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Gerhard Pfister stellt Sitzverteilung im Bundesrat zur Diskussion
CVP tüftelt an neuer Zauberformel

Parteipräsident Pfister dämpft die grünen Hoffnungen auf einen Bundesratssitz, will aber die Konkordanz neu aushandeln.
Publiziert: 24.11.2019 um 12:25 Uhr
Camilla Alabor und Simon Marti

Gestern Samstag, kurz nach 10 Uhr. Wortlos tritt FDP-Präsidentin Petra Gössi (43, SZ) aus dem Sitzungszimmer im dritten Stock des Bundeshauses. Ein weiteres Treffen mit der SVP ist soeben zu Ende gegangen – eine weitere Sitzung mit dem Ziel, die beiden freisinnigen Bundesratssitze im Dezember zu halten. Einen Schritt hinter Gössi: SVP-Präsident Albert Rösti (52, BE). «Die SVP führt Gespräche mit allen anderen Bundesratsparteien», sagt der Berner Oberländer. Seine Partei hatte Anfang Woche noch signalisiert, die grüne Parteipräsidentin und Bundesratskandidatin Regula Rytz (57, BE) zumindest anzuhören. Jetzt will die SVP davon nichts mehr wissen. Kein ­Hearing also bei der SVP.

Es ist ein erster, symbolischer Sieg für die Freisinnigen. Eine weiterer folgt sogleich: In der «Samstagsrundschau» von Radio SRF gibt CVP-Präsident Gerhard Pfister bekannt, die neu gebildete Mitte-Fraktion aus CVP, EVP und BDP werde die grüne Kandidatin ebenfalls nicht anhören. Pfister selbst hätte Rytz wohl eingeladen, wie die «Tagesschau» berichtet, eine Mehrheit der Fraktion sieht dies anders.

Damit beendet sie die wochenlangen Spekulationen über das mögliche Wahlverhalten seiner Fraktionskollegen – und entzieht Rytz die Chance, mit einem überzeugenden Auftritt vor der Frak tion Boden gut zu machen. Denn ohne die Unterstützung der CVP wird es am 11. Dezember keinen grünen Bundesrat geben. Allerdings deutet Pfister auf SRF auch an: Nicht alle in der CVP sind gegen Rytz. Es glimmt also noch ein Funken grüne Hoffnung.

Am Freitag gab Fraktionschef Balthasar Glättli (M.) bekannt, dass die Grünen ihre Präsidentin Regula Rytz (r.) als Bundesratskandidatin nominieren.
Foto: keystone-sda.ch
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Ein Konkordanz-Gipfel solls richten

Und wenn es dieses Mal nicht klappen sollte: Pfister macht gegenüber Radio SRF einen Vorschlag, der die Grünen zumindest langfristig einbinden würde. Sein Ansatz: ein Konkordanz-Gipfel. Würden die Grünen zu lange vom Bundesrat ausgeschlossen, stärke das die Partei nur, so Pfister. Auf Nachfrage von SonntagsBlick erklärt der CVP-Präsident, dass die Gespräche mit den anderen Parteien hierzu wohl im neuen Jahr beginnen werden. «Wir müssen die Zauberformel im Bundesrat, die Konkordanz in der Landesregierung, neu erfinden.» Er räumt ein: «Gemäss dem Wählerwillen haben die Grünen heute einen rechnerischen Anspruch auf einen Sitz im Bundesrat.»

Pfister signalisiert damit der FDP, dass sich der Support für die beiden freisinnigen Bundesräte künftig erschöpfen könnte. «An die Adresse der FDP sage ich, dass es besser ist, diesen Prozess mitzugestalten und sich nicht kategorisch allen Argumenten zu verschliessen.» Der Zuger zieht den Vergleich zur Abwahl von Ruth Metzler (55): Die CVP-Bundesrätin musste 2003 nach nur einer Legislatur Christoph Blocher (79, SVP) weichen. «Die CVP hat am eigenen Leib erfahren, dass solch tiefgreifende Verschiebungen nicht vor dem Bundesrat haltmachen», so Pfister warnend.

Die andere Mittepartei, die Grünliberalen, begrüssen Pfisters Vorschlag eines Konkordanzgipfels. «Wenn wir ebenfalls eingeladen sind – und nicht nur die Bundesratsparteien –, sind wir gerne dabei», sagt Parteipräsident Jürg Grossen (50, BE). «Es gehört zum Schweizer System, dass man miteinander Lösungen sucht.» Anders als die CVP lässt die GLP weiterhin offen, ob sie Rytz’ Kandidatur unterstützt. Die Frage, ob man die «rechtsbürgerliche, Klima-unempfindliche Mehrheit im Bundesrat» um vier oder gar acht weitere Jahre verlängern wolle, sei berechtigt, sagt Grossen. Auch sei der Anspruch der Grünen auf einen Bundesratssitz nachvollziehbar. «Allerdings ist eine Abwahl eine heikle Sache. Insbesondere, weil es sich bei Cassis um einen Vertreter aus dem Tessin handelt.»

GLP lässt die Türe offen

Für Kritik sorgt bei der GLP, dass die Grünen mit einer einzigen Person antreten. «Die Gepflogenheiten verlangen, dass man mit einer Auswahl antritt.» Dennoch lässt die GLP die Türe offen und lädt Rytz zu einem Hearing ein.

Während die Grünliberalen also noch unentschlossen sind, wird sich die SP wohl mehrheitlich hinter die grüne Kandidatin stellen. Davon geht zumindest SP-Nationalrat Cédric Wermuth (33, AG) aus. «Ihre Kandidatur dürfte dafür sorgen, dass sich in der SP die Reihen eher schliessen», sagt Wermuth. «Rytz hat klare Positionen, ist aber breit akzeptiert.» Dennoch sei klar: Für eine grüne Kandidatur werde es nicht einfach, die nötigen Stimmen aus der Mitte zu erhalten.

Doch selbst wenn Rytz nicht gewählt wird: Die Strategie der CVP, sich bedingungslos hinter die FDP zu stellen, ist für die Partei nicht ohne Risiken. Wermuth: «Wenn die CVP jetzt einen Grünen-Sitz der FDP-SVP-Mehrheit opfert, muss sie sich klar sein, dass bei der nächsten Vakanz auch ihr Sitz nicht mehr sicher ist.»

Hier liegt wohl auch ein weiterer Grund für Pfisters Gipfel-Treffen. Halten die Grünen ihre Stärke, muss in vier Jahren möglicherweise nicht der Freisinn einen Bundesratssitz ­abgeben. Stattdessen könnte eine ­andere altehrwürdige Kraft von der grünen Welle eingeholt werden: die CVP.

So wird gewählt

Die Vereinigte Bundesversammlung, alle 200 National- und 46 Ständeräte, wählen am 11. Dezember den Bundesrat. Bei 246 gültigen Stimmen liegt die Hürde bei 124 Stimmen. Die grüne Fraktion zählt 34 Parlamentarier, auch die 48 Sozialdemokraten dürften für Rytz stimmen. Womöglich kommen bei den Ständeratswahlen von heute Sonntag noch zwei Sitze für das rot-grüne Lager hinzu. Regula Rytz fehlen also noch 40 bis 42 Stimmen aus anderen Parteien.

Die Vereinigte Bundesversammlung, alle 200 National- und 46 Ständeräte, wählen am 11. Dezember den Bundesrat. Bei 246 gültigen Stimmen liegt die Hürde bei 124 Stimmen. Die grüne Fraktion zählt 34 Parlamentarier, auch die 48 Sozialdemokraten dürften für Rytz stimmen. Womöglich kommen bei den Ständeratswahlen von heute Sonntag noch zwei Sitze für das rot-grüne Lager hinzu. Regula Rytz fehlen also noch 40 bis 42 Stimmen aus anderen Parteien.

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