Hohe Strompreise für Firmen
Bundesrat lässt Unternehmen zappeln

Jahrelang profitierten Firmen im Markt von billigem Strom, während Kleinbetriebe und Haushalte ihre Elektrizität vom örtlichen EW zu höheren Preisen beziehen mussten. Jetzt hat der Wind gedreht – auch Grossfirmen wollen in die Grundversorgung, doch der Bundesrat zögert.
Publiziert: 02.11.2022 um 09:30 Uhr
Ruedi Studer und Pascal Tischhauser

Zahlreiche Unternehmen schlagen wegen der massiv steigenden Strompreise Alarm. Nachdem sie jahrelang auf dem freien Markt von günstigen Elektrizitätskosten profitiert haben, folgt nun das böse Erwachen: Jetzt wird es teuer! Betroffene Firmen sollen deshalb in den sicheren Schoss der Grundversorgung zurückkehren dürfen, fordert der Gewerbeverband.

SVP-Wirtschaftsminister Guy Parmelin (62) zeigte sich offen für das Anliegen des Gewerbes und liess eine Arbeitsgruppe das Anliegen prüfen. Auch Vorschläge zur Entlastung von Haushalten wurden diskutiert. Recherchen zeigen nun aber, dass in einem Grundlagenpapier über ein Dutzend Massnahmen analysiert wurden. Einiges davon sei aber schon an der letzten Bundesratssitzung vor einer Woche verworfen worden, wird kolportiert.

So scheint sich die Ansicht in der Regierung durchzusetzen, bei privaten Haushalten herrsche kein Handlungsbedarf. Einerseits, weil die Energiepreise teils wieder nachlassen. Andererseits, weil der Bundesrat auf eine gewisse Lohndynamik – also Lohnerhöhungen – in der Wirtschaft hofft.

Jahrelang gab es für Grossfirmen billigen Strom.
Foto: TOTO MARTI
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Weniger Firmen betroffen als befürchtet?

Einzig eine allfällige Hilfe für existenzbedrohte Unternehmen solle vertieft weiterverfolgt werden. Das Bundesamt für Energie musste im Vorfeld abklären, wie viele Unternehmen überhaupt auf dem freien Markt Strom besorgen und wie viele von diesen nun tatsächlich Probleme haben.

Das Resultat: Rund 34'000 Unternehmen beziehen ihren Strom am Markt. Allerdings befinden sich viele von ihnen noch in länger laufenden Verträgen mit tieferen Strompreisen. Offenbar sollen derzeit nur wenige Tausend von massiven Preiserhöhungen betroffen sein. Die Rede ist von gut zehn Prozent der Firmen im freien Markt.

Wie Parmelins Wirtschaftsdepartement bereits klargemacht hat, soll die Rückkehr in die Grundversorgung nur unter der Bedingung möglich sein, dass nicht die anderen Kunden in der Grundversorgung leiden, also Kleinunternehmen und Privathaushalte. Zudem sollen sich die Rückkehrer über mehrere Jahre binden müssen. Und sie sollen einen Aufschlag zu bezahlen haben, um quasi die Mehrkosten für die Grundversorger nach und nach abzuzahlen.

Lässt der Bundesrat die Finger davon?

Es ist aber gut möglich, dass der Bundesrat diesen Mittwoch noch keinen Entscheid zur Regelung der Rückkehr fasst. Laut Blick-Recherchen ist es gar fraglich, ob die Landesregierung die Thematik wirklich weiterverfolgt. Bei involvierten Kreisen tönt es eher so, dass das Problem bei den Firmen gar nicht so gross sei wie befürchtet.

Zu dieser Einsicht gelange der Bundesrat auch, weil er die Firmen und Kantone in der Pflicht sieht. So hofft er, dass auf dem freien Markt mit längeren Verträgen auch tiefere Strompreise möglich werden.

Zudem sind viele Stromunternehmen im Besitz der Kantone und Gemeinden. Diese sollen ihre Verantwortung nicht einfach an den Bund abtreten können. Bis jetzt habe im Bundesrat jedenfalls keine Massnahme eine Mehrheit gefunden, sagen verschiedene Quellen.

Bregy regt Härtefallregelung an

Wenn überhaupt, könnte vielleicht noch eine Art Härtefallregelung zum Thema werden, falls einem Unternehmen wegen der Strompreislast tatsächlich das Aus droht. Eine solche Lösung regt Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy (44) an.

«Sofern ein Unternehmen wegen des stark angestiegenen Strompreises in akute Not gerät und von den Banken keinen Kredit erhält, sollte eine Unterstützung mit Härtefallhilfen, wie wir sie von Corona her kennen, geprüft werden», sagt er zu Blick. Konkurse könnten damit vermieden werden. «Ich höre jedoch von den Banken, dass sie in den allermeisten Fällen den Firmen die Hand reichen können, beispielsweise indem sie zwischenzeitlich die Kreditlimiten erhöhen.»

Ähnliches dürfte man auch im Bundesrat gehört haben. An der Sitzung vom Mittwoch wird sich die Regierung zwar mit der Energie- und Strompreisthematik befassen, mit rascher Hilfe sollten strompreisgeplagte Firmen aber nicht rechnen.

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