Grünen-Glättli will Zweitwohnungen als Asyl-Unterkunft
Flüchtlinge sollen kalte Betten wärmen

Geht es nach Grünen-Fraktionschef Balthasar Glättli, soll der Bund das Potenzial von Zweitwohnungen als Asylunterkünfte unter die Lupe nehmen.
Publiziert: 21.09.2015 um 14:49 Uhr
|
Aktualisiert: 01.10.2018 um 03:20 Uhr
Von Ruedi Studer

Die steigende Zahl von Asylsuchenden beflügelt die Fantasie von Politikern. Eine besondere Idee kommt dabei von Grünen-Fraktionschef Balthasar Glättli (ZH). Flüchtlinge sollen kalte Betten wärmen! «Damit könnten wir bei unerwartet grossen Flüchtlingszahlen zwei Fliegen auf einen Streich schlagen! Die Wohnungen werden temporär genutzt statt leer zu stehen und die Gemeinden werden bei der Unterkunftssuche entlastet », sagt Glättli zu Blick.ch.

Glättli: «Vorausschauend evaluieren»

Zu seiner Idee muss nun der Bundesrat Stellung nehmen. Von SP-Bundespräsidentin und Justizministerin Simonetta Sommaruga will Glättli in der heutigen Fragestunde des Nationalrats nämlich wissen, welche Rahmenbedingungen für die temporäre Nutzung von Zweitwohnungen zur Unterbringung von Flüchtlingen bestehen. Und welches Potenzial die Landesregierung in dieser Idee sieht.

Glättli ist sich zwar bewusst, dass seine Idee etwas schräg in der Landschaft steht, doch er macht klar: «Für den Fall, dass in kurzer Zeit viel mehr Flüchtlinge kommen, müssen wir vorausschauend evaluieren, welche Möglichkeiten für ihre Unterbringung bestehen – so auch im Bereich der Zweitwohnungen. Auch wenn es diese im Moment nicht braucht.»

Im Notfall sollen aber nur dort Zweitwohnungen genutzt werden, wo die Bevölkerung damit einverstanden ist. «Einquartiert würden auch eher Flüchtlinge, die bereits seit einiger Zeit hier sind, da es für diese eine weniger intensive Betreuung braucht», so Glättli.

Hotels als weitere Option

Als mögliche weitere Option sieht Glättli die Unterbringung in einzelnen Hotels und Tourismusunterkünfte. «Angesichts der Unterbelegung aufgrund der Frankenstärke könnte das eine Win-win-Situation ergeben. Wobei natürlich darauf geachtet werden muss, dass der Staat einfach die Selbstkosten deckt und nicht zu teure Preise zahlt.»

Glättli sieht in alternativen Unterbringungsmöglichkeiten jedenfalls viel Potenzial. Er erinnert an einen früheren Bericht des damaligen Direktors des Bundesamts für Flüchtlinge, Peter Arbenz. Dieser untersuchte in den neunziger Jahren die Unterbringungskapazitäten der Schweiz in ausserordentlichen Lagen – dabei wurden etwa Zweitwohnungen, Kasernen, leerstehende Gebäude oder ungenützte Hotels in Betracht gezogen. Für Notstandsituationen wären so etwa eine halbe Million Plätze zur Verfügung gestanden. «Heute dürfte das Potenzial ähnlich gross oder sogar noch grösser sein», glaubt Glättli.

Arbenz: «Nicht in Aktivismus verfallen»

«Es ist zu früh für die Überarbeitung einer solchen Studie. Die Schweiz hat die Lage im Griff», sagt Arbenz zur Glättli-Idee. Der Migrationsdruck auf die Schweiz werde in den nächsten Wochen zwar noch etwas zunehmen, so Arbenz. «Doch von einer ausserordentlichen Lage wie in Ungarn, Österreich oder Deutschland sind wir auch dann weit entfernt.»

Zwar sei es richtig, dass Bund und Kantone vorsorglich weitere Unterkunftsmöglichkeiten rekognoszieren und bereitstellen würden, so Arbenz. Sein Appell: «Wir müssen Ruhe bewahren und frühzeitig planen. Aber es gibt noch lange keinen Grund, in Aktivismus zu verfallen.»

Fehler gefunden? Jetzt melden