieg hinzu, der vor Augen führe, wie wichtig die Zusammenarbeit mit der EU sei.

«Der parlamentarische Weg ist vielversprechender»

«Der parlamentarische Weg ist deutlich vielversprechender als eine Initiative», findet Grossen. Deren Kernanliegen, einen neuen Anlauf für die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU zu nehmen, sei derzeit erfüllt, hatte SP-Co-Chef Cédric Wermuth (36) gegenüber der «SonntagsZeitung» erklärt.

Mittlerweile ist das Volksbegehren für viele schlicht überflüssig: «Bundesrat oder Parlament müssen entscheiden, dann braucht es eigentlich keine Initiative», sagt Nussbaumer. Wichtig sei nun ein klarer Auftrag des Parlaments an die Landesregierung. Einen ersten Schritt hat der Nationalrat mit der Forderung nach einem Europa-Gesetz bereits getan.

Noch wird Initiative gar nicht lanciert

Vielleicht sind mittlerweile auch die Initianten selber unsicher geworden – und lassen sich nun ein Hintertürchen offen: Denn noch wird die Initiative gar nicht lanciert, noch werden keine Unterschriften gesammelt.

Vorher wolle man dem Parlament noch die Chance geben, während der Herbstsession im September «den Auftrag für ein Europagesetz zu geben, das dem Bundesrat schneller und einfacher die gleichen Ziele vorschreiben könnte als die Europa-Initiative». Diese wolle den parlamentarischen Weg unterstützen, nicht ersetzen.

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