Gemeinderätin, Nationalrätin, Ständerätin, vielleicht bald Bundesrätin?
Lisa Mazzone (31)  hängt in Bern alle ab

Im Mai die Geburt ihres Sohns, im November die Wahl in den Ständerat: 2019 ist das Leben der Grünen-Politikerin Lisa Mazzone auf den Kopf gestellt worden. Ihr Erfolg macht sie zum Vorbild für junge Frauen. Ihr selbst hat es an weiblichen Vorbildern nie gefehlt.
Publiziert: 26.12.2019 um 23:06 Uhr
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Aktualisiert: 27.12.2019 um 14:29 Uhr
Lea Hartmann

Lisa Mazzone (31) ist im Schuss. Es ist nicht einfach, in diesen Tagen Ende Jahr einen Termin mit ihr zu finden. Die Agenda der Grünen-Vizepräsidentin und Genfer Ständerätin ist voll, und das ist gut so. «Ich brauche Druck, ich brauche Herausforderungen», sagt Mazzone. Das sei ihr Motor. «Der einfachste Weg ist nicht immer der richtige.»

Das Jahr 2019 brachte allerdings selbst Mazzone zeitweise an den Anschlag. Im Mai wird die Grüne zum ersten Mal Mutter. Söhnchen Béla stellt ihr Leben auf den Kopf. «Ich war von den Emotionen überwältigt», erzählt sie. Zudem galt es einiges zu organisieren. Die Parlamentarierin pendelt zwischen Genf und Bern, hat in beiden Städten eine Wohnung. BLICK trifft sie am letzten Sessionstag im Bundeshaus-Café. Vor sich eine Tasse Rooibos-Tee, blickt die Grünen-Politikerin auf das Jahr zurück.

Freund nahm für ihren Wahlkampf Urlaub

Nach dem Mutterschaftsurlaub steigt Mazzone direkt in den Ständeratswahlkampf ein. Ihr Freund, Bundeshaus-Journalist bei Tamedia, nimmt unbezahlten Urlaub, damit sich Mazzone voll auf die Politik konzentrieren kann. Das Engagement zahlt sich aus. Als zweitjüngste Frau in der Geschichte wird die schweizerisch-italienische Doppelbürgerin ins Stöckli gewählt. Die Grünen können ihren Wähleranteil in Genf mehr als verdoppeln und werden stärkste Kraft im Kanton – eine schweizweite Premiere.

Lisa Mazzone (l.) hat bei den Wahlen den Sprung ins Stöckli geschafft. Im Ständerat teilt sie sich das Pult mit Céline Vara (Grüne, NE).
Foto: KARL-HEINZ HUG
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Mazzones politische Karriere nahm in der Genfer Vorortgemeinde Versoix ihren Lauf. Mit 23 wird sie Gemeinderätin, mit 25 – im selben Jahr, in dem sie ihren Bachelor in Literaturwissenschaften abschliesst – Kantonsrätin. Zwei Jahre später schafft sie es als jüngste Nationalrätin nach Bern. Kurz darauf folgt der Schritt ins Grünen-Präsidium.

«Ich bin sehr ehrlich»

Wie hat sie es in dieser kurzen Zeit so weit nach oben geschafft? Die Grüne muss einen Moment überlegen. «Ich bin sehr ehrlich, das ist eine meiner Stärken», sagt sie dann. Zudem zeichne sie grosser Fleiss und Leidenschaft aus. «Macht interessiert mich nicht per se. Ich mache Politik, um etwas zu verändern.»

Ihr Gestaltungswillen ist unübersehbar. Keine andere Frau im Parlament war in den ersten drei Jahren der vergangenen Legislatur länger am Rednerpult als sie, hat der «Beobachter» ausgerechnet. «Sie stiehlt Roger Köppel die Show», titelte einst die «SonntagsZeitung». Im Rating der einflussreichsten Politikerinnen und Politiker in Bundesbern landete die Berufspolitikerin ganz weit vorne.

Mit dem Wechsel vom National- in den Ständerat ist der Einfluss der grünen Überfliegerin weiter gewachsen. Plötzlich nicht mehr eine von 200, sondern bloss von 46 zu sein, daran muss sich Mazzone aber erst noch gewöhnen. Besonders schwer fiel der Vielrednerin, die ersten Wochen bloss zuzuhören, wie das im Ständerat von den Neuen erwartet wird. Mazzone konnte sich schliesslich eine Ausnahme ausbedingen. Erzählt sie davon, kann sie sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

Eine grüne Vorzeigefamilie

Manch einen alteingesessenen bürgerlichen Ratskollegen provoziert die Genferin – sowohl mit ihrer Art wie auch ihren Inhalten. Gerade für manch eine junge Frau aber ist sie ein Vorbild. Zum Beispiel dem 16-jährigen Mädchen, das sich nach Mazzones Wahl in den Ständerat per Mail bei ihr gemeldet hatte. «Sie schrieb mir, dass sie selbst in ihrer Familie nie ein solches Vorbild gehabt habe», erzählt Mazzone. «Das hat mich sehr berührt. Ich freue mich, wenn ich bei anderen Frauen etwas auslösen kann.»

Ihr selbst hat es an Vorbildern in der Familie nicht gefehlt. Vater Sergio Mazzone vertrieb Solarpanels und sass jahrelang für die Grünen im Gemeinderat von Versoix. Die Mazzones waren stets mit dem Zug unterwegs, auf den Tisch kam wenig Fleisch – eine grüne Vorzeigefamilie. «Der Lebensstil meiner Eltern, vor allem aber ihre Werte haben mich stark beeinflusst», sagt die Romande, die inzwischen fast perfekt Hochdeutsch spricht.

Auch ihre Mutter und Grossmutter prägten sie. Ihre Grosseltern waren von Italien nach Genf ausgewandert, wo sie beide als Physiker am Cern arbeiteten. Grossmutter Maria war zu dieser Zeit eine von ganz wenigen Frauen im Kernforschungszentrum. «Noch heute gehen sie fast täglich ans Cern», sagt Mazzone. Ihre Mutter begann, als Mazzone im Kindergartenalter war, noch ein Medizinstudium und arbeitete später als Ärztin. Vor sechs Jahren ist sie gestorben. Krebs. «Ihr Tod kam für mich völlig unerwartet. Sie war eine sehr starke und lebhafte Person», sagt Mazzone.

Todesfall überschattet Familienglück

Auch dieses Jahr war für Mazzone nicht nur von Freude, sondern auch von grosser Trauer geprägt. Ein weiterer Todesfall in der engen Familie überschattete Wahlsieg und Mutterglück. Doch die kämpferische Romande lässt sich nicht unterkriegen, in der Politik wie im Privaten. Rückblickend sagt sie: «Das, was passiert ist, hat uns als Familie zusammengeschweisst.»

Obwohl sie Stress liebt, ist sie froh, wenn die nächsten Monate wieder etwas ruhiger werden. Mazzone kündigt an, das Vizepräsidium der Grünen bald abzugeben. «Ich freue mich, mehr Zeit für die Arbeit als Ständerätin zu haben.» Allerdings: Es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis sie wieder die Lust an der nächsten Herausforderung packt. Parteipräsidentin? Ja, gar nächste Bundesratskandidatin der Grünen? Ausschliessen tut die Jung-Ständerätin nichts. «Das Leben ist lang! Mal schauen, welche Gelegenheiten es in Zukunft gibt.»

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