Grünen-Prelicz und SVP-Imark streiten über Vorschlag von Martullo-Blocher
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Neues Schweizer AKW?Grünen-Prelicz und SVP-Imark streiten über Vorschlag von Martullo-Blocher

AKW-Forderung von Martullo-Blocher stösst in der Politik auf breiten Widerstand
«Schnapsidee», «haarsträubend», «absurd»

SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher hat in ein Wespennest gestochen. Sie sieht die Schweiz in eine Stromlücke rasseln. Die Forderung nach einem neuen AKW stösst aber auf breite Ablehnung.
Publiziert: 22.07.2021 um 16:45 Uhr
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Aktualisiert: 22.07.2021 um 22:22 Uhr
Daniel Ballmer

Für die Grünen ist die Forderung nach einem neuen AKW «absurd». GLP-Nationalrat Martin Bäumle (57) spricht von einer «Schnapsidee». Und für SP-Nationalrätin Gabriela Suter (48) ist die Idee «haarsträubend».

SVP-Nationalrätin und Unternehmerin Magdalena Martullo-Blocher (51) hat mächtig Staub aufgewirbelt. Sie will nicht nur, dass die bestehenden Atomkraftwerke mit Bewilligung des Bundes noch ganz lange weiterlaufen. Sie fordert auch, aus langfristiger Sicht, den Bau eines neuen AKW in der Schweiz! «Wir können es uns nicht erlauben, die Kernkraft abzustellen und ein Drittel unserer Stromproduktion zu verlieren», sagt sie im Interview mit Blick.

Martullo-Blocher ist überzeugt, dass eine Stromlücke droht. Mit Fotovoltaik, Wasserkraft oder dem Stromimport aus der EU sei diese nicht zu schliessen. «Wir müssen uns selbst organisieren.» Es sei an Bundesrätin Simonetta Sommaruga (61), «dies nun an die Hand zu nehmen». Wann die verbliebenen vier AKW in der Schweiz im Rahmen des Ausstiegs aus der Atomenergie abgeschaltet werden, ist offen. Der Bund lancierte Gespräche mit den Betreibern über deren Pläne für eine mögliche längere Laufzeit.

Magdalena Martullo-Blocher fordert im Blick, die bestehenden AKW länger laufen zu lassen – und später ein neues zu bauen.
Foto: Thomas Meier
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«Wir haben Glück, haben wir nicht auf die SVP gehört»

Teilweise gibt Mitte-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt (45) Ratskollegin Martullo-Blocher recht: «Eine Strommangellage ist ein grosses Risiko.» Baue die Schweiz die erneuerbaren Energien in den kommenden Jahren nicht aus, «dann werden wir ein Problem haben». «Gerade, weil es so ein grosses Problem ist, haben wir Glück, haben wir in den letzten Jahren nicht auf die SVP gehört und mit der Energiestrategie 2050 ein Massnahmenpaket für diesen Zubau auf den Weg geschickt.»

Vorerst aber gehe es nicht ohne die bestehenden Meiler. «Ich sage seit 2010, dass wir leider einzelne AKW wie Gösgen 60 bis 65 Jahre laufen lassen müssen, um die Versorgungssicherheit im Winter zu sichern – solange sie nach dem Stand der Technik sicher sind», sagt der Grünliberale Bäumle. «Dafür bin ich von Links-Grün teilweise ziemlich gerüffelt worden.» So habe die Schweiz bis 2040 oder 2045 Zeit, um den Umbau auf erneuerbare Energien und neue Speicher zu schaffen.

«Die Bauzeit für ein neues AKW würde 30 Jahre dauern»

Für SVP-Nationalrat Christian Imark (39) reicht das nicht. Die Schweiz könne nicht einfach auf ein Drittel der Energieproduktion verzichten. «Die neue Energiestrategie ist gescheitert. Sämtliche Ziele bei Fotovoltaik, bei Wind oder Wasser sind nicht zu erreichen», betont er gegenüber Blick TV. «Wir kommen deshalb gar nicht um die Kernenergie herum. Wir müssen ohne Scheuklappen auch über neue AKW reden.»

Damit aber stösst die SVP mehrheitlich auf Ablehnung. «Die Bauzeit für ein neues AKW würde 30 Jahre dauern», betont SP-Energiepolitiker Eric Nussbaumer (61). «Bis 2050 würde es keinerlei Beitrag zur Klimapolitik oder zur Energiewende leisten.»

Bis dahin seien die erneuerbaren Energien deutlich ausgebaut, ergänzt Müller-Altermatt. Dabei seien aber eben auch Kompromisse nötig, wenn es um die Konflikte mit Natur und Landschaft oder um die Kosten für die Wasserkraft gehe. «Wir müssen bei der Förderung erneuerbarer Energien endlich Gas geben», doppelt Nussbaumer nach.

Zudem: Wer solle ein neues AKW überhaupt finanzieren? «Kein Privater wird das machen wollen», ist SP-Nationalrätin Suter überzeugt. «Stellt sich Martullo-Blocher vor, dass die öffentliche Hand dies finanzieren müsste?»

Parallel dazu sei der Import erneuerbarer Energie gerade für die vernetzte Schweiz ökologisch und ökonomisch effizienter als reine Eigenversorgung. «Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir vor allem das Stromabkommen mit der EU hinbekommen», gibt GLP-Bäumle zu bedenken. «Hier müssten sich gerade Magdalena Martullo-Blocher und ihre Partei an die eigene Nase fassen und ihre Politik überdenken.»

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