Interessenskonflikt und unvollständige Dokumente
Das BAG hat bei der Beschaffung der Impf-Tools geschlampt

Bei der freihändigen Vergabe einer Corona-Impf-Applikation durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) zahlreiche Versäumnisse und Schwachpunkte festgestellt. Dies zeigt ein am Montag veröffentlichter Bericht.
Publiziert: 20.03.2023 um 23:00 Uhr
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Aktualisiert: 20.03.2023 um 23:01 Uhr
Dominique Schlund

Insgesamt kostete die Covid-19-Impfapplikation den Steuerzahler 11,15 Millionen Franken. Doch bei der Beschaffung des besagten Tools ging offensichtlich einiges schief – zu diesem Schluss kommt der Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle EFK.

Der Bericht gibt dem BAG schlechte Noten, denn viele Dinge bleiben auch für die EFK nicht nachvollziehbar. Grund dafür ist das Fehlen einer lückenlosen Dokumentation über den Beschaffungsprozess. Dies sei zumindest teilweise aber der besonderen Lage und dem grossen Zeitdruck mitten in der Pandemie geschuldet, räumt die Finanzkontrolle ein.

Unvollständige Unterlagen und hohe Preise

Die eigentliche Anschaffung des Tools schlägt mit 950'000 Franken zu Buche. Aufgrund der hohen Dringlichkeit hat das BAG den offiziellen Beschaffungsweg abgekürzt. Der Auftrag für die App ging ohne offizielle Ausschreibung an die Firmen Onedoc und Soignez-Moi.

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) von Bundespräsident Alain Berset hat wohl bei der Anschaffung der Covid-Impfapp geschlampt.
Foto: AFP
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Eigentlich sind für solche Beschaffungen die Kantone selber verantwortlich. Aufgrund der zeitlichen Dringlichkeit erklärte sich das BAG dazu bereit, diese Beschaffung zu übernehmen. Viele Kantone nahmen das Angebot an. Die Kantone Bern und Zürich entschieden sich hingegen für ein eigenes System.

Den wesentlich grösseren Teil dieses Deals machen die späteren Unterhaltskosten des Tools aus. Darüber schloss das BAG im Juli 2021 Verträge mit den beiden Firmen ab. Im Falle von Onedoc über einen Betrag von 4,3 Millionen Franken. Im Falle von Soignez Moi über einen Betrag von insgesamt 5,9 Millionen.

Über mehrere Monate wurden pauschal Beträge von einer halben Million abgerechnet. Dies, obwohl die Leistungen vertraglich nach Arbeitsaufwand abzurechnen seien. Aufgrund welcher konkreten Leistungen diese Beträge gezahlt wurden, konnte das BAG nicht abschliessend darlegen. Der Bericht der EFK kommt jedoch zum Schluss: «Die offerierten Tagessätze für Entwicklungs-, Übersetzungs- und Supportleistungen sind mit zwischen 1500 und 2000 Franken im Branchenbereich als hoch einzuschätzen.»

Vetternwirtschaft beim BAG?

Für Aufsehen sorgt auch ein möglicher Interessenskonflikt. 2020 musste der Leiter «Digitalisierung Covid-19» kurzfristig ersetzt werden – ein externer Mitarbeiter übernahm. Wie sich später herausstellt, ist dieser Mitarbeiter ein ehemaliger Geschäftspartner vom damaligen Geschäftsführer von Soignez-Moi. Zudem sind die beiden Geschäftspartner in Drittfirmen.

Aus dem Bericht der EFK wird nicht klar, ob dieser offensichtliche Interessenskonflikt vor der Vergabe des Auftrags offen gelegt wurde oder nicht.

«Ausserordentliche Krisensituation» ist schuld

Das BAG verweist darauf, dass es über ein Kompetenzzentrum für solche Beschaffungen verfügt. Dort würden Beschaffungsspezialisten dafür sorgen, dass alle Vorgaben und Prozesse eingehalten werden. In besagtem Fall wurden aber wohl gleich mehrere Augen zugedrückt.

«Es ist zu beachten, dass das Vorgehen bei der Impf-Informatiklösung der ausserordentlichen Krisensituation geschuldet war und keine Rückschlüsse auf die üblichen Beschaffungsverfahren des BAG zulässt», verteidigt sich das BAG in der Stellungnahme zum EFK-Bericht. (shq)

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