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Härtefall-Klausel im Visier
SVP nimmt neuen Anlauf bei Auschaffungs-Zank

Seit Jahren sorgt die Umsetzung der Ausschaffungs-Initiative für Zoff. Denn viele Kriminelle können als Härtefall bleiben. Nun will die SVP von unten her Druck machen.
Publiziert: 29.08.2019 um 19:32 Uhr
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Aktualisiert: 30.08.2019 um 11:36 Uhr
Lea Hartmann

Will man einen SVPler in Rage sehen, so reicht ein einziges Stichwort: Härtefall-Klausel. Seit das Stimmvolk 2010 die Ausschaffungs-Initiative angenommen hat, tobt ein Dauer-Knatsch über deren Umsetzung. Die SVP wehrt sich gegen die Notbremse, die das Parlament ins Gesetz eingebaut hat. Sie sieht vor, dass in Ausnahmefällen von der automatischen Ausschaffung krimineller Ausländer abgesehen werden kann, wenn ein Landesverweis einen schweren Härtefall für die betroffene Person bedeuten würde. Aus Sicht der SVP wird diese Härtefall-Klausel von Strafverfolgern und Gerichten viel zu grosszügig eingesetzt.

Mehrere Kantone wollen aktiv werden

Nun versuchen die Rechten, von unten her Druck aufzubauen. Im Kanton Zürich haben drei SVP-Kantonsräte diese Woche einen Antrag für eine Standesinitiative eingereicht, welche die Abschaffung der Klausel fordert. Die Standesinitiative ist ein Mittel für Kantone, dem Parlament eine Verfassungs- oder Gesetzesänderung vorzuschlagen.

Und die Zürcher SVP bleibt nicht allein. Basel-Stadt zog nach und reichte im Basler Grossrat gestern einen gleichlautenden Antrag ein. SVP-Vertreter aus zahlreichen weiteren Kantonen würden das Vorgehen begrüssen und prüften ebenfalls Standesinitiativen, sagt Martin Hübscher (50), Präsident der Zürcher SVP-Fraktion. Darunter auch Kantone, in denen das Anliegen aufgrund bürgerlicher Mehrheiten nicht gänzlich aussichtslos ist.

Die Ausschaffungs-Initiativeist 2010 vom Stimmvolk angenommen worden.
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So zum Beispiel im Aargau. «Wir überlegen uns, auch im Kanton Aargau einen Antrag für eine Standesinitiative einzureichen», sagt SVP-Grossrätin Martina Bircher (35). «Denn es sind die Kantone und Gemeinden, die ausbaden müssen, was Bern mit der Härtefall-Klausel angerichtet hat.» Schliesslich kämen sie für die Kosten für Sozialhilfe und Strafvollzug auf.

Härtefälle sollen Ausnahme bleiben

Munition für ihren Kampf für eine schärfere Umsetzung des Ausschaffungsgesetzes liefert den SVP-Vertretern die Statistik. 2018 hat das Gericht höchstens in 71 Prozent der Fälle, bei denen laut Gesetz ein Landesverweis vorgesehen ist, auch einen ausgesprochen. Eine genauere Zahl kann der Bund nicht liefern – unter anderem, weil die Statistik nicht genau erfasst, warum jemand das Land verlassen muss. Statt einem Härtefall kann zum Beispiel auch das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU ein Grund sein. 

Im Parlament sind Vorstösse hängig, die fordern, dass der Bund die Statistik künftig genauer führt. Und dass er Massnahmen trifft, damit Härtefälle wirklich die Ausnahme bleiben. Sie stammen nicht nur von der SVP, sondern auch von Vertretern von FDP und CVP.

Sogar Linke sehen dringenden Handlungsbedarf. Der Zürcher SP-Ständerat und Jurist Daniel Jositsch (54) warf den Gerichten in der NZZ vor, mit der aktuellen Praxis das Gesetz zu unterlaufen. Sollte sie diese nicht rasch ändern, besteht aus seiner Sicht die Gefahr, dass die Extrem-Forderung der SVP nach einer Abschaffung der Härtefall-Regelung durchkommt.

Bundesrat will abwarten

Der Bundesrat bittet derweil um Geduld. Es sei heute noch zu früh, um von den Zahlen abzuleiten, dass das Gesetz nicht greift. Denn die neuen Gesetzesbestimmungen sind erst seit 2016 in Kraft – und betreffen nur Taten, die nach diesem Zeitpunkt begangen wurden. Das bedeutet, dass in der Statistik noch viele Fälle zu finden sind, die gar nicht nach neuem, strengerem Recht beurteilt wurden.

Doch die SVP will nicht warten. Sollte man per kantonalem Druck nicht zum Ziel kommen, droht der Zürcher SVP-Fraktionschef Hübscher – nach Ausschaffungs- und Durchsetzungsinitiative – bereits jetzt mit einer dritten Volksinitiative zum Thema. «Die Standesinitiative wäre das einfachste Mittel, um zu erreichen, dass die Ausschaffungsinitiative endlich richtig umgesetzt wird. Sonst werden wir wieder einen Abstimmungskampf führen», kündigt er an.

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