Grüne Aline Trede fordert Job-Sharing in der Landesregierung
14 halbe Bundesräte

Das Stadtberner Parlament will, dass ein Regierungsamt auch in Teilzeit ausgeübt werden kann. Die grüne Nationalrätin Aline Trede will noch mehr – auch der Bundesrat soll Jobsharing ermöglichen.
Publiziert: 20.10.2018 um 01:22 Uhr
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Aktualisiert: 22.10.2018 um 07:32 Uhr
Sermîn Faki

Bern tickt anders. Meist schaut die Restschweiz mit Befremden auf die Bundesstadt – die Gemächlichkeit, die Aare-Besessenheit, der seltsame Support für das alternative Kultur- und Krawallzentrum Reitschule.

Das Unverständnis wird sicher nicht kleiner mit dem Entscheid, den das Stadtberner Parlament am späten Donnerstagabend gefällt hat. Mit 42 zu 7 Stimmen haben die Politiker beschlossen, dass sie sich künftig in Teilzeit regieren lassen wollen. Dagegen war nur die SVP, selbst der Freisinn stimmte fast geschlossen für das Regierungs-Jobsharing.

Das soll auch im Bundesrat möglich sein

Konkret wollen sie, dass die Gemeinderäte (wie die Berner Exekutive heisst) sich ihr Amt künftig teilen können. Heisst: Kandidieren, regieren und wieder abtreten – alles im Team. Und am liebsten wäre es ihnen schon bei den nächsten Wahl in zwei Jahren. In jeden Fall wäre es schweizweit einzigartig und eine kleine Revolution.

Noch sind sie zu fünft. Doch geht es nach dem Parlament, soll die Berner Stadtregierung bald aus mehr Leuten bestehen. Jobsharing heisst das Zauberwort.
Foto: Keystone
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Die Stadtberner Grünen-Nationalrätin Aline Trede (35) jedoch will es nicht dabei belassen. Sie findet, Jobsharing müsse mehr gefördert werden, und wird in der Wintersession fordern, das sogenannte Exekutiv-Sharing auch im Bundesrat einzuführen. «Jobsharing ist in der Politik möglich, auch auf Bundesebene. Darum werde ich einen Vorstoss einreichen, dass der Bundesrat das ermöglichen soll.»

Familienfreundlich und attraktiv

In den Augen der Befürworter hat Jobsharing in der Politik viele Vorteile: Exekutivämter würden damit attraktiver – etwa für Eltern, Menschen mit Behinderungen und andere, die nicht Vollzeit arbeiten wollen.

Von der Hand weisen lässt sich dieses Argument nicht. Erst gestern verzichtete der Solothurner Ständerat Pirmin Bischof (59) auf die Kandidatur als Bundesrat – was ihm nicht leichtgefallen ist, wie er selbst sagt. Doch er begründete den Entscheid damit, «dass meine Aufgabe als (hoffentlich) guter Vater von zwei kleinen Töchtern sich nur schwer mit der zeitlich stark fremdbestimmten Tätigkeit als Bundesrat verträgt». Jobsharing würde in solchen Situationen helfen.

Neben der Familienfreundlichkeit weist Trede auf weitere Vorteile hin. «Jobsharing würde es vielen kleinen Gemeinden erleichtern, Exekutivpersonal zu finden», sagt sie. «Es würde die Regierungen verjüngen und so auch neue Ideen in die Politik bringen.»

Wer trägt die Verantwortung?

Nur, Jobsharing in politischen Ämtern wirft auch Fragen auf. Ein Zweierteam hat im Wahlkampf Vorteile – zwei können doppelt so viele Termine wahrnehmen und haben doppelt so viel Geld. Ist da ein fairer Wahlkampf gewährleistet?

Selbst wenn das geregelt werden könnte – einmal im Amt, würden die Probleme für die Teilzeit-Regierenden wohl erst anfangen. Was, wenn einer aus dem Team zurücktreten möchte, der andere nicht? Was, wenn einer im Amt verstirbt? Und vor allem: Was, wenn die beiden sich verkrachen oder wenn sie in einem bestimmten Geschäft unterschiedliche Meinungen haben – werfen sie dann eine Münze? Und wer ist verantwortlich, wenn Fehler passieren?

«Die vermeintlichen Probleme lassen sich einfach lösen», sagt Trede dazu. Man müsse klare Verantwortlichkeiten definieren, erklärt sie an einem Beispiel: «In der Stadt Bern ist die Sicherheitsdirektion für Polizei, Energie, Umwelt und Wirtschaft zuständig. Das könnte man gut thematisch aufteilen.»

Bundesrat lehnt das Anliegen ab

Auch die sieben Departemente des Bundesrats sind so umfangreich, dass man sie aufteilen könnte. Der Bundesrat will davon allerdings nichts wissen: Eine entsprechende Anfrage der grünen Aargauer Nationalrätin Irène Kälin (31) beantwortete er ablehnend.

Die Bundesverfassung schreibe fest, dass der Bundesrat aus sieben Mitgliedern bestehe. Die Funktion sei daher von je einer Person wahrzunehmen. Daher habe er «weder die Kompetenz noch sehe er eine Veranlassung, mögliche Modelle von Exekutiv-Sharing zu evaluieren», so der Bundesrat.

Auch Briten diskutieren fifty-fifty

Fabienne Kinzelmann

Sechs Wochen, nachdem die Neuseeländerin Jacinda Ardern (38) im Juni ihr Baby zur Welt gebracht hatte, war sie zurück an ihrem Schreibtisch. Der befand sich allerdings nicht in irgend­einem Unternehmen, sondern im Regierungssitz in der Hauptstadt Wellington. Die Ministerpräsidentin des Landes war in ­ihrem Amt schliesslich wieder gefordert.

Eine Vollzeitverpflichtung, die sie zuvor sicher gut durchdacht hatte. Aber ­welche Wahl hatte sie auch? Während sich mittlerweile selbst CEOs Stellen teilen, gibt es für politisches Führungspersonal in der Regel nichts, was die Vereinbarkeit von Familie und Job erleichtern könnte: keine Teilzeitmodelle, kein Jobsharing.

Worüber die Schweiz jetzt diskutiert, wäre weltweit ein Novum. Eine geteilte Kanzlerschaft oder ein geteiltes Ministeramt konnte sich bislang wohl niemand vorstellen. So wurde in Wales bei der Parlamentswahl 2015 sogar zwei Mitgliedern der Grünen verweigert, ­gemeinsam für einen Sitz zu kandidieren. Denn in demokratischen Systemen ist das Wahlrecht in der Regel auf einen Kandidaten ausgerichtet.

Das soll sich bald ändern, wenn es nach der Labour-Abgeordneten Lisa Nandy (39) geht. Die Engländerin regte bei ihrer Partei an, die Grünen zu kopieren, die traditionell mit einer Doppelspitze zu Wahlen antreten. Das würde arbeitenden Müttern den Zugang ­erleichtern. Immerhin: Im Nachbarland Wales wird das Job­sharing für Parlamentsmitglieder seit diesem Sommer wieder ­diskutiert.

Die neuseeländische Ministerpräsidentin Jacinda Ardern musste nur sechs Wochen nach der Geburt ihres Sohnes wieder arbeiten.
Die neuseeländische Ministerpräsidentin Jacinda Ardern musste nur sechs Wochen nach der Geburt ihres Sohnes wieder arbeiten.
AFP

Fabienne Kinzelmann

Sechs Wochen, nachdem die Neuseeländerin Jacinda Ardern (38) im Juni ihr Baby zur Welt gebracht hatte, war sie zurück an ihrem Schreibtisch. Der befand sich allerdings nicht in irgend­einem Unternehmen, sondern im Regierungssitz in der Hauptstadt Wellington. Die Ministerpräsidentin des Landes war in ­ihrem Amt schliesslich wieder gefordert.

Eine Vollzeitverpflichtung, die sie zuvor sicher gut durchdacht hatte. Aber ­welche Wahl hatte sie auch? Während sich mittlerweile selbst CEOs Stellen teilen, gibt es für politisches Führungspersonal in der Regel nichts, was die Vereinbarkeit von Familie und Job erleichtern könnte: keine Teilzeitmodelle, kein Jobsharing.

Worüber die Schweiz jetzt diskutiert, wäre weltweit ein Novum. Eine geteilte Kanzlerschaft oder ein geteiltes Ministeramt konnte sich bislang wohl niemand vorstellen. So wurde in Wales bei der Parlamentswahl 2015 sogar zwei Mitgliedern der Grünen verweigert, ­gemeinsam für einen Sitz zu kandidieren. Denn in demokratischen Systemen ist das Wahlrecht in der Regel auf einen Kandidaten ausgerichtet.

Das soll sich bald ändern, wenn es nach der Labour-Abgeordneten Lisa Nandy (39) geht. Die Engländerin regte bei ihrer Partei an, die Grünen zu kopieren, die traditionell mit einer Doppelspitze zu Wahlen antreten. Das würde arbeitenden Müttern den Zugang ­erleichtern. Immerhin: Im Nachbarland Wales wird das Job­sharing für Parlamentsmitglieder seit diesem Sommer wieder ­diskutiert.

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