Gewerkschaften und SP bleiben stur
EU-Rahmenabkommen so gut wie tot

Im September wollte der Bundesrat das Rahmenabkommen mit der EU unterschreiben und so die Grundlage für neue bilaterale Verträge legen. Daraus wird nichts, plötzlich hat Bundesrat Johann Schneider-Ammann fast niemanden mehr zum Verhandeln.
Publiziert: 09.08.2018 um 04:27 Uhr
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Aktualisiert: 25.10.2018 um 10:04 Uhr
Bundesrat Johann Schneider-Ammann reagiert verärgert über die Vorwürfe der Gewerkschaften und spricht von einem «Vertrauensbruch».
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Gewerkschaften boykottieren Verhandlungen:Schneider-Ammann will sich das nicht bieten lassen
Pascal Tischhauser

Gestern warf der Schweizer Gewerkschaftsbund (SGB) Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (66) den Fehdehandschuh hin: Er verlässt die Verhandlungsrunde, die Anpassungen beim Lohnschutz sucht. Das ist Brüssels Bedingung für die Weiterentwicklung des bilateralen Wegs mit einem Rahmenabkommen.

In Bundersbern ist der Teufel los: Gewerkschaftsboss Paul Rechsteiner hat den Verhandlungstisch verlassen. Er weigert sich, mit Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann über die flankierenden Massnahmen zu verhandeln.
Foto: THOMAS HODEL
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Gewerkschaftsboss Paul Rechsteiner (65) wirft Schneider-Ammann vor, der EU die Türen für Lohn- und Sozialdumping zu öffnen. Und Vania Alleva (49), Chefin der Gewerkschaft Unia, doppelt nach: Das Vorgehen des Wirtschaftsdepartements sei ein «Verrat an den Arbeitnehmenden». Kurz bevor sie ihren Abgang vom Verhandlungstisch vor den Medien inszeniert hatten, zeigten sich der Gewerkschaftsdachverband Travailsuisse und die SP solidarisch.

Gewerkschaften «verbiegen» Fakten

Eilig lud Bundesrat Schneider-Ammann darauf die Medien ins Bundeshaus, um die Vorwürfe zu parieren: «Ich akzeptiere nicht, dass man mir vorwirft, Arbeitsplätze und Löhne aufs Spiel zu setzen.» Die Gewerkschaften würden Dinge, auf die man sich geeinigt habe, «verbiegen und verkürzen» – so gehe man mit einem Bundesrat nicht um.

Nun bleibt Schneider-Ammann nichts übrig, als allein mit Arbeitgebern und Kantonen nach Lösungen bei den flankierenden Massnahmen zu suchen, mit denen die EU leben kann.

Bundesrat kann seine Ambitionen begraben

Schliesslich ist der Fahrplan zum Abschluss eines Rahmenabkommens, das die Grundlage für weitere bilaterale Verträge bilden soll, ambitioniert. BLICK weiss: Plan des Bundesrats war, das Rahmenabkommen noch im September zu paraphieren.

Das kann er vergessen: Weil die SVP schon aus Prinzip gegen ein Abkommen mit Brüssel ist, die SP ebenfalls abwinkt und auch die CVP nicht mehr an ein Abkommen glaubt, wie Parteichef Gerhard Pfister (55) im BLICK-Interview nahelegt, steht die FDP alleine da.

Und Schneider-Ammann hat nur noch die Arbeitgeber an seiner Seite. Die Kantone dürften sich ebenfalls zurückziehen, sobald sie merken, dass einzig die Freisinnigen und die kleine GLP dem Wirtschaftsminister die Stange halten.

Es braucht mehr als ein Gewitter

Schneider-Ammann machte keinen Hehl daraus, wie enttäuscht er über die Entwicklung ist. Er hatte wohl tatsächlich geglaubt, auf dem richtigen Weg zu sein. Und er attestierte Rechsteiner selbst gestern noch, dass es diesem um die Sache gehe. In diesem Punkt hatte er wohl recht. Dass es nun aber bloss ein reinigendes Gewitter braucht und doch noch alles gut kommt, wie er glaubt, darf bezweifelt werden.

Für diese Schwierigkeiten kann sich Schneider-Ammann zuallererst bei seinem Parteikollegen Ignazio Cassis (57) bedanken. Der FDP-Aussenminister hatte die flankierenden Massnahmen im Juni plötzlich in Frage gestellt, statt zuerst hinter den Kulissen das Gespräch mit den Sozialpartnern zu suchen.

SVP ist die lachende Dritte

Schon macht wieder der «Praktikant Cassis» die Runde in Bundesbern. SP-Chef Christian Levrat (48) hatte den Bundesratsneulig vor einem Jahr so betitelt und ihm die Schuld für die damaligen Schwierigkeiten mit der EU gegeben. Rechsteiner bezeichnete die beiden FDP-Bundesräte gestern sogar als «Gefahr für die Schweiz». 

Nur einen freut die Entwicklung: SVP-Chef Albert Rösti (51). Endlich würden es auch die Gewerkschaften erkennen: «Um die Arbeitnehmer zu schützen, muss man sich ganz klar vom Abkommen distanzieren.» 

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