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GSoA-Sekretär Lewin Lempert (24) wird sogar von Gegnern respektiert
Er brachte den Kampfjet fast zum Absturz

Nur hauchdünn stimmt die Schweiz für neue Kampfjets. Bundesrätin Viola Amherd und die Armee sind an einer epochalen Niederlage vorbeigeschlittert. Dafür verantwortlich ist vor allem einer: GSoA-Sekretär Lewin Lempert.
Publiziert: 28.09.2020 um 23:13 Uhr
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Aktualisiert: 03.10.2020 um 21:42 Uhr
Daniel Ballmer

Auch am Tag danach kann es Lewin Lempert (24) kaum fassen. «Ist das wirklich passiert?», fragt sich der Sekretär der Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA) am Montagmorgen beim Aufstehen. Gerade mal 50,1 Prozent der Schweizer waren für neue Kampfjets – ein Zufallsmehr.

Für die GSoA und ihre Verbündeten ist das ein Riesenerfolg. Für Verteidigungsministerin Viola Amherd (58) und die bürgerliche Phalanx ist es mehr als nur ein Denkzettel. Gerade auch, weil sie die Abstimmung zum Sein oder Nichtsein der Armee hochstilisiert hatten.

«Ein sehr ernst zu nehmender Gegner»

GSoA-Sekretär Lempert war prägende Figur im Kampf gegen die Kampfjets. Zusammen mit den GSoA-Sekretärinnen Judith Schmid und Laura Riget hat er über Monate unermüdlich geweibelt. Um ein Haar hätten sie die Flieger abgeschossen – und so die Armee ins Wanken gebracht.

Um ein Haar hätte das Referendum gegen neue Kampfjets für 6 Milliarden Erfolg gehabt. Knapp die Hälfte der Stimmenden war dagegen.
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Anerkennung kommt selbst vom politischen Gegner. «Lempert ist ein gewiefter Taktiker», findet FDP-Ständerat und Pro-Kampagnenleiter Thierry Burkart (45). Im Abstimmungskampf habe sich die GSoA bewusst im Hintergrund gehalten, um niemanden abzuschrecken. Gleichzeitig seien «Nebelpetarden» gezündet worden, indem die Gegner leichte Kampfflugzeuge oder Drohnen als Alternative herumreichten oder vor höheren Kosten warnten. Das habe viele verunsichert. In der Kampagnenführung zähle die GSoA denn auch zu den professionellsten Organisationen im Land. «Und Lempert prägt sie», sagt Burkart. «Ein linker Ideologe, aber ein sehr ernst zu nehmender Gegner.»

Schon als Kind geprägt

Lempert erklärt seinen inneren Antrieb folgendermassen: «Es klingt kitschig. Aber es geht mir einfach um mehr Frieden und weniger Krieg auf dieser Welt.» Hinzu komme ein starkes Gerechtigkeitsgefühl.

Aufgewachsen ist Lempert in Meiringen BE, nahe dem dortigen Militärflugplatz. «Dieser prägt das Tal extrem», findet er. Als Kinder hätten sie auf der Flugpiste geturnt.

Auch in der Familie war der Krieg prägendes Thema. Der Grossvater war nach dem Zweiten Weltkrieg als Deutscher aus Schlesien vertrieben worden. Das Gebiet gehört nun zu Polen. Die Grossmutter war im völlig zerbombten Köln aufgewachsen. «Wegen solcher Geschichten habe ich als Kind schon früh erfahren, was Krieg anrichten kann», sagt Lempert. «Das ist bestimmt ein Grund für mein heutiges Engagement.»

«Bei der Armee braucht es ein massives Umdenken»

Das hauchdünne Ja zu neuen Kampfjets zeigt für Lempert, dass das Verteidigungskonzept der letzten 30 Jahre in Frage gestellt sei. Fast die Hälfte der Stimmenden finde, «dass für unsere Sicherheit 30 oder 40 Kampfjets nichts bringen». Für Lempert ist klar: «Bei der Armee braucht es ein massives Umdenken.» Das ständige Aufrüsten müsse ein Ende haben.

Eigentliches Ziel der GSoA aber bleibt die Abschaffung der Armee. Im November 1989 stimmten satte 35,6 Prozent für eine entsprechende Initiative der Gruppe. Ein Erdbeben für die Schweiz. Der Kalte Krieg war damals erst am Auftauen, Lempert noch gar nicht auf der Welt.

Der neuste GSoA-Erfolg ist vergleichbar. Der Verein ist im Hoch. Allein am Sonntag wurden 300 neue Mitglieder hinzugewonnen. Die GSoA hat knapp 25'000 Mitglieder und Sympathisanten.

«Manchmal sagt mir meine Partnerin, ich solle weniger arbeiten»

Vom Berner Oberland nach Zürich umgezogen, beginnt Lempert sich mit 16 Jahren politisch zu engagieren, wird Vize der damaligen Juso-Präsidentin und heutigen SP-Nationalrätin Tamara Funiciello (30). Mit 18 Jahren startet er als GSoA-Sekretär und wird zur prägenden Figur. Er studiert Religionswissenschaften und arbeitet seit bald zwei Jahren als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Zürcher Justizdirektion von Parteikollegin Jacqueline Fehr (57).

Erst vor kurzem ist Lempert nach Binningen BL bei Basel gezogen – der Liebe wegen. Auch das innerhalb der Partei. «Manchmal sagt mir meine Partnerin schon, ich solle etwas weniger arbeiten», räumt Lempert ein. Die letzten Monate seien streng gewesen.

Keine Zeit zum Verschnaufen

Doch Zeit zum Verschnaufen bleibt nicht. Schon in zwei Monaten wird über die Kriegsgeschäfte-Initiative von GSoA und Jungen Grünen abgestimmt. Sie verlangt, dass Nationalbank und Vorsorgeeinrichtungen nicht in Rüstungskonzerne investieren dürfen.

«Will die Schweiz etwas machen gegen die Kriege weltweit, ist der Finanzplatz klar der stärkste Hebel dafür», so Lempert. Schweizer Banken machten Milliarden mit Waffengeschäften. Er ist sofort wieder in seinem Element. Dennoch will er Ende Jahr als GSoA-Sekretär aufhören. Sechs Jahre sind genug. Die Gegner werden froh sein.

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