Grenze neu festgelegt
Diese Hütte bleibt italienisch

Schweiz und Italien legen ihren Grenzstreit bei. Das Schmelzen der Gletscher führte bei Zermatt zu der Auseinandersetzung. Der Bundesrat muss den Kompromiss aber noch absegnen.
Publiziert: 01.01.2023 um 12:08 Uhr

Verhärtete Fronten im schmelzenden Eis: Auf der Testa Grigia, dem Graukopf, einem Felsbuckel auf 3479 Meter Höhe, stritten sich die Schweiz und Italien um eine Hütte. Der Klimawandel hat den dortigen Gletscher geschmolzen – und mit ihm die Frage befeuert, wo denn nun genau die Grenze verläuft. Seit 2018 führten die beiden Länder ihre Diskussionen über den möglichen Grenzverlauf. Denn wegen des Klimawandels stand die italienische Berghütte halb in der Schweiz.

Grund dafür ist die sogenannte Wasserscheide-Regel. Diese besagt, dass im Gebirge die Wasserscheide, also der Bergkamm, die Grenze bestimmt. Die Testa-Grigia-Hütte würde deshalb nun eigentlich heute zum grossen Teil in der Schweiz liegen. Dort, wo es keine natürliche Grenze gibt, markieren rund 7000 Grenzsteine die künstliche Grenzlinie. Diese ist einigermassen fix. Doch die natürlichen Grenzen verändern sich stetig, durch Felsstürze, Unwetter – oder eben den Klimawandel.

Schweiz erhält im Gegenzug auch Land

Der neue natürliche Grenzverlauf brachte auf einmal Probleme für den Hütten-Chef mit sich. Weil der Bergführerverband die Hütte umbauen wollte, war nicht klar, wo denn die Pläne für das Bauprojekt eingereicht werden sollten: in der Schweiz oder doch in Italien?

Der Klimawandel bringt Gletscher – wie den Theodulgletscher bei Zermatt – zum Schmelzen.
Foto: Keystone
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Wie nun die «SonntagsZeitung» berichtet, haben sich die beiden involvierten Länder geeinigt: Die Hütte bleibt italienisch. Die neu festgelegte Grenze folgt weitgehend den bisherigen Grenzsteinen. Nur dort, wo die Hütte und eine italienische Wetterstation steht, nimmt sie einen neuen Verlauf, der in den Verhandlungen festgelegt wurde. Die Schweiz erhält dafür als Gegenleistung ein paar Kilometer entfernt, ein Stück Land, das bisher zu Italien gehörte, und wo zwei Skilifte der Zermatter Bergbahnen hinführten.

Bundesrat entscheidet 2023

Um sich in der Grenzfrage zu einigen, trafen sich im November 2021 die Grenzkommissionen der beiden Länder zu einem mehrtägigen Austausch in Florenz. «Bei den Verhandlungen hat man gemeinsam eine Lösung skizziert», sagt Sandrine Klötzli vom Bundesamt für Landestopografie zur «SonntagsZeitung».

Nun müssen aber auch noch die zuständigen Behörden in der Schweiz und in Italien den Kompromiss der Grenzkommissionen genehmigen. Der entsprechende Bundesratsantrag wird frühestens 2023 erwartet.

Schweiz wächst

Vor über zwei Jahrzehnte zuvor ereignete sich an der schweizerisch-italienischen Grenze am Furggsattel oberhalb von Zermatt ein ähnlicher Fall: Mit dem Rückzug des Theodulgletschers im Jahr 2000 musste dort die Grenze korrigiert werden. Seither befindet sich die Sesselbahnstation auf Schweizer Gebiet.

Zumindest, wenn es um Gebietsgewinne geht, dürfte die Schweiz insgesamt vom Klimawandel profitieren: Die Gletscher befinden sich vorwiegend an den Nordhängen. Schmelzen sie, verschiebt sich die Wasserscheide Richtung Süden – die Fläche der Schweiz dehnt sich aus. Wie sehr die Schweiz aber dadurch ihr Gebiet vergrössern kann, könne man nicht genau ausweisen, sagte Alain Wicht, vom Bundesamt für Landestopografie zu Blick letztes Jahr. (sie)

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