Gewerkschaften fordern Anerkennung als Berufskrankheit
Zahlt die Suva bald für Burn-outs?

Die Gewerkschaften beantragen beim Bund, dass Burn-outs als Berufskrankheit gelten sollen. Doch dafür braucht es erst eine Diagnose.
Publiziert: 03.05.2017 um 21:21 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 21:53 Uhr
Sermîn Faki

Burn-outs sollen künftig als Berufskrankheit gelten. Das fordern die Gewerkschaften vom Bundesrat. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) und Travail Suisse haben im März eine entsprechende Eingabe beim Bundesamt für Gesundheit eingereicht.

«Burn-out hat sich in den letzten Jahren immer mehr zu der Berufskrankheit schlechthin in der Dienstleistungsbranche entwickelt», sagt SGB-Zentralsekretär Luca Cirigliano. Studien zeigten, dass der Stress am Arbeitsplatz zunehme.

Hoffnung auf mehr Prävention

SGB-Zentralsekretär Luca Cirigliano.
Foto: Keystone

Heute seien 20 bis 30 Prozent der Arbeitnehmenden von einem Burn-out-Risiko betroffen. Kein Wunder, so Cirigliano: «Arbeitgeber haben häufig unrealistische Zielsetzungen, die Fristen für Projekte werden immer knapper, am Personal wird gleichzeitig gespart.»

Burn-out: Für die Gewerkschaften eine Berufskrankheit, die anerkannt werden sollte.
Foto: grinvalds

Wäre Burn-out eine Berufskrankheit, würden nicht mehr die Krankenkassen, sondern Unfallversicherer wie die Suva für Kosten und Taggeld aufkommen. Von der Anerkennung als berufliche Erschöpfungskrankheit erhoffen sich die Gewerkschaften aber vor allem eine bessere Prävention.

Es gibt noch keine Diagnose

Doch zuvor muss eine grosse Hürde aus dem Weg geräumt werden: Bevor eine Krankheit als beruflich bedingt anerkannt werden kann, muss sie eine eigene Diagnose haben. Und das ist noch immer nicht der Fall – auch wenn die Krankheit existiere, so Arbeitsmedizinerin Brigitta Danuser.

«Ärzte müssen auf die Diagnose Erschöpfungsdepression ausweichen», sagt Danuser. Für die Patienten sei das schlecht: «Eine Depression ist als Ausdruck einer Schwäche stigmatisiert. Ein Burn-out wird in unserer Arbeitsgesellschaft auch positiv bewertet: Da hat jemand alles gegeben.»

Keine genauen Zahlen

Arbeitsmedizinerin Brigitta Danuser.
Foto: Keystone

Dass es keine eigene Burn-out-Diagnose gibt, hat für die Forscherin des Westschweizer Universitätsinstituts für Arbeitsmedizin in Lausanne einen weiteren Nachteil: «Wir wissen deshalb auch nicht, wie viele Leute wirklich betroffen sind. Damit verschliessen wir die Augen vor einer Erkrankung und ergreifen auch keine Schutzmassnahmen», sagt sie.

Zudem würde eine eigene Diagnose sicherstellen, dass alle Betroffenen zielgerichtete Hilfe bekämen, so Danuser: «Heute ist es so: Wer Geld hat, kann sich in einer privaten Burn-out-Klinik helfen lassen. Alle anderen haben Pech.»

SGB befürchtet Burn-out-Epidemie

Dass die Gewerkschaften gerade jetzt aktiv werden, hat einen Grund: Im Parlament wird derzeit über die Änderung des Arbeitsgesetzes beraten. Die Ständeräte Konrad Graber (CVP, LU) und Karin Keller-Sutter (FDP, SG) verlangen, dass für Fachspezialisten und Angestellte mit Leitungsfunktion das Nachtarbeitsverbot und die Höchstarbeitszeiten aufgehoben werden.

«Kommt das durch, ist mit einer eigentlichen Burn-out-Explosion zu rechnen», so SGB-Mann Cirigliano. «Wir setzen uns deshalb nicht nur dafür ein, dass das Burn-out als eigentliche Berufskrankheit anerkannt wird. Für uns ist die Prävention mindestens genauso wichtig. Deshalb verlangen wir, dass das Arbeitsgesetz eingehalten wird: Pausen, Nachtruhe und Planbarkeit sind zentral.»

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