Jetzt legen sich Ärzte in offenem Brief mit Cassis an
«Tabak-Sponsoring widerspricht ethischen Standards»

Dass der Schweizer Pavillon an der Weltausstellung in Dubai vom Tabakkonzern Philip Morris mitfinanziert werden soll, schockiert auch Schweizer Gesundheitsexperten. In einem offenen Brief gehen sie hart mit Bundesrat Ignazio Cassis ins Gericht.
Publiziert: 24.07.2019 um 11:51 Uhr
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Aktualisiert: 24.07.2019 um 15:03 Uhr
Fabian Vogt und Lea Hartmann

Die Ärzte geben Aussenminister Ignazio Cassis (58) den Tarif durch. Die Swiss School of Public Health (SSPH+), eine von den Unis gegründete Stiftung, kritisiert den Bundesrat heftig für die Pläne, den Schweizer Pavillon bei der Expo 2020 in Dubai zu einem gewichtigen Teil vom Tabakkonzern Philipp Morris sponsern zu lassen.

In einem offenen Brief belehren die Mediziner ihren Berufskollegen und ehemaligen Präsidenten der Präventionsorganisation Public Health, dass die Annahme jeglicher Gelder der Tabakindustrie «den ethischen Grundprinzipien der Gesundheitswissenschaften» widerspreche. Das Tabak-Sponsoring sei ein «Skandal», schreiben sie. «SSPH+ wird alles unternehmen, dies zu verhindern.»

Schweiz hat Tabakkonvention nicht ratifiziert

Die Gesundheitswissenschaftler halten fest: «Zigaretten sind weltweit das einzige Produkt, das die Hälfte seiner Konsumentinnen und Konsumenten umbringt.» Dass in der Raucherlounge von Philip Morris im Schweizer Pavillon nur Tabakerhitzer angeboten würden, mache die Sache nicht besser.

Unter Aussenminister Ignazio Cassis (58, FDP) will Philip Morris den Schweizer Pavillon bei der Expo in Dubai als Hauptsponsor unterstützen.
Foto: Keystone
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Denn alternative Tabakprodukte sind, so betonen die Ärzte, keinesfalls harmlos. Forschung zeige, dass sie «sehr grosse Mengen toxischer Substanzen» beinhalten können. Beispielsweise könne die Konzentration des krebserregenden Formaldehyds bei einigen dieser neuen Produkte «vielfach höher sein als bei Zigaretten». Angesichts dessen reden die Mediziner Klartext: Die Präsenz von Philip Morris im Schweizer Pavillon «würde nicht nur der globalen Gesundheit, sondern auch dem Image der Schweiz schaden».

Die Schweiz hat bisher als eines von wenigen Ländern die Tabakkonvention der WHO nicht ratifiziert. Hätte sie das getan, wäre das Sponsoring illegal gewesen, behauptet die SSPH+ in ihrem Brief weiter. «Dass die offizielle Schweiz diese regulatorische Lücke in Dubai dazu missbrauchen will, Philip Morris als Hauptsponsor zu akzeptieren, widerspricht dem erklärten Ziel des Bundesrats, die Anliegen der Tabakkonvention endlich auch in der Schweiz gesetzlich zu verankern», schreiben die Mediziner.

Was wusste Cassis?

Auch die WHO hat die Schweiz bereits gerüffelt. Dass ausgerechnet die Schweiz, in der die Gesundheitsorganisation ihren Sitz hat, eine solche Partnerschaft eingehe, sei «sehr bedenklich». 

Angesichts des heftigen Protests will Cassis die Geldspritze vom Tabakmulti nun noch einmal überdenken. Das Aussendepartement liess Anfang Woche ausrichten, dass Cassis über den Stand des Sponsorings «noch nicht im Detail orientiert» sei. Die «Aargauer Zeitung» allerdings äussert heute Zweifel an dieser Darstellung. Denn gegenüber dem Westschweizer Radio RTS hatte Nicolas Bideau, Chef von Präsenz Schweiz und damit verantwortlich für den Schweizer Auftritt in Dubai, vergangenen Freitag noch gesagt, er habe die Partnerschaft mit Cassis besprochen. Der Aussenminister sei zuerst skeptisch gewesen. Doch die finanzielle Ausgangslage sei schwierig. Ein Argument, das den einstigen Präventivmediziner Cassis nach Darstellung Bideaus schliesslich überzeugt hat.

Kommentar: Ausgerechnet Ignazio Cassis

Ausgerechnet Ignazio Cassis. Der 58-Jährige hat einen Master in Humanmedizin und wurde vor mehr als zwei Jahrzehnten Arzt für innere Medizin. Während er Kantonsarzt war, wurde im Tessin das erste rigorose Rauchverbot des Landes eingeführt. Rund zehn Jahre später stimmte er im Nationalrat als einziger Freisinniger gegen die Rückweisung des Tabakprodukte-Gesetzes, das rigorose Werbeverbote vorsah. Davor und dazwischen war er als Präventivmediziner darum bemüht, die Menschen vor den Folgen des Tabakkonsums zu warnen. All diese Prinzipien, einen Teil seines Lebenswerks, will er nun über Bord werfen, weil Philip Morris 1,8 Millionen Franken zahlen will? So schwer kann es nicht sein, einen anderen Sponsor zu finden. Oder den Pavillon zu verkleinern. 
Fabian Vogt

Ausgerechnet Ignazio Cassis. Der 58-Jährige hat einen Master in Humanmedizin und wurde vor mehr als zwei Jahrzehnten Arzt für innere Medizin. Während er Kantonsarzt war, wurde im Tessin das erste rigorose Rauchverbot des Landes eingeführt. Rund zehn Jahre später stimmte er im Nationalrat als einziger Freisinniger gegen die Rückweisung des Tabakprodukte-Gesetzes, das rigorose Werbeverbote vorsah. Davor und dazwischen war er als Präventivmediziner darum bemüht, die Menschen vor den Folgen des Tabakkonsums zu warnen. All diese Prinzipien, einen Teil seines Lebenswerks, will er nun über Bord werfen, weil Philip Morris 1,8 Millionen Franken zahlen will? So schwer kann es nicht sein, einen anderen Sponsor zu finden. Oder den Pavillon zu verkleinern. 
Fabian Vogt

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