Grabesstimmung im Bundeshaus
Der letzte Gang der Abgewählten

Für 31 Nationalräte kam letzten Sonntag der Hammer: Abwahl! Besonders bitter: Bis Ende November müssen sie immer noch ins Bundeshaus – und wie gewohnt funktionieren.
Publiziert: 23.10.2019 um 22:55 Uhr
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Aktualisiert: 29.06.2020 um 10:57 Uhr
Pascal Tischhauser

Die grüne Welle hat am Sonntag 31 Nationalräte aus ihrem Amt gefegt. Für viele kam die Abwahl überraschend. Ihr Mandat, das sie für vier, acht oder mehr Jahre ausgeübt haben, ist futsch. Und obendrein ist noch nicht Schluss: Denn die Abgewählten müssen bis Ende November an Kommissionssitzungen teilnehmen.

Vielen wird es schwerfallen, jetzt noch den Weg nach Bern auf sich zu nehmen und über Geschäfte zu debattieren, über die andere Parlamentarier entscheiden werden.

Wie ein Polit-Zombie muss sich der eine oder andere vorkommen: leer, als Bundespolitiker vom Volk wie ausgelöscht – und entsprechend abgelöscht. Aber anwesend.

Für den Walliser Thomas Egger war die Abwahl am Sonntag ein herber Schlag.
Foto: Keyston
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Liebes-Aus

Tatsächlich herrschte am Dienstag fast Grabesstimmung in der nationalrätlichen Verkehrskommission. Gleich acht ihrer Mitglieder sind in der neuen Legislatur ab Dezember nicht mehr dabei.

«Es ist, wie wenn eine innige Liebesbeziehung abrupt zu Ende geht», sagt der CVPler Thomas Egger (52, VS). Er habe sich mit viel Freude, Begeisterung und Herzblut in sein Nationalratsmandat reingehängt. Und jetzt dieser Hammer!

Die meisten der Abgewählten, mit denen BLICK telefoniert, geben sich gefasst. «Es gehört zu unserem System, dass es nach den Wahlen weitergeht und die Parlamentsarbeit nicht einfach zwei Monate lang gestoppt wird», sagt Bernhard Guhl (47, AG) von der BDP, die mehr als halbiert wurde. Auch die Fraktionschefin Rosmarie Quadranti (62, ZH) schaffte die Wiederwahl nicht mehr. Und doch sind einige in diesen Tagen nicht mehr erreichbar. Mögen nicht einmal an den Abschiedsessen mit den Kommissionskollegen teilnehmen.

Nicht mehr gefragt

Ein Grund dafür, dass es Bernhard Guhl mittlerweile besser geht, mag sein, dass sein Arbeitgeber ihm bereits zugesichert hat, er könne sein Pensum aufstocken und neue Aufgaben übernehmen. Beruflich geht es für den Aargauer somit weiter.

«Aber es ist ja nicht nur die Parlamentsarbeit, die fehlt», sagt er. «Die Spiele für den FC Nationalrat werde ich sehr vermissen.» Zudem gebe es bestimmte Einladungen, auf die er sich jeweils sehr gefreut habe. «An den meisten Anlässen werde ich wohl nicht mehr teilnehmen können. Das ist schade.» Er wolle aber nicht zu jenen gehören, die nicht loslassen können.

Bei den Verkehrspolitikern sass am Dienstag gleich ein zusätzlicher Abgewählter im Kommissionszimmer: Da die wiedergewählte Sandra Sollberger (45, SVP, BL) verhindert war, sprang Felix Müri (61, SVP) für sie ein.

Haltung hat sich überlebt

«Abhaken», sagt Müri. Seine berufliche Zukunft ist ungewiss. Aber er mag den Kopf nicht hängen lassen. Dem umgänglichen Luzerner ist es auch wichtig, sich nach 16 Jahren im Parlament von seinen Ratskollegen zu verabschieden. «Ich kann mich an einen Parteifreund erinnern, der nahm nach seiner Abwahl an keiner Sitzung mehr teil. Ich erfülle meine Pflicht.» Er komme darum bis Ende Jahr den Verpflichtungen in seiner Partei nach. «Doch dann ist Schluss!»

Kommende Woche wird Müri als Vizepräsident der Umweltkommission noch das CO2-Gesetz beraten. Dort wird er auf einen anderen Abgewählten treffen, den Luzerner Peter Schilliger (60, FDP). Die beiden als Bremser geltenden Müri und Schilliger werden das CO2-Gesetz in der Kommission noch mitprägen. Nach dem grünen Tsunami hat sich ihre Haltung zum Klimaschutz im Nationalrat aber überlebt.

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