«Impfzwang», Ablaufdatum und gespaltene Gesellschaft
Was ist an den Behauptungen zum Covid-Gesetz dran?

Je näher der Abstimmungstermin zum Covid-Gesetz rückt, desto hitziger werden die Debatten. Doch was ändert sich mit dem Ergebnis wirklich? Blick hat einige der häufigsten Behauptungen genauer unter die Lupe genommen.
Publiziert: 13.11.2021 um 18:05 Uhr
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Aktualisiert: 14.11.2021 um 11:42 Uhr
Gianna Blum

Kurz vor dem Urnengang am 28. November gehen die Wogen hoch. Für viele ist die Abstimmung über das Covid-Gesetz zum Symbol für die eigene Haltung zu den Corona-Massnahmen geworden, obwohl nur jene Passagen vom Ausgang der Abstimmung betroffen sind, die im März vom Parlament geändert wurden. Dabei handelt es sich vor allem um die Einführung des Covid-Zertifikats, aber auch um Finanzhilfen für Branchen, die bislang keine oder zu wenig Unterstützung erhalten haben.

In der hitzigen Debatte überschlagen sich insbesondere die Gegner des Gesetzes mit Behauptungen dazu, welche Folgen ein Ja oder Nein hätte. Doch was stimmt wirklich? Blick hat einige der Behauptungen genauer unter die Lupe genommen.

Bircher und Hess steigen in den Ring
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Abstimmung zum Covid-Gesetz:Bircher und Hess steigen in den Ring

«Wenn dieses Gesetz angenommen wird, ist es vorbei mit dem Rechtsstaat. Dann gilt nur noch, was der Bundesrat sagt. Volk und Parlament wären ausgehebelt.»

Das ist schlicht falsch. Volk und Parlament können in der Schweiz langfristig gar nicht ausgehebelt werden. Was in diesem Zusammenhang gern vergessen geht: Auch das Covid-Gesetz ist auf demokratischem Weg entstanden, nämlich im Parlament. Abgesehen davon kann der Bundesrat Massnahmen wie einen Lockdown und andere Einschränkungen ganz unabhängig vom Covid-Gesetz beschliessen. Denn die Rechtsgrundlage dafür sind die Verfassung und das Epidemiengesetz. Beide sind demokratisch legitimiert.

Am 28. November kommt das Covid-Gesetz erneut vors Volk, weil gegen Änderungen vom März das Referendum eingereicht worden ist.
Foto: Keystone
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«Ungeimpfte werden diskriminiert, es kommt zu einer Spaltung der Gesellschaft.»

Der Begriff der Diskriminierung ist heikel. Denn anders als etwa die Hautfarbe lässt sich der Grund für eventuelle Nachteile extrem einfach ändern – und es braucht dazu nicht mal eine Impfung: Mit einem Test gibt es ebenfalls ein Zertifikat. Ausserdem braucht es für die Befriedigung der Grundbedürfnisse – der Zugang zu Gütern des täglichen Bedarfs, der öffentliche Verkehr – kein Zertifikat. Ein Besuch im Restaurant oder im Kino sind hingegen kein Grundrecht.

Was die Spaltung der Gesellschaft betrifft: Man darf wohl mit Fug und Recht behaupten, dass die Gesellschaft durch die Pandemie gespalten ist. Verschärft das Zertifikat das noch? Ja, auf beiden Seiten. Denn auch bei Massnahmenbefürwortern schwindet das Verständnis für jene, welche in der Krise nur die eigenen Einschränkungen in den Fokus stellen und keine Augen für die gesamtgesellschaftlichen Folgen haben.

Covid-Gesetz: Darüber stimmen wir ab

Es ist am 28. November bereits das zweite Mal, dass die Stimmbevölkerung über das Covid-Gesetz entscheidet. Die Änderungen gegenüber März 2021, um die es diesmal geht, betreffen vorab das Covid-Zertifikat. Gerade dieses ist den Gegnern ein Dorn im Auge.

Es geht aber noch um einiges mehr. So wurden auch die Hilfsmassnahmen für von der Krise besonders Betroffene ausgeweitet. Die Härtefallgelder wurden aufgestockt, der Kreis der Selbständigen, die Erwerbsersatz erhalten, wurde erweitert. Zudem hat das Parlament eine Gesetzesgrundlage geschaffen, um Veranstaltern oder freischaffenden Künstlern unter die Arme zu greifen.

«Es steht sehr viel auf dem Spiel»: Gesundheitsminister Alain Berset warnt vor einem Nein zum Covid-Gesetz.
Keystone

Es ist am 28. November bereits das zweite Mal, dass die Stimmbevölkerung über das Covid-Gesetz entscheidet. Die Änderungen gegenüber März 2021, um die es diesmal geht, betreffen vorab das Covid-Zertifikat. Gerade dieses ist den Gegnern ein Dorn im Auge.

Es geht aber noch um einiges mehr. So wurden auch die Hilfsmassnahmen für von der Krise besonders Betroffene ausgeweitet. Die Härtefallgelder wurden aufgestockt, der Kreis der Selbständigen, die Erwerbsersatz erhalten, wurde erweitert. Zudem hat das Parlament eine Gesetzesgrundlage geschaffen, um Veranstaltern oder freischaffenden Künstlern unter die Arme zu greifen.

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«Ein Ja führt einen staatlichen Covid-Pass ein, womit ein indirekter Impfzwang entsteht.»

Das ist falsch. Neu eingeführt wird nichts – das Covid-Gesetz ist längst in Kraft. Auch bei einem Ja dürfte das Zertifikat nicht endlos weiter gebraucht werden, egal wie die Corona-Lage aussieht, denn das System ist auf Ende 2022 befristet. Eine Verlängerung ist natürlich möglich. Aber dann müsste das Parlament erneut ein dringliches Bundesgesetz erlassen, das erneut dem Referendum unterstehen würde.

Zudem wird niemand zur Impfung gezwungen. Das Ziel des Gesetzes ist nicht, alle zum Stich zu bewegen. Sondern Regeln zu definieren, mit denen eine gewisse Rückkehr zur Normalität möglich ist und so die Wirtschaft nicht unnötig belastet wird.

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«Bei einem Ja bleibt das Covid-Gesetz bis ins Jahr 2031 gültig»

Einzelne Bestimmungen des Covid-Gesetzes haben tatsächlich ein Ablaufdatum von Ende 2031. Allerdings nicht jene, in denen es um die Corona-Schutzmassnahmen geht. So ist laut Bundeskanzlei darunter zum Beispiel eine Regelung, um die Anzahl Konkurse reduzieren zu können. Beim Zertifikatssystem endet die Gültigkeitsdauer Ende 2022.

«Es wird eine elektronische Massen-Überwachung der Bevölkerung eingeführt!»

Ein staatliches Zertifikat auf dem Smartphone, das Auskunft über gesundheitliche Daten gibt – das macht vielen wegen des Datenschutzes grosse Sorgen. Allerdings werden die Daten selbst ausschliesslich auf dem Smartphone gespeichert, beim Check werden keine Personendaten übermittelt. Zudem hat der Bundesrat auf Druck des Eidgenössischen Datenschützers das Covid-Zertifikat light eingeführt, mit dem sich ein QR-Code ganz ohne Gesundheitsdaten generieren lässt.

Sorgen macht auch das Contact Tracing, das im Covid-Gesetz denn auch weiterentwickelt wird. Grundlage für die Verfolgung der Ansteckungsketten an sich ist allerdings wiederum das Epidemiengesetz. Laut Bundesamt für Gesundheit enthält das Covid-Gesetz keine Grundlage zum Betrieb einer Contact-Tracing-Datenbank. Wie Datenschützer Andreas Thür zum «Tages-Anzeiger» sagt, ist klar, dass das Contact Tracing nur bei einem konkreten Corona-Ausbruch gebraucht werden darf. Dafür brauche es aber keine Massen-Überwachung – die «klar gesetzeswidrig» sei.

«Fällt das aktuelle Gesetz weg, ist der Weg frei für ein neues, in dem man auch einen Impfzwang verankern kann.»

Jemanden zur Impfung zu zwingen ist in der Schweiz nicht möglich. So hat es das Schweizer Volk im Epidemiengesetz festgelegt. Möglich ist – unter bestimmten Umständen und für einzelne Gruppen – ein Impfobligatorium. Um dieses auszuweiten, müsste man nicht das Covid-Gesetz, sondern eben das Epidemiengesetz ändern. Angesichts des Widerstands, welcher der geringste Druck auf den Impfentscheid jetzt schon auslöst, fände eine solche Änderung niemals politische Mehrheiten. Und selbst wenn: Das letzte Wort hätte das Volk.

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