In der Politik schlägt sie harte Töne an
Die massgeschneiderte Bundesrätin

So lebt, denkt und tickt Karin Keller-Sutter, die haushohe Favoritin für die Nachfolge von Johann Schneider-Ammann.
Publiziert: 27.09.2018 um 01:58 Uhr
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Aktualisiert: 01.11.2018 um 20:41 Uhr
Nico Menzato

Ein bisschen magistral gibt sich Karin Keller-Sutter (54, SG) schon lange. So ist die haushohe Favoritin für den Bundesrat neben SVP-Nationalrätin und Ems-Chefin Magdalena Martullo-Blocher (49, GR) die einzige aller Bundesparlamentarier, deren Handynummer den Bundeshaus-Korrespondenten unbekannt ist.

Etwas abgehoben sei die Ständerätin schon, schnöden einige Parlamentarier denn auch hinter vorgehaltener Hand. Zuweilen etwas kühl, spröde und distanziert.

Köppel: «Absolut wählbar»

Doch echte Kritik an der massgeschneiderten und logischen Nachfolgerin von Johann Schneider-Ammann (66) gibt es keine. Selbst SVP-Nationalrat Roger Köppel (53, ZH), der mit seiner «Weltwoche» schon Kampagnen gegen die St. Gallerin gefahren hat, sagt heute: «Ich schätze sie. Sie ist bemüht, alles perfekt zu machen. Keller-Sutter ist für mich absolut wählbar.»

Die Kür in den Bundesrat wäre der letzte Akt einer schnörkellosen Politkarriere: Mit 29 wählen sie die Wiler in den Gemeinderat, mit 33 ist sie Kantonsrätin, mit 36 bereits Regierungsrätin. Mit 48 gelingt der Sprung nach Bern – ins Stöckli, das sie dieses Jahr präsidiert.

FDP-Spitze liess sie im Regen stehen

Den einzigen politischen Rückschlag erlitt die Konferenz-Dolmetscherin 2010, als sie gegen Schneider-Ammann den Kürzeren zog. Die FDP-Rennleitung hatte sie zur Kandidatur motiviert, im stillen Kämmerchen dann aber voll auf den Berner gesetzt.

Damals wurde sie als Hardlinerin wahrgenommen. Weil sie als Justiz- und Polizeidirektorin eine harte Gangart gegen Hooligans einschlug und sich für eine scharfe Asylpraxis einsetzte. Etiketten wie die «eiserne Lady» oder gar «Blocher im Jupe» machten die Runde.

Metamorphose zur Machtpolitikerin

Jetzt hat sie eine andere Agenda. Sicherheitsthemen sind passé, Wirtschafts-, Aussen- und Sozialpolitik treiben die Ständerätin um – respektive sie treibt die Dossiers voran. KKS, wie sie im Bundeshaus genannt wird, ist eine der einflussreichsten Politikerinnen überhaupt, gar zur «mächtigsten Politikerin des Landes» wurde sie schon gemacht.

«Sie strahlt als Persönlichkeit eine starke Souveränität aus», schwärmt FDP-Ständerat Josef Dittli (61, UR). Sie sei gradlinig, nüchtern, überlegt, herzlich, fleissig – aber kein Workaholic.

Auch bei vielen in der SVP kommt KKS trotz gewissen Vorbehalten gut an. Sie sei kompetent und sprachgewandt, sagt Ständerat Hannes Germann (62, SH). Nationalrat Ulrich Giezendanner (64, AG) outet sich als «grosser Fan».

Keller-Sutter hat das nötige politische Gespür. Selbst FDP-Kollegen können sich an kein Geschäft erinnern, bei dem KKS eine andere Position eingenommen hätte als die FDP-Mehrheit. «Sie ist durch und durch eine Kollegialitäts-Politikerin», sagt einer. Jene Kämpfe, die sie führe, gewinne sie. Die aussichtslosen führe sie erst gar nicht.

Gute Beziehungen zur Wirtschaft

Dabei hilft ihr auch die gute Vernetzung in der Welt der in der Wirtschaft – sei es als Präsidentin des Detailhandelsverbands Swiss Retail Federation, als Vorstandsmitglied des Arbeitgeberverbandes, und weiteren.

Mit Martullo-Blocher hat Keller-Sutter neben der Geheimnummer noch eine weitere Gemeinsamkeit: Sie sind die einzigen Parlamentarierinnen mit einem Mandat bei einer börsenkotierten Gesellschaft. Martullo bei der Ems-Chemie, Keller-Sutter bei der Baloise Versicherung.

Politiker von links bis rechts sind überzeugt: Ein Fehlverhalten à la Pierre Maudet (40), dem FDP-Bundesratskandidaten vom letzten Jahr, der über eine geschenkte Luxusreise stolperte, gab und gibt es bei der Ständeratspräsidentin keines.

Idol Thatcher – Vorliebe Punk-Rock

Leichen im Keller hat einzig ihr Ehemann Morten (53) – ein Gerichtsmediziner, der die Zürcher Gesundheitsdienste leitet. Seit fast 30 Jahren sind die beiden ein Paar. Kinder haben sie keine. Keller-Sutter erlitt mit 29 Jahren zwei Fehlgeburten.

Aufgewachsen ist sie in einer vom CVP-Geist geprägten Familie – als Nachzüglerin. Sie hat drei Brüder, die neun bis 13 Jahre älter sind als sie. Ihre Eltern führten ein gutbürgerliches Restaurant. «Meine gewerbliche Herkunft hat mich geprägt: Man kann kein Geld verteilen, bevor es verdient ist», sagte Keller-Sutter kürzlich zur «Aargauer Zeitung».

In der Kanti sei sie noch links gewesen, doch mit 19 zog sie nach London und entdeckte neben dem Punk, den sie bis heute gerne hört, ihr politisches Vorbild: die damalige Premierministerin Margaret Thatcher (1925–2013).

Am 5. Dezember nun dürfte die St. Gallerin ihrem britischen Idol folgen und das höchste politische Amt erklimmen.

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